„Cooling-off-Phase“ für VfGH-Mitglieder: Gesetzesnovelle erhält einhellige Zustimmung im Verfassungsausschuss

„Cooling-off-Phase“ für VfGH-Mitglieder: Gesetzesnovelle erhält einhellige Zustimmung im Verfassungsausschuss

Beschluss im Nationalrat soll schon morgen erfolgen

Gemäß der Bundesverfassung gelten für Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs bestimmte Unvereinbarkeiten. So dürfen die VfGH-Richter:innen etwa nicht gleichzeitig der Regierung, einer Landesregierung, dem Nationalrat, dem Bundesrat, einem Landtag oder dem Europäischen Parlament angehören und auch nicht Angestellte bzw. Funktionär:innen einer politischen Partei sein. Um eine zu große Politiknähe bzw. deren Anschein zu vermeiden, gilt für die VfHG-Spitze – Präsident:in und Vizepräsident:in – überdies eine fünfjährige „Cooling-off-Phase“. Das heißt, sie dürfen auch in den letzten fünf Jahren vor ihrer Ernennung keine der genannten Funktionen ausgeübt haben. Nun soll auch für die anderen Verfassungsrichter:innen eine solche „Cooling-off-Phase“ – diesfalls von drei Jahren – eingeführt werden. Eine von den Koalitionsparteien vorgelegte Verfassungsnovelle hat heute mit den Stimmen aller Fraktionen den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. Damit sollte die im Nationalrat notwendige Zweidrittelmehrheit sichergestellt sein. Das Plenum will bereits morgen Vormittag über den Entwurf beraten.

Neuerlich vertagt wurden hingegen zwei Anträge der SPÖ: Sie haben zum einen eine Änderung des Bundesarchivgesetzes und zum anderen die Schaffung von sozialen Grundrechten zum Ziel.

SPÖ PLÄDIERT AUCH BEI NATIONALBANK-SPITZE FÜR COOLING-OFF-PHASE

Ausdrücklich begrüßt wurde die Verfassungsnovelle (4099/A) von den Abgeordneten Agnes Sirkka Prammer (Grüne), Selma Yildirim (SPÖ), Michaela Steinacker (ÖVP) und Nikolaus Scherak (NEOS). Sie sei überzeugt davon, dass Cooling-Off-Phasen das Vertrauen der Bevölkerung in Institutionen steigern, sagte etwa Yildirim, wobei sie sich fragte, warum für VfGH-Richter:innen ein dreijähriger Zeitraum gewählt wurde. Die SPÖ hätte auch einer fünfjährigen Phase zugestimmt, sagte sie. Zudem sprach sie sich dafür aus, auch das Bestellverfahren für VfGH-Richter:innen in Richtung mehr Objektivierung zu ändern und auch in anderen Bereichen wie der Nationalbank-Spitze eine Cooling-off-Phase einzuführen. Es gehe nicht darum, betroffenen Personen die Expertise abzusprechen, sagte Yildirim, aber diesen würde immer „der Touch der parteipolitischen Besetzung anhaften“.

Als Beispiel nannten Yildirim und NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak den ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter, der nur kurze Zeit nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung zum VfGH-Richter ernannt wurde und bei vielen Beschwerden wegen Befangenheit nicht mitentscheiden konnte, wie Scherak skizzierte. Mit der Cooling-off-Phase vermeide man künftig, dass sich Richter:innen vertreten lassen müssten, weil sie selbst an den Beschlüssen mitgewirkt haben, hob auch Prammer hervor. Sie kann sich außerdem durchaus weitergehende Schritte vorstellen. Als kurzfristige Maßnahme plädierte Scherak dafür, auch Staatssekretär:innen – die formal keine Regierungsmitglieder sind – in die Unvereinbarkeitsbestimmungen aufzunehmen, und hofft dazu auf eine Einigung bis zum Beschluss der Verfassungsnovelle morgen im Plenum.

ÖVP-Justizsprecherin Steinacker wandte sich in der Debatte dagegen, jemandem von Vornherein Befangenheit zu unterstellen, weil er ein bestimmtes Wertegerüst vertrete oder bestimmte Aufgaben wahrgenommen habe. Alle bisherigen VfGH-Richter:innen seien höchst respektable, wissende und ausgezeichnete Persönlichkeiten gewesen, unterstrich sie. Die vorliegende Regelung beurteilte sie als „gut und mit Augenmaß gesetzt“.

PRÄZISIERUNGEN IM BUNDESGESETZBLATTGESETZ UND WEITERE ÄNDERUNGEN

Mit dem Gesetzentwurf werden überdies das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz novelliert. Damit wollen die Abgeordneten unter anderem dem Umstand Rechnung tragen, dass im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) abseits von Gesetzen und Verordnungen sowie amtliche Verlautbarungen des Bundes mittlerweile auch zahlreiche weitere Rechtsvorschriften und Verlautbarungen veröffentlicht werden. In diesem Sinn werden neben klaren Zuordnungen zu den einzelnen Teilen des Bundesgesetzblatts diverse Klarstellungen und Präzisierungen vorgenommen. Außerdem wird dem Präsidenten bzw. der Präsidentin des Verfassungsgerichtshof sowie dem Präsidenten bzw. der Präsidentin des Verwaltungsgerichtshof das ausdrückliche Recht eingeräumt, an den parlamentarischen Ausschussberatungen über das Budget des VfGHs bzw. des VwGHs teilzunehmen. Weitere Bestimmungen betreffen die explizite Regelung der Tätigkeit der rechtskundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verfassungsgerichtshof sowie die Übertragung von Papierakten in elektronische Dokumente im VfGH und VwGH.

KEINE EINIGUNG AUF NEUE ARCHIVIERUNGSREGELN

Keine Einigung mehr in dieser Legislaturperiode ist hingegen in Bezug auf eine Berücksichtigung moderner Kommunikationsformen im Bundesarchivgesetz zu erwarten. Die Beratungen über einen entsprechenden Antrag der SPÖ (743/A) wurden neuerlich vertagt. Dabei hatte sich der Nationalrat bereits im Frühjahr 2019 in Form einer einstimmigen Entschließung dafür ausgesprochen, digitale Archivalien und digitale Äußerungen von Staatsorganen, etwa in den Sozialen Medien, der Nachwelt durch eine Archivierung zu erhalten, wie die SPÖ in ihrem Antrag festhält. Das wäre auch für die zeitgeschichtliche Forschung wichtig, betonte Abgeordneter Christian Drobits, wobei es ihm ausschließlich um berufliche und nicht um private Äußerungen geht. Ebenso wäre es seiner Meinung nach zeitgemäß, die Archivfristen für wissenschaftliche Arbeiten von 20 auf 10 Jahre zu reduzieren.

Sowohl Kurt Egger (ÖVP) als auch Eva Blimlinger (Grüne) sehen allerdings keinen akuten Handlungsbedarf. Schon auf Basis der geltenden Bestimmungen könne Digitales archiviert werden, sagte Blimlinger. Es wäre Aufgabe des Staatsarchivs, das sicherzustellen. Schließlich entscheide dieses darüber, was archivwürdig sei. Die Dienststellen müssten alle entsprechenden Unterlagen anbieten. Was ihrer Ansicht nach hingegen sehr wohl geändert gehört, ist, den Schriftverkehr von Minister:innen den jeweiligen Nachfolger:innen zugänglich zu machen. Das werde sich in dieser Legislaturperiode aber nicht mehr ausgehen, glaubt sie.

SPÖ FORDERT WEITERENTWICKLUNG DES GRUNDRECHTEKATALOGS

Ebenfalls ein weiteres Mal in die Warteschleife geschickt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ (3685/A(E)), in dem sich Abgeordneter Jörg Leichtfried und seine Fraktionskolleg:innen für eine Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs aussprechen, wobei es ihnen vor allem um die Verankerung sozialer Grundrechte geht.

Michaela Steinacker (ÖVP) hielt dazu fest, dass soziale Rechte in Österreich gut abgesichert seien, etwa was den Zugang zur Sozialversicherung oder zu Gesundheits- und zu Pflegeleistungen betreffe. Die heikle Frage sei, inwieweit soziale Rechte auch gegenüber privaten Dritten wirken sollen, meinte sie. Darüber habe es schon im Österreich-Konvent keine Einigung gegeben. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs

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