EU-Ausschuss des Bundesrats: Mitteilung an Brüssel zur EU-Führerscheinrichtlinie

EU-Ausschuss des Bundesrats: Mitteilung an Brüssel zur EU-Führerscheinrichtlinie

Länderkammer spricht sich gegen jegliche Altersdiskriminierung beim Zugang zum Führerschein aus

Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat heute einhellig beschlossen, zur EU-Führerscheinrichtlinie eine Mitteilung an die EU zu schicken. Die Bundesrät:innen sprechen sich darin gegen jegliche Altersdiskriminierung beim Zugang zum Führerschein aus und bemängeln zu kurze Übergangsfristen.

Zudem stand ein Vorschlag zur Stärkung der Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen in der EU auf der Tagesordnung. Im Zuge der Debatte zu einem Vorschlag zur Förderung der Munitionsproduktion in Europa blieben die Freiheitlichen mit ihrer Ablehnung der Förderung der Munitionsproduktion zugunsten der Ukraine und der Forderung nach einer dem Neutralitätsgebot entsprechenden Außenpolitik in der Minderheit.

BUNDESRÄT:INNEN SPRECHEN SICH GEGEN ALTERSDISKRIMINIERUNG BEI EU-FÜHRERSCHEINRICHTLINIE AUS

Der Vorschlag für eine neue Führerschein-Richtlinie der EU stand heute erneut auf der Tagesordnung des EU-Ausschusses des Bundesrats. Die Bundesrät:innen diskutierten die inhaltlichen Entwicklungen im Zuge der in der Zwischenzeit vorgelegten Kompromissvorschläge der Europäischen Kommission. Die grundsätzlichen Ziele der Richtlinie sind die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und die Erleichterung der Freizügigkeit der Bürger:innen innerhalb der EU durch einheitliche Vorgaben für Fahrerlaubnisse. Auch sollen Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung der bisherigen Richtlinie auftraten, behoben werden.

In dem nun vorgelegten Kompromissvorschlag sei die Befristung der Gültigkeitsdauer für alle Fahrzeugklassen für Lenker:innen ab einem bestimmten Alter nur mehr als „Kann“-Bestimmung vorgesehen und daher nicht mehr verpflichtend von den Mitgliedsstaaten umzusetzen, begrüßte ein Experte des Verkehrsministeriums im Zuge der Ausschussdebatte diesen Fortschritt. Allerdings ist vorgesehen, dass sowohl bei Ersterteilungen als auch bei einer Verlängerung des Führerscheins in einem ersten Schritt eine Selbsteinschätzung über ihren Gesundheitszustand durch die Lenker:innen durchzuführen ist. Die Form bleibt den Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Zudem haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden rechtzeitig über Veränderungen der gesundheitlichen Eignung der Lenkerinnen informiert werden. Daraus sei eine sehr allgemeine Meldeverpflichtung, u.a. für Ärzt:innen, abzuleiten, erklärte ein Experte des Verkehrsressorts. Das Ressort sehe diese Regelung mit Blick auf die Betroffenheit sensibler Gesundheitsdaten sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen äußerst kritisch. Für Fahranfänger:innen wird zudem eine Probezeit von mindestens zwei Jahren festgesetzt. Die genaue Probezeit ist vom Ausstellungsstaat festzulegen. Bereits existierende nationale Systeme des begleitenden Fahrens in der Klasse B (z.B. L17) können neben dem EU-Modell bestehen bleiben. Wenn bei Ersterteilung der Klasse B der Wohnsitzstaat die theoretische Prüfung nicht in der Sprache der Bewerber:innen oder durch Zuhilfenahme von Dolmetscher:innen anbietet, darf die theoretische Prüfung im Staat der Staatsbürgerschaft absolviert werden. Dies mache das Verfahren wesentlich komplizierter, kritisierte der Experte.

Die Bundesrät:innnen setzten einhellig eine Initiative, um sich gegen Altersdiskriminierung bei der Führerscheinrichtlinie auszusprechen. Auf Betreiben von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossen sie eine Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat der EU und das Europäische Parlament. Darin treten sie gegen jegliche Altersdiskriminierung beim Zugang zum Führerschein ein. Eine solche würde vorliegen, wenn alle Personen ab 70 Jahren alle 5 Jahre oder in kürzeren Intervallen verpflichtend ihren Führerschein erneuern müssen. Für ein sicheres Autofahren sei nicht das Alter, sondern vielmehr der aktuelle Gesundheitszustand, die richtige Selbsteinschätzung und ein kritischer Umgang mit der eigenen Leistungsfähigkeit ausschlaggebend, wird argumentiert. Zudem sei eine Verkürzung der Umschreibeverpflichtung alter Führerscheine um drei Jahre abzulehnen, da dies einen unnötigen Verwaltungsaufwand verursache.

In der Debatte schloss sich eine Expertin der Arbeiterkammer weitgehend den Standpunkten des Verkehrsministeriums an. Bei vielen Punkten sei noch nicht klar, wie sie in der Umsetzung ausgestaltet werden, bemängelte sie. Die kritische Position zur vorgesehenen Selbsteinschätzung der Lenker:innen teilte auch ein Vertreter der Wirtschaftskammer und wünschte sich, bei der Umsetzung den momentanen Mangel an Berufslenker:innen mitzubedenken.

Mit dem Kompromissvorschlag sei ein Teilerfolg gegen die Altersdiskriminierung gelungen, meinte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) und begrüßte die gemeinsame Mitteilung, um die Selbstbestimmtheit der Menschen sicherzustellen. Insbesondere im ländlichen Raum sei das Auto nämlich ein „notwendiges Übel“ für die Menschen. Faktoren wie Handy am Steuer seien viel mehr ein Problem als eine Selbstüberschätzung älterer Menschen, meinte Harald Himmer (ÖVP/W).

Es gebe keine Statistik, aus der ein höheres Risiko durch ältere Autofahrer:innen ablesbar sei, kritisierte auch Stefan Schennach (SPÖ/W) die andiskutierten Regelungen für ältere Menschen. Um den Mangel an Berufskraftfahrer:innen zu begegnen, solle man vielmehr deren soziale Lage und die „ausbeuterischen“ Arbeitsbedingungen verbessern, meinte Schennach in Richtung der Wirtschaftskammer. Ältere Menschen wollen Wertschätzung und man solle sich vielmehr Gedanken machen, wie man sie begleiten kann, erklärte Manfred Mertel (SPÖ/K). Dies könne etwa durch Informationen zur Selbstverantwortung erfolgen.

Den Richtlinienentwurf sah Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) „sehr kritisch“. Dieser schaffe „Bürokratie ohne Not“, koste Geld und sei ein „Sekkieren“ und eine „Bevormundung“ der Bürger:innen. Den Antrag auf Mitteilung befürwortete Spanring, auch wenn er „schärfer und bindender“ sein könne.

Die Altersdiskriminierung durch den nun vorgelegten Kompromiss zu beseitigen, sei ein Weg, meinte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W).

VERSORGUNGSSICHERHEIT MIT KRITISCHEN ROHSTOFFEN SOLL IN EU GESTÄRKT WERDEN

Die Bundesrät:innen diskutierten zudem eine Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen. Die EU sei bei vielen wichtigen Rohstoffen fast ausschließlich auf Einfuhren angewiesen und damit von anderen Ländern abhängig, wird in den Erläuterungen angeführt. So beziehe die EU beispielsweise 97 % ihres Magnesiums aus China. Durch diese Konzentration sei die EU erheblichen Versorgungsrisiken ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund sollen mit dem vorliegenden Vorschlag strategische Abhängigkeiten verringert werden. Dazu sollen die verschiedenen Stufen der europäischen Wertschöpfungskette für kritische Rohstoffe gestärkt und die Lieferant:innen-Länder diversifiziert werden. Zudem soll die EU künftig besser mit Versorgungsunterbrechungen umgehen und diese besser überwachen können. In dem Vorschlag werden kritische und strategische Rohstoffe definiert, die im Hinblick auf ihr Versorgungsrisiko und ihre wirtschaftliche Bedeutung mindestens alle vier Jahre zu überprüfen sind. Außerdem wird ein Rahmen für die Risikominderung geschaffen, indem strategische Vorräte an strategischen Rohstoffen koordiniert werden, große Einführer und Erzeuger verpflichtet werden, ihre Lieferketten regelmäßig zu prüfen, und die gemeinsame Beschaffung strategischer Rohstoffe erleichtert wird. Zudem sollen im Sinne der Kreislaufwirtschaft Maßnahmen zur Wiederverwendung kritischer Rohstoffe gesetzt werden.

Die EU-Initiative sei aus Sicht der erforderlichen Energiewende, aber auch in Hinblick auf wichtige europäische Ziele wie die Resilienz und die offene strategische Autonomie sowie den grünen und digitalen Übergang zu begrüßen, erläuterte ein Experte des Wirtschaftsministeriums bei der Debatte im Ausschuss. Es sei im Sinne Österreichs, das Thema Versorgungssicherheit strategisch anzugehen, in Recyclingforschung zu investieren und neue Abbaustätten zu forcieren. Partnerschaften mit Drittländern, in welchen kritische Rohstoffe gewonnen werden, wolle man als Kooperationen auf Augenhöhe aufbauen. So könne man diesen Ländern bei der Demokratieentwicklung und der Etablierung von Umweltstandards helfen.

Ein Experte der Arbeiterkammer erklärte, im vorgelegten Verordnungsentwurf seien drei große Schwachpunkte zu verorten. Einerseits werde relativ unkritisch von einem immer größeren Rohstoffverbrauch ausgegangen. Es brauche vielmehr den Fokus auf die Entwicklung längerlebiger Produkte, um damit den starken Rohstoffverbrauch zu senken. Zum Zweiten müsse auf die Qualität der Partnerschaften mit den Drittstaaten geachtet werden. Denn es dürfe nicht sein, dass Drittstaaten ihre eigenen Industrien nicht prioritär versorgen dürfen und so in einem „Dritte-Welt-Status“ gehalten werden. Als weiteren Punkt kritisierte die Arbeiterkammer die vorgesehene Beschleunigung der nationalen Verfahren, da diese nicht realistisch einzuhalten sei. Österreich solle sich für eine Flexibilisierung der Frist einsetzen.

Kritik kam auch von Seiten der Wirtschaftskammer: So greife die Definition der genannten kritischen Rohstoffe zu kurz, die Liste der als „kritisch“ geltenden Rohstoffe müsse erweitert werden. Dies sei bereits vorgesehen, entgegnete der Vertreter des Wirtschaftsministeriums. Eine Adaptierung der Liste sei alle zwei bis drei Jahre möglich.

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) fragte in Bezug auf die Partnerschaften mit Drittländern nach „roten Linien“ und wollte wissen, ob beispielsweise Kinderarbeit beim Rohstoffabbau zum Einsatz kommen könne. Seitens des Wirtschaftsministeriums hieß es dazu, dass die Einhaltung der Menschenrechte gewahrt und ein großer rechtlicher Instrumentenkoffer eingesetzt werde.

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) forderte Ideen zur Reduktion des Verbrauchs kritischer Rohstoffe und fragte nach Möglichkeiten, diese mit anderen Stoffen zu substituieren, denn ein ständiges „Mehr“ könne auf Dauer nicht gut gehen, nicht zuletzt, da auch die Lieferketten nicht stabiler werden würden.

Die FPÖ sehe den Verordnungsentwurf sehr kritisch, da es sich um keinen Plan handle, der realistisch umsetzbar sei, erklärte Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) und meinte, dass man hier alles über das Knie brechen wolle.

Als wichtigen Vorstoß bezeichnete Bundesrat Adi Gross (Grüne/V) den Verordnungsentwurf. Er betonte zudem die Bedeutung des Recyclings von kritischen Rohstoffen und fragte nach einer Erhöhung der geplanten Recyclingquote. Auch er halte die vorgesehene Beschleunigung der Verfahren mit maximal zwei Jahren für zeitlich zu knapp und forderte zudem, dass mit Drittländern keine unfairen Partnerschaften eingegangen werden. Es bedürfe sozialer und ökologischer Standards sowie der Einhaltung von Arbeitnehmer:innenrechten.

Die angestrebte Recyclingquote bis 2030 sei bereits von 15 % auf 20 % Prozent erhöht worden, erklärte der Experte des Wirtschaftsministeriums. Eine Reduktion des Verbrauchs kritischer Rohstoffe sei ein klares Ziel. Daher sei ein Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung in diesem Bereich von zentraler Bedeutung.

VORSCHLAG ZUR FÖRDERUNG DER MUNITIONSPRODUKTION IN EUROPA

Die Produktionskapazitäten der Verteidigungsindustrie wurden in den letzten Jahrzehnten auf Friedenszeiten ausgelegt. Durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine habe sich die Lage geändert und die europäischen Verteidigungsunternehmen seien mit einem Nachfrageschub konfrontiert, ist dem Vorschlag zu einer Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion zu entnehmen. Mit dieser sollen die Reaktionsfähigkeit und die Fähigkeit der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) gestärkt werden. So soll die Verfügbarkeit maßgeblicher Verteidigungsgüter in der Union verbessert werden. Die erste Säule des Pakets besteht aus Maßnahmen zur Stärkung der Industrie für die Produktion maßgeblicher Verteidigungsgüter. Die EU-Industrie wird unterstützt, ihre Produktionsmengen zu steigern, ihre Lieferfristen zu verkürzen und gegen potenzielle Engpässe vorzugehen. Die zweite Säule besteht aus Harmonisierungsmaßnahmen zur Ermittlung, Erfassung und kontinuierlichen Überwachung der Verfügbarkeit der maßgeblichen Verteidigungsgüter und ihrer Bestandteile. Dazu sollen lieferkritische Verteidigungsgüter ermittelt, die damit zusammenhängenden industriellen Kapazitäten erfasst, Aufträge nach Priorität eingestuft, die Genehmigungsverfahren beschleunigt und die Beschaffungsverfahren vereinfacht werden.

Die Richtlinie sei zu begrüßen, da Österreich dadurch die Möglichkeit erhalte, Munition zum Aufbau von Verteidigungskapazitäten zu beschaffen, meinte ein Experte des Verteidigungsministeriums im Zuge der Ausschussdebatte und betonte, dass die Regelung keine Auswirkung auf die Neutralität habe. Kein einziger Euro, den Österreich an die EU zahlt, fließe über Waffenlieferungen in die Ukraine, betonte der Experte gegenüber Stefan Schennach (SPÖ/W) und Andreas Spanring (FPÖ/NÖ).

Es gehe nicht um die Unterstützung einer Kriegspartei, sondern um das „Auffüllen der Lager“, hob auch Bernhard Hirczy (ÖVP/B) hervor. Sowohl das Bundesheer als auch die Wirtschaft könnten davon profitieren. Viele Mitgliedsstaaten würden Waffen an die Ukraine liefern, Österreich würde aber aufgrund der Neutralität mit anderen Mitteln helfen, war auch Adi Gross (Grüne/V) wichtig zu betonen.

Es sei eine „Träumerei“, dass die Regelung gut für das Bundesheer sei, meinte hingegen Stefan Schennach (SPÖ/W). Die von der Europäischen Kommission seiner Meinung nach forcierte Förderung der Munitionsproduktion zugunsten der Ukraine sei abzulehnen, forderte Andreas Spanring (FPÖ/NÖ) mittels Antrag auf Stellungnahme. Vielmehr solle sich die Bundesregierung einer dem Neutralitätsgebot entsprechenden Außenpolitik verschreiben. Der Antrag blieb mit den alleinigen Stimmen der FPÖ in der Minderheit.

Die gemeinsame Maßnahme zur Förderung der Munitionsproduktion sei nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs ein richtiger Schritt, erklärte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Angesichts des hohen Mitteleinsatzes für Verteidigung in Europa und des international vergleichsweise niedrigeren Outputs sei die Maßnahme auch in dieser Hinsicht sinnvoll. (Schluss EU-Ausschuss) pst/bea

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