Bundesrats-Enquete über Hilfen beim Übergang in den Ruhestand und rechtzeitige Prävention auf allen Ebenen

Bundesrats-Enquete über Hilfen beim Übergang in den Ruhestand und rechtzeitige Prävention auf allen Ebenen
Länderkammer setzt Schwerpunkt mit dem Thema „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“
Im zweiten Teil der parlamentarischen Enquete des Bundesrats standen vor allem die Themen Pensionsübergang sowie Prävention im Fokus. Zu Beginn befassten sich Expert:innen damit, wie Hürden beim Übergang in den Ruhestand vermieden bzw. überwunden werden können. Danach wurde die Frage näher beleuchtet, wie der Eintritt in die Pension sowohl auf der finanziellen, rechtlichen und gesundheitlichen Ebene als auch hinsichtlich der passenden Wohnsituation entsprechend gut vorbereitet werden kann.
HENNING: ÜBERGANG IN RUHESTAND FÜR MANCHE MENSCHEN BELASTEND
Der Übergang in den Ruhestand verspreche die Erholung von belastenden Arbeitsbedingungen sowie mehr Autonomie, um ein Leben nach eigenen Vorstellungen führen zu können, meinte Georg Henning vom Deutschen Zentrum für Altersfragen. Erhebungen hätten gezeigt, dass für eine überwiegende Zahl von Menschen, rund 60 bis 80 %, der Übergang in den Ruhestand nicht oder kaum belastend sei. Eine Hürde stelle der gesellschaftliche Umgang mit dem Altern selbst dar, konstatierte er. Problematisch sei, dass der Ruhestandsübergang gesellschaftlich allgemein als symbolischer Übergang ins höhere Alter gesehen werde. Für manche Menschen sei es zudem schwierig, in ihrem Leben einen entsprechenden Ersatz für das Positive zu finden, das Beruf und Arbeit für sie waren, wie Struktur, Identität, Status und Sozialkontakte.
Risikofaktoren ortete Hennig vor allem in geringen Ressourcen und mangelnder Autonomie beim Übergang in den Ruhestand. Als mögliche politische „Stellschrauben“ nannte der Vortragende Maßnahmen zur Verhinderung von Altersarmut, die Verbesserung gesellschaftlicher Altersbilder und die Förderung sozialer Integration, auch durch kommunale Angebote. Coaching-Angebote und mehr Entscheidungsautonomie über den Beginn des Ruhestands könnten den Übergang ebenfalls erleichtern.
MÜLLAUER: ÜBERGANG ZUR PENSION PROAKTIV GESTALTEN
Pia Müllauer vom Kepler Universitätsklinikum behandelte „Die Rolle der Familie und Gesellschaft beim Übergang in die Pension“ aus gerontopsychologischer Sicht. Sie plädierte für eine rechtzeitige, pro aktive Auseinandersetzung mit dem Thema der Pensionierung noch im Erwerbsleben. Wenn der Übergang nämlich misslinge, dann könnten sich negative Folgen und Sinnkrisen ergeben. Der Übergang in den Ruhestand könne auch als Chance für neue Aktivitäten, intellektuelle Entfaltung und gesellschaftliches Engagement verstanden werden.
Die Familie biete neben dem emotionalen Rückhalt auch soziale und praktische Unterstützung. Andererseits sehe sie in ihrer Berufspraxis auch, dass familiäre Veränderungen sich vor dem Pensionsantritt oft häufen und zur Überforderung werden, etwa wenn neben dem Beruf bereits Angehörige zu pflegen seien. Die Pension bedeute oft auch ein verändertes Rollengefüge in der Familie. Wichtig sei daher auch ein Angebot an psychosozialer Unterstützung, das den Menschen helfe, ihre Erwartungen zu erkennen, besser zu definieren und aufeinander abzustimmen.
KOROSEC: ENGAGEMENT HILFT, SINN IM RUHESTAND ZU FINDEN
Der Übergang in die Pension bedeute einen tiefgreifenden Wandel, emotional, sozial, und finanziell, stellte die Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes mit Nachdruck fest. Er müsse daher bestmöglich vorbereitet und begleitet werden. Allerdings zeige sich, dass die Österreicher:innen statistisch gesehen mit 61,4 Jahren erkranken, also meist schon krank in Pension gehen. Aus diesem Grund brauche es Maßnahmen in der Gesundheitsprävention und ein Angebot für eine rechtzeitige, bewusste Pensionsplanung, um das Engagement und die Sinnfindung im Ruhestand zu gewährleisten.
Das ehrenamtliche Engagement von Pensionist:innen nannte Korosec eine „tragende Säule des Landes“. Laut Statistik Austria würden sich 51,3% der Menschen zwischen 60 und 69 Jahren freiwillig engagieren. Der ehrenamtliche Beitrag von Senior:innen entspreche dem Gegenwert von 2,5 Mrd. Ꞓ, Freiwilligenarbeit von 6,1 Mrd. Ꞓ jährlich. Im Vergleich dazu habe 2024 das Budget für Jugend und Familie 8,8 Mrd. Ꞓ umfasst.
Die ab 1. Jänner 2026 geplante Flat Tax mit 25 % auf Zuverdienste in der Alterspension und Streichung aller Sozialabgaben sah Korosec als wichtigen ersten Schritt zu weniger Bürokratie und mehr Fairness. „Wer sich engagiert, wer arbeitet, wer mitgestaltet, auch im Alter, leistet einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft und soll daher unterstützt und wertgeschätzt werden“, betonte Korosec.
Im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion, in der sich Mitglieder des Bundesrats und des Nationalrats zu Wort meldeten, stand das Thema der Solidarität zwischen den Generationen. Dabei zeigte sich Übereinstimmung, dass der Sicherung des Pensionssystems eine zentrale Rolle zukommt. Als Lösungsansätze wurden die Angleichung des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter und flexiblere Pensionsmodelle genannt.
ZAKOSTELSKY: ALLE ÖSTERREICHER:INNEN SOLLEN IN DEN GENUSS EINER ZUSATZPENSION KOMMEN
Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbands Pensions- und Vorsorgekassen, gab einen Überblick über das österreichische Pensionssystem, das zu 91 % auf der staatlichen Säule basiere. Als Vertreter der sogenannten zweiten Säule, nämlich der Betriebspensionen, hielt er ein Plädoyer dafür, auch auf die Veranlagung der Gelder an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten zu setzen, wie dies international üblich sei. Es gebe seiner Meinung nach nämlich kein System, das nur Vorteile habe.
Derzeit würden 25 % der heimischen Erwerbstätigen eine Betriebspension erhalten, wobei der Monatsbezug rund 417 Ꞓ pro Person betrage. Seit Beginn der 1990er-Jahre konnte ein durchschnittliches Anlageergebnis von circa 5 % erzielt werden. Eine aktuelle Wifo-Studie habe zudem ergeben, dass mit einer Beitragsleistung von 2,5 % der Bruttolohnsumme die Gesamtpension um bis zu 19 % gesteigert werden könnte.
Zakostelsky war überzeugt, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, zumal im Jahr 2024 einer Penisionistin bzw. einem Pensionisten nur mehr 1,9 Beitragszahler:innen gegenüberstehen werden. Auch würde sich der seit Mitte der 1990er Jahre bestehende Trend zur Teilzeit sehr stark fortsetzen. Generell sollten bei der Diskussion über das Pensionssystem die ideologischen Gräben überwunden und im Sinne der jüngeren Generationen darauf abgezielt werden, das System zukunftsfit zu gestalten. Die Alterssicherungskommission müsste sich daher mit allen drei Säulen – staatliche, betriebliche und private Vorsorge – intensiv auseinandersetzen, lautete eine seiner Forderungen. Weiters trat er für die Einführung eines Generalpensionskassenvertrags sowie für die Gewährleistung einer Zusatzpension für alle Menschen ein.
RIPPEL-SCHMIDJELL: PATIENTENVERFÜGUNG UND VORSORGEVOLLMACHT ALS WICHTIGE RECHTLICHE INSTRUMENTE DER SELBSTBESTIMMUNG
Eine rechtzeitige und gut durchdachte rechtliche Vorsorge stelle sicher, dass persönliche Wünsche in medizinischen Angelegenheiten in jeder Lebensphase respektiert werden, erklärte die Leiterin der Salzburger Patientenvertretung Isabel Rippel-Schmidjell. Als die wichtigsten Instrumente in diesem Zusammenhang führte sie die – verbindliche und unverbindliche – Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht und die Sterbeverfügung (Assistierter Suizid) an.
Rippel-Schmidjell, die auch Lehrbeauftragte an der Paracelsus-Universität ist, erläuterte die Details der einzelnen Rechtsakte und hob dabei die Bedeutung einer schriftlichen Willenserklärung hervor, um bestimmte medizinische Maßnahmen für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit im Vorhinein ablehnen zu können. Während sich eine Patientenverfügung direkt an die behandelnden Ärzt:innen richte, sei bei einer Vorsorgevollmacht eine dritte Person dazwischengeschaltet, erläuterte die Rechtsanwältin. Es soll in beiden Fällen sichergestellt werden, dass die eigenen Wünsche umgesetzt und respektiert werden. Eine frühzeitige Vorsorge würde zudem auch die Angehörigen entlasten, argumentierte Rippel-Schmidjell, weil dadurch bei Auftreten von schwierigen Lebenssituationen Unsicherheiten und Konflikte vermieden werden könnten.
BRAUNEGGER-KALLINGER: PRÄVENTIVE ANSÄTZE UND ALTERSFREUNDLICHE ORGANISATIONSKULTUR
Gudrun Braunegger-Kallinger vom Fonds Gesundes Österreich präsentierte nicht nur einen umfassenden Ansatz in Bezug auf die Gesundheitsförderung, sondern stellte auch konkrete Maßnahmen für ältere Menschen am Arbeitsplatz sowie in Gemeinden bzw. Stadtteilen vor. Der Grundgedanke moderner Gesundheitsförderung sei es, die Lebenswelten der Menschen (z. B. Schule, Betrieb, Pflegeeinrichtung) so zu gestalten, dass Gesundheit gefördert und die Entscheidung für gesundheitsförderliches Verhalten erleichtert werde. Da die meisten Faktoren von den Menschen beeinflussbar seien, müsse ein Konzept immer an mehreren Ebenen ansetzen, war sie überzeugt. Und zwar nicht nur direkt bei den Menschen (z. B. Verbesserung der individuellen Kompetenzen), sondern auch auf betrieblicher, institutioneller und politischer Ebene.
Da der demografische Wandel auch älterwerdende Belegschaften mit sich bringe, ging Braunegger-Kallinger auf das Thema „Gesundes Altern am Arbeitsplatz“ näher ein. Dabei habe sich der Ansatz der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), der unter anderem im deutschsprachigen Raum umgesetzt werde, als Intervention am Arbeitsplatz bewährt, meinte sie. Überdies werde mit dem österreichweiten Programm „Betriebliches Übergangsmanagement“ ein wichtiger Beitrag zu einer altersfreundlichen Organisationskultur geleistet.
Ferner hob Braunegger-Kallinger die große Bedeutung des kommunalen Umfelds für ein gesundes und möglichst selbstbestimmtes Altern im eigenen Zuhause bzw. in vertrauter Umgebung („Ageing in place“) hervor. So versuche etwa der Fonds Gesundheit Österreich seit dem Jahr 2012 mit der Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ einen Beitrag zur sozialen Teilhabe aller in den Kommunen zu leisten. Ein wichtiges Anliegen war ihr ein wertschätzender Umgang mit dem Thema, da ältere Menschen eine heterogene Bevölkerungsgruppe mit unterschiedlichen gesundheitlichen Voraussetzungen, Lebensstilen, mit vielfältigen Talenten und Einstellungen darstellen würden.
PERFAHL: RECHTZEITIGE PLANUNG UND KONKRETE ANGEBOTE FÜR GLÜCKLICHES WOHNEN IM ALTER
Die Wohnpsychologin Barbara Perfahl wies in ihrem Vortrag darauf hin, dass sich im Alter die Anforderungen an das Wohnen oft drastisch verändern würden. Als zentrale Gründe dafür nannte sie etwaige körperliche Einschränkungen sowie familiäre Umstände (Kinder verlassen das Haus, Tod des Partners). Damit verbunden seien daher vielschichtige Herausforderungen, wie etwa die barrierefreie Gestaltung des Wohnraums, die Ermöglichung von Pflegeleistungen, die Erreichbarkeit von Infrastruktur oder auch die finanzielle Leistbarkeit nach Eintritt in die Pension. Generell gebe es in Österreich eine steigende Anzahl alleinlebender Menschen (17,8 % im Jahr 2024), wobei die über 64-Jährigen die größte Gruppe ausmachen würden, führte Perfahl ins Treffen.
Aus wohnpsychologischer Sicht müsse man sich daher die Frage stellen, wie man als Gesellschaft damit umgehen soll? Wie könne man dafür sorgen, dass die Menschen im Alter glücklich, zufrieden und altersgerecht wohnen? Aus ihrer Sicht seien dabei zwei Faktoren entscheidend, nämlich frühzeitige Information, um rechtzeitig planen zu können, sowie die Förderung von konkreten Angeboten zur optimalen Gestaltung des Übergangs. Bei Letzterem gehe es nicht nur um behördliche, technische oder organisatorische Schritte, sondern auch um die emotionale Unterstützung für die Loslösung von der alten und den Übergang in die neue Wohnung. Gerade in diesem Bereich könne die Wohnpsychologie durch Information und Beratung einen wirksamen Beitrag leisten, betonte Perfahl.
Auch in der darauf folgenden Diskussion, an der sich Vertreter:innen des Nationalrats, des Bundesrats und der Landtage beteiligten, wurden die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Referate erneut aufgegriffen. Weiters wurden noch die Themen Pflege im Alter, soziale Sicherheit, die medizinische Versorgung, das freiwillige Pensionssplitting, die mögliche Einführung einer Wertschöpfungsabgabe sowie das Ehrenamt angesprochen. Insbesondere war man sich einig darin, dass es Gegenmaßnahmen brauche, um dem zunehmenden Problem der Vereinsamung im Alter entgegenzutreten. (Schluss) sox/sue
HINWEIS: Fotos von der Enquete des Bundesrats sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Enquete des Bundesrats wurde live in der Mediathek des Parlaments übertragen und ist dort als Video-on-Demand abrufbar.
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