Genmutation im Immunsystem: Anti-Diabetes-Medikamente lassen Immunzellen wieder effektiver arbeiten

Genmutation im Immunsystem: Anti-Diabetes-Medikamente lassen Immunzellen wieder effektiver arbeiten

Wissenschafter:innen der St. Anna Kinderkrebsforschung und der Marmara Universität haben am Beispiel eines angeborenen Immundefekts Grundlagen des Immunmetabolismus erforscht.

Immunmetabolismus ist ein zentrales Thema der Forschung. Welche Nährstoffe aufgenommen und wie sie verarbeitet werden, wird nicht nur von der Zelle, sondern auch von ihrer Funktion bestimmt. T-Zellen müssen Glukose (Zucker) verarbeiten können, um ihre Arbeit zu verrichten, die für den Menschen lebenswichtige Reaktion auf Krankheitserreger oder Krebszellen. Ist dieser Stoffwechsel gestört, dann können sie diese Leistung nur ungenügend erbringen. Wissenschafter:innen unter der Leitung der St. Anna Kinderkrebsforschung und der Marmara Universität Istanbul konnten jetzt erstmals zeigen, dass eine in drei betroffenen Patient:innen angeborene Mutation des für die Aktivierung der T-Zellen wichtigen Transkriptionsfaktors NFATC1 einen bislang nicht bekannten Immundefekt verursachen: die Patient:innen leiden unter wiederkehrenden Infektionen und Entzündungen.

Die Erstautorin der nun im Fachjournal _Blood_ veröffentlichten Studie, DDr. Sevgi Köstel Bal, eine Postdoktorandin an der St. Anna Kinderkrebsforschung in der Gruppe von Dr. Kaan Boztug, spricht von einer seltenen Erkrankung, die aber ein Modell für den Immunmetabolismus und bewusste Eingriffe in diesen sein kann. Man habe sehr deutlich gesehen, dass eine T-Zelle Energie braucht, sagt sie. Wenn Glukose aber nicht verarbeitet werden könne, dann wird der menschliche Körper krank. Man kann sich das in Form eines Autos vorstellen, das nicht optimal fährt, weil der Treibstoff nicht richtig verarbeitet werden kann. Durch die Gabe eines seit Jahrzehnten bekannten Anti-Diabetes-Medikaments wie Metformin oder Rosiglitazon „griffen die Immunzellen verstärkt auf Fette als Energiequelle zurück“, sagt Sevgi Köstel Bal. „Wir haben also die Immunzellen umtrainiert.“

DIE ZELLEN AUF FETT TRAINIERT

Die Medikamente werden für gewöhnlich bei Typ-2-Diabetes verabreicht, um die Aufnahme von Insulin zur Umwandlung von Kohlenhydraten in Energie zu erleichtern. „Wir glauben, dass in dem Feld des Immunmetabolismus ein riesiges Potenzial auch für die Behandlung solcher Defekte liegt. In unserer Studie konnten wir nicht nur einen neuen Immundefekt entdecken, sondern vor allem auch zeigen, dass die Funktion der Immunzellen der Patient:innen wieder verbessert werden konnten – durch eine Normalisierung des Stoffwechsel in den Immunzellen, obwohl es sich um einen angeborenen Immundefekt handelt.“, sagt Kaan Boztug, Letztautor der Studie, Wissenschaftlicher Direktor an der St. Anna Kinderkrebsforschung, Professor an der Medizinischen Universität Wien und Adjunct Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Ob die Mutation von NFATC1 wie viele andere angeborene Gendefekte des Immunsystems das Krebsrisiko beim Menschen erhöht, müsse noch endgültig geklärt werden, sagt Boztug. Auch die Frage, ob der Defekt eine Autoimmunreaktion, also die Zerstörung körpereigener Zellen durch den menschlichen Körper, verursachen kann, ist noch nicht beantwortet. Im Mausmodell wurde diese Reaktion jedenfalls nachgewiesen. Es sind also noch Forschungen notwendig, um den Gendefekt von NFATC1 und seine Auswirkungen in weiteren Details zu verstehen. Diese Ansicht vertritt auch Safa Baris von der Marmara Universität, Co-Letztautor der Studie, Professor für pädiatrische Allergie und Immunologie. Er leitete die Rekrutierung der Patient:innen.

In Zukunft könnten die Ergebnisse der _Blood_-Studie jedenfalls zu personalisierten Therapien führen, die gezielt auf die molekularen Ursachen von Immunkrankheiten abzielen – mit Hilfe von Immunmodulierung. Die bewusste Beeinflussung des Immunsystems durch Medikamente die Feinabstimmung, ohne eine Überreaktion oder eine Unterdrückung zu verursachen, wäre ein bedeutender Fortschritt bei der Behandlung seltener Erkrankungen wie dieser, sagt Boztug.

Das beiliegende Foto zeigt die Studienautor:innen Kaan Boztug und Sevgi Köstel Bal. Credit: Lukas Lach

Peter Illetschko
Science Communcation Manager

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