WK Wien: Auch beim Lobautunnel gilt der Rechtsstaat

WK Wien: Auch beim Lobautunnel gilt der Rechtsstaat

Den Lobautunnel nicht umzusetzen, verstößt gegen geltendes Recht und zieht beträchtliche politische und finanzielle Haftung nach sich

Wien (OTS) – Führende Rechtsexperten sind sich einig: Eine Absage des Lückenschlusses des Regionenrings durch den Lobautunnel ist rechtlich nicht gedeckt. „Die Rechtslage ist klar und mehrfach eindeutig belegt. Der Lobautunnel kann nicht von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden. Dafür fehlen die rechtliche Grundlage und das notwendige Einvernehmen mit dem Finanzministerium. In der Folge haften daher sowohl die Entscheider in der Politik als auch in der ASFINAG. Der finanzielle Schaden hat bereits ein enormes Ausmaß erreicht. Schadenersatzklagen werden die Folge sein. Ich fordere daher den Aufsichtsrat der ASFINAG zur Rücknahme des Baustopps durch einen umgehenden Beschluss auf. Auch die verantwortliche Bundesministerin ist aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen. Denn der Rechtsstaat gilt auch für die Spitzenpolitik“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien.

Ministerklage möglich

Der Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer kommt in einem Rechtsgutachten zu einem klaren Schluss: Eine Weisung der Klimaschutzministerin an die ASFINAG zur Einstellung des Lobautunnels ist „rechtlich nicht möglich und außerdem rechtswidrig“. Mayer weiter: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestünde in diesem Fall auch eine rechtliche Verantwortung der Frau Bundesministerin gegenüber dem Nationalrat. Dieser könnte mit einfacher Mehrheit Anklage wegen schuldhafter Rechtsverletzung beim Verfassungsgerichtshof erheben.“ Mayers Fazit: „Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber. So ist das im Rechtsstaat. Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministeranklage und in weiterer Folge auch zivil-und strafrechtliche Folgen.“

Der Gesellschaftsrechtsexperte Jörg Zehetner (KWR Rechtanwälte) unterstreicht in einem Gutachten, dass Schadenersatzansprüche von Vertragspartnern erfolgversprechend wären: „Eine Geltendmachung durch Dritte ist durchaus möglich, deren Umfang ist davon abhängig, in welchem Ausmaß die ASFINAG derartige Verträge insbesondere bezüglich des Bauprojekts Lobautunnel abgeschlossen hat. Die Frist zur Geltendmachung richtet sich nach den allgemein-zivilrechtlichen Regeln der Verjährung von Schadenersatzansprüchen, sie beträgt also drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, längstens jedoch 30 Jahre.“

Beträchtlicher Schaden

Der bisher angelaufene direkte wirtschaftliche Schaden, der für Ersatzansprüche – sollte der Lobautunnel nicht gebaut werden -relevant ist, hat die dreistellige Euro-Millionenhöhe bereits deutlich überschritten. So kommen auf die ASFINAG Wertberichtigungen in Höhe von über 70 Millionen Euro zu. Die sogenannten frustrierten Aufwendungen, also bei Nichterrichtung nutzlose Ausgaben, belaufen sich auf mehr als 180 Millionen Euro. Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom Februar 2022 hervor. Weiters hat der Vorstand der ASFINAG Bauaktivitäten bei der Eisenbahn-Unterführung Raasdorf nicht durchgeführt. Damit entstehen bei späteren Bauaktivitäten zur S1 im günstigsten Fall Mehrkosten von 15 Millionen Euro für den Bau eines Eisenbahn-Ausweichgleises. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen. Zu alldem können noch weitere Schadenersatzansprüche privater Vertragspartner kommen.

Ein direkter volkswirtschaftlicher Schaden ergibt sich auch für Wien. Der UVP-Bescheid für den Bau der Seestadt Aspern sieht eine Anbindung an das höherrangige Straßennetz vor, womit im Westen die A23 und im Osten die S1 gemeint sind. Die Stadt Wien hat daher 2011 mit der ASFINAG und dem Verkehrsministerium eine Vereinbarung zum Bau der Anbindungsstraßen Stadtstraße (zur Anbindung an die A23, die durch Wien selber gebaut wird) und Spange Seestadt (zur Anbindung an die S1, durch die ASFINAG zu realisieren) abgeschlossen. Im guten Vertrauen auf diese Vereinbarung wurden bisher 1,7 Milliarden Euro in den Bau der Seestadt investiert.

Betriebsflächen gefährdet

Die S1 samt Lobautunnel und die daran gekoppelte Spange Seestadt Aspern sowie die Stadtstraße gewährleisten zudem die leistungsfähige Anbindung von insgesamt 690 Hektar an Betriebsflächen im 21. und 22. Bezirk. Das entspricht einem Drittel aller Entwicklungsgebiete für Betriebsansiedlungen in Wien. Ohne den Lobautunnel werden Betriebsansiedelungen – und die damit verbundenen neuen Arbeitsplätze – schwierig bis unmöglich. Der Volkswirtschaft entgehen unter dem Strich mehr als 12,6 Milliarden Euro und 17.600 Arbeitsplätze.

Zusammenfassend ist nun rechtlich belegt:

* Der Baustopp verstößt gegen das Bundesstraßengesetz.

* Das Klimaministerium muss in der Umsetzung des Bauprogramms
das Einvernehmen mit dem Finanzministerium herstellen.

* Ohne dieses Einvernehmen kann keine Beschlussfassung des Bauprogramms der ASFINAG erfolgen.

* Das Klimaministerium hat keine gesetzliche Grundlage,
Baustopps zu verhängen.

* Entsprechende Weisungen der Bundesministerin sind
rechtswidrig und können zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

* Aus Sicht des Verfassungsrechts hat die Ministerin eine rechtliche Verantwortung gegenüber dem Nationalrat
(Ministerklage), die auch bis zu einem Jahr nach ihrer Tätigkeit als Ministerin beschlossen werden kann.

* Aufsichtsratsmitglieder und Vorstände der ASFINAG, die dem geänderten Bauprogramm zugestimmt haben, können haftbar gemacht werden.

Wirtschaftskammer Wien
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