Bundesrat besiegelt Einführung der Pflegelehre
Bundesrat besiegelt Einführung der Pflegelehre
Grünes Licht der Länderkammer auch für höheren Energiekrisenbeitrag für Stromerzeuger
Der Bundesrat hat heute mehrheitlich die Einführung der sogenannten Pflegelehre besiegelt. Konkret soll die Möglichkeit für einen vierjährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegefachassistenz und einen dreijährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegeassistenz geschaffen werden. Ebenso die Stimmenmehrheit gab es für Nachbesserungen beim Pflegebonus für pflegende Angehörige bei getrennten Haushalten.
Zur Dämpfung der hohen Inflation sollen Stromerzeuger künftig einen höheren Energiekrisenbeitrag zahlen, wenn sie die Strompreise nicht senken. Auch für diese Vorlage gab die Länderkammer mehrheitlich grünes Licht. Mehrheitlich befürwortet wurde außerdem eine Regierungsvorlage zur Umsetzung von EU-Bestimmungen in Zusammenhang mit der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie zur Förderung von Finanzmarktinfrastrukturen.
Keine Mehrheit gab es für einen Entschließungsantrag der SPÖ, umgehend wirksame Maßnahmen gegen den Pflegepersonalmangel zu setzen. Auch zwei Anträge der FPÖ, den zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte finanziell abzusichern sowie für eine leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolvent:innen der Pflegelehre blieben in der Minderheit. Abgelehnt wurde auch eine Forderung der SPÖ für eine „echte Übergewinnsteuer“.
Grünes Licht gab der Bundesrat für das Ende der Corona-Kurzarbeit. Ab Oktober 2023 ist somit wieder das vor der Pandemie gültige Kurzarbeitsmodell in Kraft. Auch die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Berücksichtigung von Arbeitnehmer:innenrechten bei der Spaltung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nahm die letzte parlamentarische Hürde.
EINFÜHRUNG DER PFLEGELEHRE
Laut Regierungsvorlage sollen mit der Pflegelehre die bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten im Pflegebereich strukturell und inhaltlich erweitert werden. Die neuen Lehrberufe Pflegefachassistenz bzw. Pflegeassistenz sollen entsprechend dem üblichen Verfahren zunächst als Ausbildungsversuche an einzelnen Berufsschulstandorten eingerichtet werden. In einer langfristigen Perspektive rechnet man zehn Jahre nach Einführung mit rund 1.000 Lehrlingen pro Jahrgang.
Die SPÖ lehne diesen Lehrberuf ab, zumal es ausreichend Ausbildungsalternativen in den bestehenden Strukturen gebe, meinte Günter Kovacs (SPÖ/B). Neben zahlreichen weiteren Kritikpunkten sehe er auch keine Modalitäten der Durchlässigkeit oder Anrechnung, um einen Umstieg zwischen den neuen Ausbildungen zu ermöglichen. Insgesamt liege die Vermutung nahe, dass junge Menschen als billige Arbeitskräfte ins System gebracht werden sollen, kritisierte Kovacs.
Karlheinz Kornhäusl (ÖVP/St) konterte, es sei „enttäuschend“, dass die SPÖ Lehrlinge in Zusammenhang mit billiger Arbeit bringe. Außerdem werde es sehr wohl eine Durchlässigkeit geben, die in der Ausbildungsordnung festgehalten werden soll. Die Pflegelehre sei nicht der einzige Bestandteil, um den großen Personalengpässen in der Pflege entgegenzuwirken, aber ein wesentlicher, so Kornhäusl.
Fakt sei, es gebe das bekannte Personalproblem in der Pflege und bisher wenig junge Menschen, die sich für den Beruf entscheiden, sagte Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O). Den Lehrberuf an sich würden aber gerade am Land sehr viele Schulabsolvent:innen wählen. Mit der Pflegelehre werde eine Möglichkeit geboten, sofort in den Pflegeberuf einzusteigen.
Markus Steinmaurer (FPÖ/O) sprach sich für die Pflegelehre aus, zumal damit einer langjährigen Forderung der FPÖ nachgekommen werde. Aus seiner Sicht würden sogar bereits erfolgte Ausbildungen wie etwa als Sanitäter:in angerechnet werden können. Insgesamt müssten aber alle Register gezogen werden, mehr heimisches Pflegepersonal zu gewinnen, etwa mit einer echten Entgeltzahlung anstelle eines Bonus, so Steinmaurer.
Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher hielt fest, dass bei der Pflegelehre Lehrlinge vom ersten Tag an Lehrlingsgeld bekommen. Vorsicht sei geboten, wenn man Lehrlinge in einen Zusammenhang mit billigen Arbeitskräften bringe, denn die duale Ausbildung habe eine gute Tradition. Es gebe wirksame Instrumente der Sozialpartnerschaft, die einzelne „schwarze Schafe“ unter den Betrieben aus der Lehrlingsausbildung gegebenenfalls auch ausschließe. Strenge Schutzbestimmungen bei der Pflegelehre seien ebenso sichergestellt wie die betriebliche Lehrstellenförderung und eine wissenschaftliche Evaluierung.
Was den Personalmangel in der Pflege betrifft, würden sich glücklicherweise immer mehr Menschen für den Bereich entscheiden, es seien aber immer noch nicht genug. Umso wichtiger sei dieses weitere Mosaiksteinchen der Pflegelehre, um mehr Möglichkeiten für junge Menschen für diese Berufe zu schaffen. Der Minister wies aber auch auf eine Reihe weiterer Maßnahmen hin, die für die Pflege bereits gesetzt worden seien, wie etwa das Pflegestipendium oder Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte.
PFLEGEBONUS FÜR PFLEGENDE ANGEHÖRIGE
Für den Pflegebonus wird nunmehr die Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts mit dem bzw. der zu pflegenden Angehörigen entfallen. Im Zuge der Pflegereform wurde im vergangenen Jahr beschlossen, pflegenden Angehörigen mit niedrigem Einkommen ab Mitte 2023 diesen jährlichen Pflegebonus von 1.500 € zu gewähren. Er soll in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt werden, was für heuer eine Summe von 750 € ergibt. Voraussetzung für den Erhalt des Bonus ist unter anderem, dass der bzw. die zu pflegende Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest der Stufe 4 hat.
HÖHERER ENERGIEKRISENBEITRAG FÜR STROMERZEUGER
Zur Dämpfung der hohen Inflation sollen Stromerzeuger einen höheren Energiekrisenbeitrag zahlen, wenn sie die Strompreise nicht senken. Mit dem diesbezüglichen Initiativantrag von ÖVP und Grünen bleibt auch die Elektrizitäts- und Erdgasabgabe bis Ende des Jahres gesenkt.
Um die zuletzt wieder auf 9,7 % gestiegene Inflation zu dämpfen, wird aufgrund der gesunkenen Großhandelspreise die Schwelle für unangetastete Markterlöse von Stromerzeugern konkret ab 1. Juni von 140 € auf 120 € je Megawattstunde Strom herabgesetzt. Darüber hinausgehende „Überschusserlöse“ sind grundsätzlich zu 90 % an den Staat abzuliefern, wobei Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz unter bestimmten Voraussetzungen abgesetzt werden können. Auch höhere Gestehungskosten bei der Stromerzeugung werden berücksichtigt. Die Elektrizitäts- und Erdgasabgabe wird konkret um ein weiteres halbes Jahr – bis Ende 2023 – auf das in der EU zulässige Mindestbesteuerungsniveau gesenkt.
Die vorgesehene Verlängerung der Abgabensenkung wirke wohl inflationsdämpfend, aber der Rest der Vorlage sei „zu vergessen“, so Dominik Reisinger (SPÖ/O). Das „Scheitern“ der Bundesregierung in der Teuerungsbekämpfung sieht er damit einmal mehr manifestiert. Die Gewinnabschöpfung bezeichnete er als „reine Kosmetik“ im Verhältnis zu den „Milliarden an Zufallsgewinnen“ für Energiekonzerne.
Markus Steinmaurer (FPÖ/O) signalisierte zwar seitens der FPÖ Zustimmung, es sei aber fraglich, ob die Inflation durch die vorliegenden Maßnahmen eingedämmt werde. Der Einzige, der an der Abschöpfung gewinne, sei der Finanzminister, so Steinmaurer. Es brauche echte Unterstützung, die auch bei den Leuten ankomme, forderte er.
Demgegenüber meinte Viktoria Hutter (ÖVP/N), die Maßnahmen seien eine echte Entlastung im Energiebereich und würden inflationshemmend wirken. Die Senkung der Abgabe habe vielen Menschen geholfen, es sei wichtig, das jetzt zu verlängern. Als zweite bewährte Maßnahme werde die Grenze der Gewinnabschöpfung weiter nach unten gesetzt. Adi Gross (Grüne/V) hielt den Vorwürfen, dass die Bundesregierung gegen die Teuerung nichts tun würde, eine Reihe von Maßnahmen und Unterstützungen wie etwa den Stromkostenzuschuss entgegen. Alleine heute würden Entlastungsmaßnahmen im Ausmaß von 400 Mio. € beschlossen. Dass die SPÖ hier nicht zustimme, sei für ihn „unfassbar“, zumal auch die soziale Treffsicherheit gegeben sei.
AUS FÜR CORONA-KURZARBEIT MIT ENDE SEPTEMBER 2023
Sämtliche Sonderregelungen für Kurzarbeit, die aufgrund der Corona-Pandemie geschaffen wurden, treten mit Ende September 2023 außer Kraft. Die entsprechende Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes nahm im Bundesrat mit Stimmenmehrheit die letzte parlamentarische Hürde. Darin wird der Übergang zurück zur Kurzarbeit vor der Pandemie geregelt. Demnach wird die Möglichkeit einer abweichenden Beihilfenhöhe noch einmal bis Ende September 2023 verlängert. Ab Oktober gilt wieder das ursprüngliche Modell.
Mit Stimmenmehrheit grünes Licht gab es auch für die Umsetzung des arbeitsrechtlichen Teils einer EU-Richtlinie betreffend die grenzüberschreitende Verschmelzung, Umwandlung und Spaltung von Kapitalgesellschaften. Konkret werden im Arbeitsverfassungsgesetz mit der Regierungsvorlage jene Teile der Richtlinie nachvollzogen, die die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten und Arbeitnehmer:innen betreffen.
DISTRIBUTED-LEDGER-TECHNOLOGIE FÜR FINANZMARKTINFRASTRUKTUREN
Mehrheitlich sprach sich die Länderkammer auch für die Regierungsvorlage zu Finanzmarktinfrastrukturen aus. Konkret sollen mit der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) zur Förderung von Finanzmarktinfrastrukturen Effizienz, Transparenz und Wettbewerb bei Handels- und Abwicklungstätigkeiten erhöht werden. Gleichzeitig will man ein hohes Maß an Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzmarktstabilität sicherstellen und einen Erfahrungsaustausch zwischen Marktteilnehmern und Aufsichtsbehörden in Bezug auf DLT und jene Kryptowertpapiere, die als Finanzinstrumente gelten, ermöglichen. Künftig soll die Finanzmarktaufsicht (FMA) für die Erteilung einer besonderen Genehmigung für den Betrieb einer auf DLT basierten Marktinfrastruktur und die Beaufsichtigung der Betreiber von solchen Marktinfrastrukturen mit Sitz oder Hauptverwaltung in Österreich verantwortlich sein. Die Laufzeit der europäischen Pilotregelung ist vorerst zeitlich begrenzt. Bis zum 24. März 2026 soll die ESMA (European Securities and Markets Authority) der Europäischen Kommission über ihre Bewertung der Pilotregelungen Bericht erstatten. (Fortsetzung Bundesrat) mbu/kar
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