Hilfsorganisationen warnen: kein Sparen mit dem Rasenmäher

Hilfsorganisationen warnen: kein Sparen mit dem Rasenmäher

BAG-Organisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe appellieren an die Regierungsverhandler, keinesfalls bei der Langzeitpflege zu sparen

Zutiefst beunruhigt zeigen sich Österreichs größte Hilfsorganisationen angesichts der Diskussionen zum Stopfen des Budgetlochs. „Eine künftige Bundesregierung darf nicht mit dem Rasenmäher über den Sozialbereich drüberfahren“, warnt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, derzeit Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG).

Die BAG-Mitglieder Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe appellieren an die Regierungsverhandler, die Versorgungssicherheit und -qualität in der Langzeitpflege in ganz Österreich sicherzustellen. „Den steigenden Bedarf an Leistungen in der Langzeitpflege können wir am besten bewältigen, wenn wir die Mittel durch System-Reformen klüger einsetzen. Zum Wohl der Menschen mit Pflegebedarf und der Mitarbeiter:innen“, so Moser.

WER GELDMITTEL EFFIZIENT EINSETZEN MÖCHTE, MÜSSE GESUNDHEIT UND LANGZEITPFLEGE ALS EIN SYSTEM ZUSAMMENDENKEN.

„Wir hoffen, dass in den Übereinkünften der Untergruppen der Regierungsverhandlungen nicht nur die richtigen Themen aufgegriffen wurden, sondern auch entsprechende Prioritäten definiert und relevante Zusammenhänge berücksichtigt wurden“, sagt Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich. „Denn würde die Steuerungsgruppe jetzt mit Blick auf den budgetären Druck tatsächlich einfach mit dem Rasenmäher über alles gleichmäßig drüberfahren, dann bekämen wir ganz erhebliche Probleme. Die Versorgung in der Langzeitpflege lässt sich auf Grund des demografischen Wandels nicht kürzen oder einfrieren, im Gegenteil! Was man aber tun kann und muss, ist beispielsweise, Fehlversorgung zu korrigieren. Da gehen uns aktuell enorme Ressourcen verloren – sowohl finanzielle als auch personelle“, so Anselm.

Anna Parr, Caritas Österreich ergänzt dazu: „An vielen Schnittstellen zwischen dem Gesundheits- und dem Langzeitpflegebereich greifen die Systeme nicht adäquat ineinander. Schwächt man die Langzeitpflege, indem man sie nicht ausreichend finanziert, werden Krankenhäuser in Zukunft noch mehr belastet und in Anspruch genommen sein. Aktuell gehört das österreichische Gesundheitssystem ohnedies schon zu den teuersten der Welt, 2023 haben die öffentlichen Gesundheitsausgaben 8,5% des BIP ausgemacht. Ein anderes Bild zeigt sich im Langzeitpflegesystem: Österreich investierte 2022 nur 1,50% des BIP in den Bereich der Langzeitpflege und Betreuung – vergleichbare Länder mit besseren Pflege- und Betreuungsstrukturen investieren nahezu zwei Drittel mehr.“

DAS KRANKENHAUS IST DER TEUERSTE ORT

„Das Krankenhaus ist sicher nicht der beste Ort, um hochaltrige Menschen zu betreuen“, erklärt Rotkreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik, „und es ist definitiv der teuerste Ort. Die Betreuung eines Patienten im AKH Wien etwa kostet pro Tag 1.800 Euro. Jeder Tag, den Menschen im Alter nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause oder auch in einem Pflegeheim versorgt werden, spart Geld. Ein Bespiel: 2023 waren in Salzburg 130 Personen 6.641 Tage im Spital, weil es für sie keine andere Versorgungsmöglichkeit gab. Das kostete acht Millionen Euro.“

DER WICHTIGSTE HEBEL FÜR EFFIZIENTEN MITTELEINSATZ SEIEN UNTERSTÜTZUNGSMASSNAHMEN, DIE HELFEN, DASS MENSCHEN MÖGLICHST LANG ZUHAUSE LEBEN KÖNNEN.

Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich betont: „Wir haben jetzt schon Wartezeiten in der mobilen Pflege. Wenn hier nicht investiert wird, entstehen massive Mehrkosten. Denn Mangel an Betreuung zu Hause führt zur Aufnahme ins wesentlich teurere Krankenhaus oder ins Alten- und Pflegeheim – oder Menschen müssen eben als „Langlieger“ im Krankenhaus bleiben. Was wir brauchen, sind flächendeckende Angebote für die Übergangspflege, mobile Reha, wenn Menschen aus dem Krankenhaus nach Hause kommen, mehrstündige Alltagsbegleitung, Förderung von Besuchsdiensten und leistbare Tageszentren.“

INVESTITIONEN IN DIE LANGZEITPFLEGE LOHNEN SICH, BETONEN DIE BAG-ORGANISATIONEN UNISONO.

Nicht nur, weil sie im Gesamtsystem sparen helfen, auch volkswirtschaftlich: Jeder Euro, der in die Langzeitpflege investiert wird, hat eine Wertschöpfung von 1,7 Euro. Und 70% des Geldes, das der Staat in die Langzeitpflege investiert, fließen wieder ins Budget zurück – über Steuern, Sozialversicherungsbeiträge etc, wie das WIFO errechnet hat.

LANGZEITPFLEGE IST EIN WICHTIGER WIRTSCHAFTSMOTOR

Langzeitpflege sei, zusammen mit anderen sozialen Dienstleistungen, ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Pflege schafft gerade in Krisenzeiten sichere Arbeitsplätze. In der Wirtschaftskrise 2008/2009 ist die Beschäftigung in der Autoindustrie und im Baugewerbe gesunken, im Sozialbereich ist sie gestiegen.

„Die Langzeitpflege kann und muss Teil eines Konjunkturpakets sein. In die Langzeitpflege investieren, heißt, in einen krisensicherer Wirtschaftssektor und einen Konjunkturmotor investieren“, unterstreicht Moser, aktuell im BAG-Vorsitz, abschließend.

KURZINFO ZUR BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT FREIE WOHLFAHRT

Die BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt) ist der größte Zusammenschluss von Langzeitpflege-Anbietern in Österreich. Seit 1995 haben sich die großen gemeinnützigen Sozialorganisationen Österreichs – Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe – zusammengeschlossen.

Im BAG-Verbund sind rund 22.500 Menschen in Pflege und Betreuung beschäftigt. Sie pflegen, begleiten und betreuen 155.000 Menschen mit Pflegebedarf in mobilen, stationären und sonstigen Betreuungsformen. In der mobilen Pflege übernehmen die BAG-Organisationen zwei Drittel aller geleisteten Stunden.

Diakonie Österreich
Dr. Roberta Rastl
Telefon: 0043 664 314 9395
E-Mail: presse@diakonie.at

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