Langjähriger ORF-Landesintendant Prof. Paul Twaroch verstorben
Langjähriger ORF-Landesintendant Prof. Paul Twaroch verstorben
Wien (OTS) – Der frühere Intendant des ORF-Landesstudios Niederösterreich, Paul Twaroch, ist am 21. Dezember 2021 im Alter von 89 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Wien gestorben. Der ORF trauert um einen Pionier der ersten Stunde. 20 Jahre lang stand der studierte Jurist an der Spitze des ORF Niederösterreich. In dieser Zeit wurden zahlreiche Programm-Innovationen umgesetzt. Vor seiner Tätigkeit im Landesstudio hatte er acht Jahre lang die Funktion des ORF-Generalsekretärs ausgeübt.
20 Jahre an der Spitze des ORF Niederösterreich
Die Schwerpunkte in Paul Twarochs Amtszeit (1978 bis 1998) waren unter anderem die Übersiedlung des Landesstudios von Wien in die Landeshauptstadt St. Pölten, die Regionalisierung des Radioprogramms, die Einführung der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ sowie das Setzen zahlreicher kultureller Aktivitäten.
ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz: „Mit Paul Twaroch verliert der ORF eine Persönlichkeit, die rund drei Jahrzehnte die Geschicke des ORF mitbestimmte. Als Generalsekretär und danach 20 Jahre lang als Intendant des ORF-Niederösterreich hat war er gleichermaßen prägend für den Erfolg des Unternehmens und die Arbeit der Landesstudios. Er und seine viel zu früh verstorbene Tochter Eva Twaroch bleiben dem ORF unvergessen.“
Designierter ORF-Generaldirektor Mag. Roland Weißmann: „Paul Twaroch war ein Pionier der Regionalität, ein Verbinder und Innovator, der das Programmentwickeln als humanitären Dienst am Publikum verstand. Sein Wirken beeinflusste Generationen von heimischen Journalistinnen und Journalisten und prägte den ORF über Jahrzehnte. Sein Credo – Programm für alle Menschen machen zu können – ist mehr denn je gültig.“
ORF-Niederösterreich Landesdirektor Norbert Gollinger und der designierte Landesdirektor Robert Ziegler: „Wir trauern um einen großen Vorreiter. Paul Twaroch hat erhebliche Pionierarbeit geleistet in der Entwicklung des Landesstudios. Die Nähe zum Publikum und Regionalität waren ihm stets wichtig. Das erreicht man nur, indem man im Land unterwegs ist und bei den Menschen ist. Das hat Paul Twaroch schon früh zum Status quo der täglichen Arbeit gemacht. Ein Beispiel für Publikumsnähe ist etwa die Livesendung „Radio 4/4“, die er ins Leben gerufen hat. Quer durchs Bundesland sind wir mit dieser Sendung auch heute regelmäßig in den Gemeinden zu Gast – sie ist immer noch eine wichtige Marke des ORF Niederösterreich.“
Paul Twarochs Werdegang und seine Leidenschaft für das Publikum
Paul Twaroch wurde am 15. März 1932 in Wien geboren. Nach seiner Promotion arbeitete er zwischen 1958 und 1963 in der Finanzprokuratur als Rechtsvertreter der Republik Österreich. Zwischen 1963 und 1970 war Twaroch als Wirtschaftsjurist im Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau tätig sowie als Leiter des Büros des damaligen Bundesministers für Bauten und Technik.
1970 holte ihn ORF-Generalintendant Gerd Bacher als Generalsekretär in den ORF. 1978 wurde er Landesintendant des ORF Niederösterreich. Nicht hinter dem Schreibtisch sollten die Reporter und Journalistinnen sitzen, sondern unterwegs sein, so lautete immer die Devise Paul Twarochs: „Radiomachen heißt, etwas für die Menschen zu tun. Wir glauben, dass wir mit Radio Niederösterreich besonders ein Radio von Menschen für Menschen machen, mit all deren vielfältigen Wünschen und Bedürfnissen, ob sie nun einsam sind oder Sehnsüchte haben, ob sie sich nur zerstreuen oder sich bilden wollen.“
Zahlreiche Programminnovationen für den ORF Niederösterreich
Twaroch erweiterte das Radioprogramm des Landesstudios Niederösterreich, von ursprünglich täglich sieben auf 17 Stunden. Er initiierte auch zahlreiche neue Sendungen wie etwa „Radio 4/4“ oder den „Grafenegger Advent“. „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir die Menschen dort treffen, wo sie leben und wo sie sind. So können wir sie auch verstehen, und so haben wir Kontakt und können nicht nur für und über sie Programm machen, sondern auch mit ihnen“, so Twaroch über seine Programmphilosophie.
Besonders gewürdigt wurde sein hartnäckiges Bemühen um die Nachbarschaft mit der Tschechoslowakei, und das in einer Zeit, als von Glasnost und Perestrojka noch lange nicht die Rede war. „Wir waren die kleine Maus, die den Eisernen Vorhang anknabberte“, blickte er einmal zurück.
Als Landesintendant nahm er bereits in den frühen 1980er-Jahren Kontakt zum damals noch kommunistischen Nachbarland Tschechoslowakei auf. Das Landesstudio veranstaltete in niederösterreichischen, böhmischen, mährischen und slowakischen Schlössern Konzerte, die der ORF und die Radiostationen des Nachbarlandes live übertrugen. Im September 2021 erhielt Paul Twaroch für die Gründung dieser Konzertreihe „Begegnung mit dem Nachbarn“ den Preis „Gratias agit“ der tschechischen Republik. Diese Auszeichnung erhalten Personen, die sich um die Verbreitung eines guten Namens der tschechischen Republik im Ausland verdient machen.
Mit diesem Engagement über die Grenzen hinaus begannen neue Beziehungen. Als es darum ging, das Geburtshaus Karl Renners im mährischen Dolni Dunajovice (Unter Tannowitz) zu revitalisieren, war er ebenso dabei wie bei vielen weiteren kulturellen Initiativen, ob bei der Renovierung von Stift Dürnstein (Bezirk Krems) oder Stift Geras (Bezirk Horn) oder bei der Wiederentdeckung des fast in Vergessenheit geratenen Komponisten Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831), geboren in Großweikersdorf (Bezirk Tulln), weltberühmt geworden in Paris.
Von der Argentinierstraße 30a auf den Radioplatz 1
Kurz nach dem Beschluss des Landtags im Jahr 1986, durch den St. Pölten zur Landeshauptstadt von Niederösterreich wurde, eröffnete der ORF in der Stadt an der Traisen eine Expositur des Landessstudios, das seinen Sitz seit der Gründung 1967 in der Wiener Argentinierstraße hatte.
Der 17. September 1998 war einer der wohl wichtigsten Tage in der ORF-Laufbahn Paul Twarochs, als er das neue Landesstudio eröffnen konnte. Bald darauf übergab er die Schlüssel des von Gustav Peichl entworfenen Hauses mit der Adresse Radioplatz 1 an seine Nachfolgerin Monika Lindner. Es sei „ein Abschied ohne Wehmut“, betonte Twaroch damals.
Geehrt, gewürdigt und geschätzt
Dem niederösterreichischen Kulturleben blieb er auch nach seinem Abschied vom ORF unter anderem als Publizist weiterhin verbunden. Er war viele Jahre Präsident des Niederösterreich-Fonds und Mitherausgeber der Kulturzeitschrift „morgen“. Für den Verband Österreichischer Zeitungen ging er in den Österreichischen Presserat, dessen Vorsitz er von 2001/02 führte. Als profunder Kenner des Rundfunkrechts und Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien, Krems, Klagenfurt und München verfasste er einen Kommentar zum Rundfunkgesetz 1974, der über sehr viele Jahre als Standardwerk galt.
Twaroch wurde im Laufe seiner Karriere mit zahlreichen Preisen und Orden ausgezeichnet. 1992 wurde er mit dem Berufstitel Professor geehrt, drei Jahre danach von der Stadt St. Pölten mit dem Jakob-Prandtauer-Preis für Wissenschaft und Kunst. 1997 erhielt er das Goldene Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich sowie den Leopold-Kunschak-Preis, zwei Jahre später bekam er das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und das Komturkreuz des Gregorius-Ordens mit Stern verliehen. Paul Twaroch war auch Ehrenbürger der Gemeinde Großweikersdorf in Anerkennung seiner Bemühungen um den Komponisten Pleyel.
„Es war schön, ein Programm für alle Menschen machen zu können“, sagte Paul Twaroch bei einer Feier anlässlich seines 80. Geburtstags. Er habe sich auch bemüht, „die Spuren unserer Herkunft zu sichern“, denn „Heimat, wie ich sie empfinde, ist nicht Enge, sondern Tiefe“, so Twaroch.
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