Gleichbehandlungsausschuss: Generisches Maskulinum, neutrale Formulierungen oder Sonderzeichen?
Gleichbehandlungsausschuss: Generisches Maskulinum, neutrale Formulierungen oder Sonderzeichen?
Diskussion über gendergerechte Sprache beim Hearing zum „Anti-gendern-Volksbegehren“
Personen, die keine geschlechtergerechte Sprache verwenden, sollen keine Nachteile erfahren, fordern die Unterzeichner:innen des „Anti-gendern-Volksbegehrens“, das heute im Rahmen eines öffentlichen Hearings im Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrats diskutiert wurde. Es müsse jedem selbst überlassen bleiben, ob er oder sie gendere oder nicht, sei es in Ämtern, an Hochschulen, in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen, betonen die Initiatoren des Volksbegehrens Stefan und Clemens Grünberger. Unterzeichnet wurde das Volksbegehren von 154.102 Personen, das sind 2,43 % der Wahlberechtigten (2172 d.B.). Keine Frau werde eine Verbesserung durch Gendern gesichert, zeigte sich Stefan Grünberger vor den Abgeordneten im Ausschuss überzeugt. Vielmehr verarme Gendern die Sprache sowie deren Entwicklung.
KROME FÜR VERWENDUNG NEUTRALER GESCHLECHTSÜBERGREIFENDER FORMULIERUNGEN
Als Ausgangspunkt der Diskussion verwies die als Expertin in den Ausschuss geladene Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung Sabine Krome auf die Urteile von Höchstgerichten, die das Recht auf Veränderungen von Geschlechtsangaben im Personenstandsregister juristisch festgeschrieben haben. Sprache sei aber nicht gleich Rechtschreibung, hob Krome hervor. Ziel des Rats für deutsche Rechtschreibung sei, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im gesamten deutschen Sprachraum zu wahren. Dabei sei insbesondere die Nutzung des generischen Maskulinums umstritten. Krome empfahl daher die Verwendung neutraler geschlechtsübergreifender Formulierungen wie Publikum, Mitglieder, Gäste oder Studierende, Beschäftigte und Teilnehmende.
Genderstern, Doppelpunkt, Binnen-I oder Unterstrich im Wortinneren würden weder alle Geschlechterdiversitäten ansprechen noch zu den Satz- und Wortzeichen – und damit zum Kernbestand der deutschen Orthografie – gehören. Zudem könnten sie grammatische Folgeprobleme verursachen. Krome sprach sich dafür aus, Probleme mit der Umsetzung ernst zu nehmen. Gesellschaftlicher Wandel könne nicht ignoriert werden, neue Regelungen müssten jedoch von der Mehrheit der Gesellschaft getragen werden können.
HOCHREITER: GENERISCHES MASKULINUM UNPRÄZISE UND REPRÄSENTIERT NICHT AUSREICHEND
Literaturwissenschaftlerin und Gleichbehandlungsexpertin Susanne Hochreiter sprach sich dezidiert für genderinklusives Formulieren aus – auch aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Alle Sprachteilnehmer:innen hätten Anspruch darauf, sprachlich genannt zu werden. Nicht erwähnt zu werden, heiße, sprachlich ausgeschlossen zu sein. In diesem Sinn betrachtet Hochreiter Sprache als Medium, das Wirklichkeit, Denken und Handeln prägt. Die Frage sei, wie Personen korrekt angesprochen werden können. Die derzeitigen Formen erachtete die Expertin als gute Ansätze. Aus ihrer Sicht ergeben sich bei der Lesbarkeit keine erheblichen Schwierigkeiten.
Wissenschaftliches Schreiben brauche Präzision, unterstrich die Expertin, es müsse klar sein, wer gemeint ist. Sie verwehrte sich schlechterer Beurteilung durch fehlendes Gendern. Mit Stundent:innen trete sie ins Gespräch.
ABGEORDNETE STECKEN POSITIONEN AB
Gudrun Kugler (ÖVP) begrüßte den Vorschlag des Rechtschreibrates und sprach sich im Einklang für geschlechtsneutrale Formulierungen anstelle von Sonderzeichen aus. Die Verwendung der rein weiblichen Pluralform würde ebenfalls nicht zur Verständlichkeit führen, zeigte sie sich überzeugt und forderte eine klare, verständliche Sprache. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) interessierte sich für Schwierigkeiten für Menschen, die die deutsche Sprache erst lernen müssen, die durch Gendern mit Sonderzeichen entstehen können.
Sprache schaffe Sichtbarkeit und Bewusstsein, ging Sabine Schatz (SPÖ) mit den Expertinnen einher. Der heutige Equal Pay Day zeige, dass Frauen immer noch nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit verdienen. Um Frauen für „MINT“-Berufe zu interessieren, müssten Frauen auch in der Sprache angesprochen werden. Daher pochte Schatz darauf, in Stellenausschreibungen auch Mathematikerinnen, Informatikerinnen, Ingenieurinnen und Forscherinnen zu suchen. Das Hohe Haus habe die Verfassung zu verteidigen, zeigte sich Mario Lindner (SPÖ) überzeugt. Fakt sei, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe. Um Menschen Respekt zu zeigen, sei er dafür, alle Lebensrealitäten sichtbar machen.
Sprache entwickle sich weiter, betonte Henrike Brandstötter (NEOS). Bei ausführlicher Genderung räumte Brandstötter Herausforderungen in der Lesbarkeit ein. Anti-gendern sei jedoch keine Lösung, hielt sie den Initiatoren des Volksbegehrens entgehen.
Laut Rosa Ecker (FPÖ) lehnen 65 % der Österreicher:innen den „Genderwahnsinn“ ab. Dem Gendern stand sie kritisch gegenüber, da es zu einem Verlust des Sprachflusses, zur Unleserlichkeit von Texten und zu Verwirrung führe. Gendern fließe auch in die Benotung ein, machte sie geltend und forderte keine Nachteile, wenn nicht gegendert wird. Binnen-I, Genderstern und Unterstrich würden die Barrierefreiheit einschränken, wies sie auf die erschwerte Lesbarkeit und Herausforderungen beim Abhören von Texten hin. In Niederösterreich gebe es kein Genderverbot, hielt Ecker Abgeordneter Schatz entgegen. Gegendert werde oft in vorauseilendem Gehorsam.
Menschen hätten ein Recht, in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, betonte Meri Disoski (Grüne). Dies habe auch mit sprachlicher Sichtbarkeit zu tun. Daher könne Sprache niemals neutral sein. Das generisches Maskulinum umschließe weder alle Geschlechter noch alle Identitäten. Studien würden Nachteile für Frauen belegen, wenn nicht gegendert werde, unterstrich sie. Frauen würden sich zudem vermehrt auf Berufe bewerben, wo in der Ausschreibung auch die weibliche Form angesprochen werde. Der heutige Equal Pay Day zeige Ungleichbehandlungen im Jahr 2024.
BEVOLLMÄCHTIGTER DES VOLKSBEGEHRENS SIEHT GENERISCHES MASKULINUM ALS LÖSUNG
Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Stefan Grünberger trat im Ausschuss heftig gegen einen „Genderzwang“ ein und präsentierte eine Lösung gegen das Gendern. Er empfahl das Lernen des generischen Maskulinums von Beginn an. Würde gelehrt, dass damit Männer und Frauen gemeint sind, so würde sich ein neues Verständnis dafür bilden. In seinem Plädoyer gegen das Gendern verwies Grünberger auf die Europäische Menschenrechtskonvention ebenso wie auf die englische Sprache und sah sich dadurch bestätigt.
Der Verfassungsgerichtshof habe keine Sprachänderung gefordert, hielt er den Expertinnen entgegen. Alle Formen miteinzubeziehen sei nicht möglich, hielt er den Anspruch für realitätsfern. Das „Zwangsgendern“ habe zu hohen Ausgaben für die Entwicklung von Leitlinien geführt, kritisierte er. Aufgrund von Gender-Leitlinien, die berücksichtigt werden müssen, handle es sich um keine natürliche Entwicklung, so Grünberger. Daher komme der Rat für deutsche Rechtschreibung zu falschen Erkenntnissen. Mit dem Volksbegehren wolle er jenen 80 % der Leute, die gegen das Gendern sind, eine Stimme geben.
Mit seinem Eingangsstatement im Rahmen des Hearings sorgte Stefan Grünberger teilweise für Empörung unter den Abgeordneten. Er wurde daher von der Ausschussvorsitzenden unter Wahrung der freien Rede darauf hingewiesen, auf die Wortwahl im Hohen Haus zu achten.
Der Gleichbehandlungsausschuss hat die Beratungen über das Volksbegehren abgeschlossen. Ein Bericht wird dem Nationalrat zugeleitet. (Fortsetzung Gleichbehandlungsausschuss) gla
HINWEIS: Fotos von dem Hearing finden Sie im Webportal des Parlaments.
Das öffentliche Hearing konnte auch via Livestream mitverfolgt werden und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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