Bildungskarenz, Essenszusteller:innen und Pflege: Sozialausschuss vertagt Oppositionsanträge

Bildungskarenz, Essenszusteller:innen und Pflege: Sozialausschuss vertagt Oppositionsanträge
Anträge von FPÖ und Grünen kommen vorerst nicht ins Plenum
Der Sozialausschuss hat heute mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS zahlreiche Anträge der Oppositionsparteien vertagt. Forderungen der Grünen betrafen die Bildungskarenz, bessere Arbeitsbedingungen für Menschen in Plattformarbeit, Asylwerber:innen im Pflegebereich und eine Neuzusammensetzung der Verwaltungskörper in der BVAEB.
Die Freiheitlichen sprachen sich für Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen und im Pflegebereich sowie gegen höhere Krankenversicherungsbeiträge von Pensionist:innen aus. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) meinte angesichts der Vertagungen, sie könne keinen neuen Stil der neuen Bundesregierung erkennen. Es sei schade, dass die im Sozialausschuss behandelten Forderungen komplett am Plenum vorbeigehen würden.
BILDUNGSKARENZ: GRÜNE FORDERN FREIE WAHL
Für Grünen-Mandatar Markus Koza hat die vergangene Woche vorgestellte Weiterbildungszeit nichts mit einer Nachfolgeregelung für Bildungskarenz und Bildungsteilzeit zu tun. Sie ermögliche nämlich keine freie Wahl der Weiterbildungsmaßnahme mehr und könne daher nicht mehr zur Umorientierung in Anspruch genommen werden. Stattdessen würden nun die Arbeitgeber:innen über weite Strecken mitbestimmen.
In ihrem Entschließungsantrag (164/A(E)) legen die Grünen ihre Vorstellung für eine Nachfolgeregelung von Bildungskarenz und Bildungsteilzeit dar: Es soll möglich sein, eine selbst gewählte Bildungsmaßnahme im Rahmen einer beruflichen Auszeit oder Arbeitszeitverkürzung in Anspruch zu nehmen und dafür eine Einkommensersatzleistung zu erhalten. Bildungskarenz soll laut Grünen auch im Anschluss an eine Karenz oder einen Wehr- bzw. Zivildienst möglich sein. Außerdem schlagen sie Maßnahmen wie eine verpflichtende Bildungsberatung und Teilnahmebestätigungen vor.
Tanja Graf (ÖVP) zeigte sich zuversichtlich, dass die neue Arbeitsministerin Korinna Schumann einen guten Gesetzesvorschlag machen werde. Man solle der Ministerin dafür Zeit geben, argumentierte sie die Vertagung. Johannes Gasser (NEOS) erläuterte, dass es zur Umqualifizierung andere Instrumente – etwa das Fachkräftestipendium – gebe.
WEITERE FORDERUNGEN DER GRÜNEN VERTAGT
In einem weiteren Entschließungsantrag (166/A(E)) nehmen die Grünen die Mitte März bekannt gewordenen Massenkündigungen beim Lieferdienst „Lieferando“ zum Anlass, um auf eine rasche Umsetzung einer EU-Richtlinie für Plattformarbeit zu drängen. Sie wollen die Regierung ersuchen, bis Ende September 2025 einen Gesetzesvorschlag zur Umsetzung der Richtlinie vorzulegen, sodass die notwendigen Änderungen bis Anfang 2026 in Kraft treten können. Die Richtlinie stelle nicht nur faire Arbeitsbedingungen, sondern auch einen fairen Wettbewerb sicher, sagte Markus Koza (Grüne) im Ausschuss. Michael Seemayer (SPÖ) sah ebenfalls akuten Handlungsbedarf. Erste Gespräche würden bereits laufen. Arbeitsministerin Korinna Schumann betonte, eine Vorgangsweise wie in der Lieferdienst-Branche müsse man „wirklich unterbinden“. Sie wolle die Umsetzung der EU-Richtlinie rasch auf den Weg bringen.
Für die Initiative hieß es heute aber es ebenso „Bitte warten!“ wie für die Grünen-Forderung, wonach Asylwerber:innen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Pflege- oder Sozialberuf haben, einen unkomplizierten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalten sollen (111/A(E)). Auch bei verbindlicher Zusage eines Ausbildungsplatzes soll ein sofortiger Berufseinstieg möglich sein. Außerdem sollen „ab dem ersten Tag“ begleitend Deutsch- und Integrationskurse angeboten werden. Für Ralph Schallmeiner (Grüne) ist der Vorschlag ein Mosaikstein, um dem wachsenden Bedarf an Pflegekräften zu begegnen. Johannes Gasser (NEOS) betonte, dass seine Fraktion immer für eine Öffnung des Arbeitsmarkts eingetreten sei. In der Regierungskonstellation wolle man nun den Fokus auf Integration legen. Für Dagmar Belakowitsch (FPÖ) wiederum brauche es keine „Integration ab dem ersten Tag“, sondern „endlich einen Grenzschluss“.
Die Grünen nahmen außerdem ein VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2019 zum Anlass, um eine Neuzusammensetzung der Verwaltungskörper der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) zu fordern. Das betrifft den Verwaltungsrat, die Hauptversammlung und die Landesstellenausschüsse. Es sei verfassungswidrig, wenn die Versicherungsvertreter:innen aus dem Kreis der Dienstnehmer:innen nicht von der jeweils zuständigen Interessenvertretung, sondern vom Sozialministerium in die Verwaltungskörper entsendet werden, heißt es im Antrag. Daher schlagen die Grünen mit einer Änderung im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz vor, dass es künftig vorrangig der Arbeiterkammer für die Dienstnehmer:innen und der Wirtschaftskammer für die Dienstgeber:innen obliegen soll, Versicherungsvertreter:innen in die Verwaltungskörper der BVAEB zu entsenden (104/A).
Markus Koza (Grüne) betonte, dass eine verfassungskonforme Regelung für die Beschickung der Gremien auch im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen sei. Die Grünen würden sich daher freuen, der Regierung diese Arbeit mit dem Antrag bereits abgenommen zu haben. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) drückte ihre Zustimmung aus. Von der ÖVP verwies Michael Hammer auf laufende Gespräche. Man wolle über eine Lösung sozialpartnerschaftlich verhandeln. Auch Josef Muchitsch (SPÖ) zeigte sich überzeugt, dass es zu einer Lösung kommen werde. Der Antrag wurde von der Koalition vertagt.
FPÖ-ANTRÄGE AUF WARTEBANK
Die Freiheitlichen haben in einem Entschließungsantrag (85/A(E)) zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen vorgeschlagen. Sie fordern etwa eine „gerechte Entlohnung“ von Beschäftigten in Behindertenwerkstätten und deren volle soziale Absicherung, die Einrichtung eines mit 500 Mio. Ꞓ dotierten Inklusionsfonds, die Forcierung von Barrierefreiheit, ein inklusives Bildungssystem und Maßnahmen zur Verbesserung des Gewaltschutzes.
Sie glaube, dass es derzeit noch keine „echte Inklusion“ gebe, begründete Dagmar Belakowitsch (FPÖ) die geforderten Verbesserungen. Für Fiona Fiedler (NEOS) enthält der Antrag zwar „gute Punkte“, aber insgesamt zu viele Themen, für die nicht immer der Bund zuständig ist. Auch Ralph Schallmeiner (Grüne) sah viele der eingebrachten Forderungen in der Kompetenz der Länder. Verena Nussbaum (SPÖ) und Heike Eder (ÖVP) plädierten dafür, der neuen Regierung Zeit für die Umsetzung ihres Programms zu geben, das einige der Forderungen enthalte. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
In einem weiteren Antrag plädiert die FPÖ unter anderem für eine zentrale Zielsteuerung im Bereich der Pflege, eine Stärkung der Pflege zu Hause und alternativer Wohnformen sowie eine „faire Entlohnung“ für Pflegekräfte (87/A(E)). Auch die Gewährung eines ergänzenden Pflegeschecks zum Pflegegeld, die Entlastung von Pflegepersonal durch Digitalisierung und KI-gestützte Dokumentation, ein besserer Personalschlüssel in Pflegeheimen zur Erhöhung der Betreuungsqualität und die Erhöhung des Pflegegeldes um 50 % ab Stufe 3 für Pflege zu Hause sind den Freiheitlichen ein Anliegen. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) und Fiona Fiedler (NEOS) sahen auch hier die Problematik der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gegeben. Es gelte, mit den Ländern in Gespräche zu treten. Ralph Schallmeiner (Grüne) sprach in diesem Zusammenhang das Projekt der Community Nurses an, das in einigen Bundesländern leider „wieder eingestampft“ worden sei.
Der Antrag wurde ebenso mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wie eine weitere Initiative der FPÖ. Darin sprechen sich die Freiheitlichen gegen eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Pensionist:innen aus. Die Bundesregierung solle eine Regierungsvorlage zum Zweck der Budgetsanierung vorlegen, die keine Belastung der Pensionist:innen beinhaltet, heißt es im Antrag (68/A(E)). Die aktuell schwierige Budgetsituation sei einer „völlig verfehlten Budgetpolitik“ der schwarz-grünen Regierung geschuldet, kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) im Ausschuss. Nun habe sich die neue Regierung offenbar dazu entschlossen, bei der Mindestpensionistin zu sparen zu beginnen. Belakowitsch betonte erneut, dass der Vorschlag nicht im nach Brüssel gemeldeten Sparplan enthalten gewesen sei.
Dem widersprach Michael Hammer (ÖVP). Aus seiner Sicht dient der Antrag der Freiheitlichen rein dazu, sich „reinzuwaschen von Dingen, die vereinbart waren“. NEOS-Abgeordneter Johannes Gasser wollte sich „in die Vergangenheitsbewältigung nicht weiter einmischen“. Die Herausforderung der Budgetkonsolidierung sei jedenfalls eine große. Man müsse darauf achten, wie sie gerecht auf die Schultern verteilt werden könne, aber auch darauf, wie leistungsfähig die jeweiligen Schultern seien. Um die angesprochene Mindestpensionistin nicht zu sehr zu belasten, gebe es derzeit Diskussionen über sozial treffsichere Entlastungen. Auch Josef Muchitsch (SPÖ) wies auf derartige Gespräche hin. (Fortsetzung Sozialausschuss) kar
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