Bankensektor ist resilient, aber verbindliche Vorgaben für Wohnimmobilienfinanzierung sind sinnvoll
Bankensektor ist resilient, aber verbindliche Vorgaben für Wohnimmobilienfinanzierung sind sinnvoll
Präsentation des 43. Financial Stability Report der OeNB
Wien (OTS) – Der von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) heute präsentierte Financial Stability Report zeigt, dass die Finanzstabilität in Österreich während der Pandemie gewahrt blieb. Der Krieg in der Ukraine trübt den Ausblick deutlich ein, jedoch sind – unter anderem aufgrund risikomindernder aufsichtlicher Maßnahmen – dessen Erstrundeneffekte für den österreichischen Bankensektor verkraftbar. Die systemischen Risiken, die sich aus der nicht nachhaltigen Wohnimmobilienfinanzierung in Österreich ergeben, haben sich in den letzten Jahren stetig erhöht und erfordern nun frühestmöglich rechtlich bindende Maßnahmen.
Schuldentragfähigkeit des Unternehmenssektors 2021 stabilisiert
Auf den Euro-Rentenmärkten waren seit der russischen Invasion der Ukraine merkliche Renditenanstiege zu verzeichnen. „Diese Anstiege reflektieren zum einen höhere Inflationserwartungen, zum anderen haben sich die Kreditrisikoaufschläge ausgeweitet. Diese liegen nun wieder in etwa auf ihrem Niveau vor Beginn der COVID-19-Pandemie. In diesem Umfeld fährt die Geldpolitik des Eurosystems ihre expansiven Instrumente zurück“, sagte Gouverneur Robert Holzmann anlässlich der Präsentation der 43. Ausgabe des Financial Stability Report der OeNB. Im Jahr 2021 ist das Finanzierungsvolumen der österreichischen Unternehmen merklich gestiegen. Ein großer Teil des Mittelaufkommens erfolgte über die Innenfinanzierung, während die Aufbringung von Eigenkapital von außen gering blieb. Knapp die Hälfte der Unternehmensfinanzierung stammte in den vergangenen beiden Jahren aus Fremdkapital, nicht zuletzt in Form von Bankkrediten. Dennoch hat sich die Schuldentragfähigkeit der Unternehmen 2021 verbessert, da der Anstieg des Bruttobetriebsüberschusses die erhöhte Verschuldung kompensierte.
Nicht nachhaltige Wohnimmobilienfinanzierung in Österreich erfordert aufsichtliche Maßnahmen
Das Wachstum der Wohnbaukredite an private Haushalte beschleunigte sich, getragen von günstigen Finanzierungsbedingungen, der anhaltenden Nachfrage nach Wohnraum und einem dynamischen Preisauftrieb. Die Abweichung der Wohnimmobilienpreise von den Fundamentalfaktoren hat sich weiter verstärkt, womit Anzeichen für eine starke Überhitzung des Wohnimmobilienmarkts gegeben sind. „Die systemischen Risiken, die sich aus dieser Dynamik im Bereich der Wohnimmobilien ergeben, haben sich in den letzten Jahren stetig erhöht und müssen aufsichtlich adressiert werden“, führte Vize-Gouverneur Gottfried Haber aus. Österreichs Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) erließ daher eine Empfehlung zum Einsatz kreditnehmerbezogener makroprudenzieller Instrumente. Diese sollen einerseits potenziellen Verlusten im Bankensektor vorbeugen und die damit verbundenen Risiken für die Stabilität des Finanzsystems und der Realwirtschaft reduzieren. Andererseits schützen sie auch Kredit-nehmer:innen vor übermäßiger Verschuldung. Konkret empfiehlt das FMSG: (1) eine Obergrenze für die Beleihungsquote bei Wohnimmobilienkrediten von 90 Prozent festzusetzen (was einem Mindesteigenmittelanteil von rund 20 Prozent bei Berücksichtigung der Nebenkosten entspricht), (2) die Schuldendienstquote mit höchstens 40 Prozent zu begrenzen und (3) eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren einzuführen – all dies unter Berücksichtigung eines Ausnahmekontingents, welches Kreditinstituten ausreichend Flexibilität bei der Kreditvergabe ermöglichen soll. Um den sich beschleunigenden Aufbau von Systemrisiken hintanzuhalten, sollen diese Maßnahmen frühestmöglich für neu vergebene Wohnimmobilienfinanzierungen an private Haushalte gelten.
Österreichischer Bankensektor erholte sich 2021 von der Pandemie, aufsichtliche Maßnahmen federn Erstrundeneffekte des Krieges in der Ukraine ab
Der österreichische Bankensektor verzeichnete 2021 ein erneutes Wachstum und der Jahresgewinn belief sich auf 7,2 Mrd EUR, der höchste Wert seit der globalen Finanzkrise. Der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen trüben den Ausblick jedoch deutlich ein. Obwohl ein Großteil des internationalen Geschäfts der österreichischen Banken innerhalb der EU verortet ist, trugen die Aktivitäten in Russland, und zu einem gewissen Grad auch jene in der Ukraine, in den vergangenen Jahren maßgeblich zu den Gewinnen des CESEE-Geschäfts bei. Auch dank aufsichtlicher Maßnahmen bestehen die Bilanzen der österreichischen Tochterbanken in diesen beiden Ländern zu einem großen Teil aus lokal refinanzierten Kundenkrediten in heimischer Währung, und die in CESEE aktiven österreichischen Mutterbanken verfügen über zusätzliche Kapitalpuffer. Dadurch waren Erstrundeneffekte aufgrund des Krieges verkraftbar, wenngleich zukünftige Entwicklungen die Geschäftsperspektiven der Banken eintrüben könnten.
Empfehlungen der OeNB zur Stärkung der österreichischen Finanzstabilität
Nach Abflauen des pandemischen Geschehens sieht sich der österreichische Bankensektor erneut mit herausfordernden Zeiten konfrontiert. Obwohl sich die Kapitalausstattung der österreichischen Banken seit der globalen Finanzkrise deutlich verbessert hat, sank die Kapital-quote im Jahr 2021 leicht. Dieser Rückgang vergrößerte den Abstand zum europäischen Durchschnitt, vor allem bei den großen österreichischen Kreditinstituten. Es ist deshalb wichtig, dass die Banken ihre Widerstandsfähigkeit aufrechterhalten und sich gegen neue Risiken und Herausforderungen mit ausreichend Kapital wappnen. Die OeNB empfiehlt den Banken daher:
* eine nachhaltige Stärkung ihrer Kapitalbasis, u. a. durch Zurückhaltung bei der Gewinnverwendung,
* die Sicherstellung nachhaltiger Kreditvergabestandards in Österreich und in CESEE,
* die Gewährleistung einer adäquaten und vorausschauenden Wertberichtigungspolitik,
* weitere Effizienzsteigerungen zur Sicherung einer nachhaltigen Profitabilität und
* die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Strategien zum Umgang mit Heraus-forderungen aufgrund neuer Informationstechnologien, gestiegener Cyberrisiken und des Klimawandels.
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial Stability Report der OeNB analysiert finanzstabilitätsrelevante Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld sowie Spezialthemen im Zusammenhang mit der Finanzstabilität und ist auf der Website der OeNB verfügbar:
oenb.at/en/Publications/Financial-Market/Financial-Stability-Report
Oesterreichische Nationalbank
Dr. Christian Gutlederer
Pressesprecher
(+43-1) 404 20-6900
christian.gutlederer@oenb.at
www.oenb.at
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