TV-Premiere für Monika Czernins „Universum History“-Doku „Maria Theresias dunkle Seite – Die Vertreibung der Juden aus Prag“
TV-Premiere für Monika Czernins „Universum History“-Doku „Maria Theresias dunkle Seite – Die Vertreibung der Juden aus Prag“
Am 31. Oktober um 21.05 Uhr in ORF 2
Wien (OTS) – Wien, 18. Dezember 1744. Kurz vor der Geburt ihres siebenten Kindes erlässt Maria Theresia einen Befehl, der wie ein Blitz im Habsburgerreich einschlägt und Auswirkungen auf ganz Europa hat: Sie befiehlt die Vertreibung der Juden aus Prag und stellt sich damit gegen den Geist der Aufklärung. Ein Countdown beginnt, ein Kampf, in dem sich halb Europa für die jüdische Bevölkerung von Prag einsetzt. Doch die zur „Mutter ihrer Völker“ hochstilisierte Habsburgerin bleibt gnadenlos. Was treibt die angeblich so aufgeklärte Monarchin zu diesem mittelalterlichen Akt gegen die größte und wichtigste jüdische Gemeinde Europas? Die neue „Universum History“-Spieldoku von Regisseurin Monika Czernin und Fritz Kalteis (Regie Reenactments) geht dieser dunklen Seite Maria Theresias am Dienstag, dem 31. Oktober, um 21.05 Uhr in ORF 2 nach und erzählt die letzte große Vertreibung der Juden im alten Europa vor dem Holocaust als ein Drama, das angesichts von Fremdenfeindlichkeit und wiedererstarktem Antisemitismus hoch aktuell ist. In den Spielszenen wird Maria Theresia von Fanny Krausz dargestellt, Julian Loidl agiert als Franz Stephan und Paul Matic als Ignaz Kampmüller.
„Der Exodus von 10.000 Menschen, bei Eiseskälte und mitten im Winter, erinnert“, so der Historiker Michael Silber von der Hebrew Universityin Jerusalem, „wirklich an die 1930er Jahre, als die Juden Deutschland verlassen mussten“. Und tatsächlich: Nach Jahrhunderten der antijüdischen Verfolgung im christlichen Europa ist Maria Theresias Befehl der letzte von einer Herrscherin bzw. einem Herrscher verordnete Terrorakt gegen Juden im alten Europa vor dem Holocaust. Es ist der politische Amoklauf einer absolutistisch regierenden Monarchin, die in diesem Fall beratungsresistent ist und tiefes Leid über Menschen in ihrer Machtsphäre bringt. „Das ist Maria Theresias dunkle Seite“, so Historikerin und Maria-Theresia-Biografin Barbara Stollberg-Rilinger, „in der populären Geschichtsvermittlung ist das bisher nicht vorgekommen“. Die Juden von Prag starten eine europaweite Kampagne, um die Regentin – Königin von Ungarn und Böhmen – zum Einlenken zu bringen. Zwei Hofjuden – Männer aus jüdischen Familien, die die Herrscher:innen damals mit Kapital und Luxusgütern versorgten – werden zu prominenten Anführern der ersten diplomatischen Großaktion der Juden als Volk: Wolf Wertheimer und Diego d’Aguilar. Zahlreiche Schreiben treffen in Wien ein, die Gesandten Englands und Hollands werden bei Maria Theresia vorstellig und sogar der Papst bittet die fromme Katholikin um Nächstenliebe. Wird Maria Theresia einlenken? Die Dokumentation versucht zu erkunden, wie sich der Judenhass der zur „Mutter ihrer Völker“ hochstilisierten Habsburgerin erklären lässt, die in den Juden „die ärgste Pest“ sah. Ist es der Einfluss ihres jesuitischen Beichtvaters oder die Familientradition? Ihr Großvater Leopold I. ließ 1670 alle Juden aus Wien vertreiben.
Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Prag bricht die Wirtschaft des wichtigsten Kronlandes Böhmen zusammen, die Auswirkungen sind bis ins Heilige Römische Reich zu spüren. „Das war ja nicht irgendeine Gemeinde. Prag war DIE jüdische Gemeinde in Europa, die größte, die wichtigste und die bedeutendste“, sagt Historikerin Rotraud Ries. 1748 wird Maria Theresia deshalb ihren verhängnisvollen Befehl zurücknehmen, und die jüdischen Familien werden – allerdings gegen eine hohe Toleranzsteuer – zurückkehren.
Musikalische Klammer der „Universum History“-Produktion ist das El Male Rachamim, das jüdische Totengedenken. Das Gebet durchzieht den Film als Leitmotiv, taucht als „Realmusik“ gleich am Anfang bei den Toten des Pogroms auf und führt am Ende bis in die Gegenwart. Es ist einer der Höhepunkte der Dokumentation, wenn Rabbi Michael Dushinsky in der ältesten erhaltenen Synagoge Europas, der Altneu-Synagoge in Prag, das Totengedenken für die Opfer von Pogrom, Vertreibung und Holocaust singt. Ein besonderes Augenmerk legt die Produktion auf historische Dokumente, nach denen die Historiker:innen in den Archiven von Augsburg, Wien und Prag suchen. Die Handschriften aus dem Prager Nationalarchiv, die den Fall detailliert belegen, werden vom renommiertesten tschechischen Experten für die Vertreibung der Juden aus Prag, dem Historiker Alexandr Putík, dechiffriert. Ein weiteres Highlight ist die Identifizierung von bisher unbekannten Grabsteinen der Opfer von Pogrom und Vertreibung am jüdischen Friedhof in Prag. Für die Suche nach jüdischen Spuren in der Stadt wurde eine eigene Kamerasprache gefunden.
„Um Europa besser zu verstehen, muss man diese Geschichte kennen“, sagt die international renommierte und preisgekrönte Filmemacherin Monika Czernin über die große Bedeutung des Themas. „Diese Jahrhunderte alte antijudaistische Theologie ist eindeutig ein Nährboden für den Faschismus, den Nationalsozialismus, für den Antisemitismus und den Judenhass“, zieht der christliche Theologe, Judaist und Berater von Papst Franziskus im christlich-jüdischen Dialog, Christian Rutishauser, ein nachdenklich stimmendes Fazit. „Zusammenleben und Diskriminierung der Juden gibt es in Europa seit 2000 Jahren. Diese wichtige Geschichte musste ich für ein breites Publikum erzählen, denn die Wurzeln des Holocaust, aber auch das jahrhundertealte Zusammenleben von Juden und Christen in Europa, die engen Verflechtungen in Handel und Wirtschaft und die wechselnden Allianzen für und gegen die Juden sind zu wenig bekannt. Und noch viel allgemeiner gesprochen sind unsinnige Befehle, Vertreibung und Flucht bis heute hochaktuelle Themen, die nur Leid über Menschen bringen!“, so Monika Czernin, Trägerin des Friedrich-Schiedel-Literaturpreises 2023.
Details zur „Universum History“-Dokumentation „Maria Theresias dunkle Seite – Die Vertreibung der Juden aus Prag“ sind unter presse.ORF.at abrufbar.
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