Syrien: Karner kündigt im Nationalrat „geordnetes Rückführungs- und Abschiebungsprogramm“ an
Syrien: Karner kündigt im Nationalrat „geordnetes Rückführungs- und Abschiebungsprogramm“ an
Debatte um asylpolitische Schwerpunktsetzungen prägt Aktuelle Stunde
Die derzeitigen Entwicklungen in Syrien dominierten die heutige Aktuelle Stunde im Nationalrat unter dem Titel „Asylbremse: Maßnahmen, die wirken“. Innenminister Gerhard Karner nutzte die Gelegenheit, um seine Pläne für ein „geordnetes Rückführungs- und Abschiebungsprogramm“ von Syrer:innen auszuführen. Dieses soll laut ihm schrittweise erfolgen. Freiwillige Rückkehrer:innen würden unterstützt und Straftäter:innen sowie Integrations- und Arbeitsunwillige bei den Abschiebungen priorisiert werden.
Während die FPÖ von einer „Märchenstunde“ sprach und mit der bisherigen Asylpolitik der Bundesregierung abrechnete, betonte die ÖVP die „Vorreiterrolle“ Österreichs bei der Bekämpfung illegaler Migration. Die SPÖ sprach sich angesichts der noch unklaren Lage in Syrien für einen „pragmatischen Zugang“ zu Rückführungen aus. NEOS und Grüne unterstrichen die Relevanz von Integrationsbemühungen für jene, die in Österreich bleiben dürfen und plädierten für eine Stärkung der demokratischen Kräfte in Syrien, um das Land zu stabilisieren.
KARNER ÜBER DAS SCHRITTWEISE RÜCKFÜHRUNGSPROGRAMM FÜR SYRER:INNEN
Angesichts der aktuellen Ereignissen in Syrien, werde es weder zu sofortigen Massendeportation kommen, wie es sich manche vorstellten, noch würde man nur „Tee trinken und abwarten“, erklärte Innenminister Karner. Bundeskanzler Karl Nehammer habe ihn beauftragt, sämtliche Asylanträge syrischer Staatsbürger:innen sowie deren Anträge auf Familiennachzug auszusetzen und alle Schutzgewährungen für Syrer:innen zu überprüfen. Dass viele europäische Länder ähnliche Schritte einleiteten, zeige, dass diese „richtig, wichtig und notwendig“ seien.
Es gelte nun, ein „geordnetes Rückführungs- und Abschiebungsprogramm“ auszuarbeiten, wie Karner erklärte. Dieses werde schrittweise erfolgen, wobei zunächst jene unterstützt werden sollen, die freiwillig nach Syrien zurückkehren wollen – etwa mit der Organisation von Flügen. Für diese Möglichkeit werde man auch „massiv in der syrischen Community werben“. Parallel dazu werde eine Liste für zwangsweise Rückführungen vorbereitet, die dann zum Einsatz komme, wenn sich die „verworrene“ Lage in Syrien kläre. Diese Liste werde so priorisiert, dass Straftäter:innen sowie jene die nicht bereit seien sich zu integrieren oder zu arbeiten zuerst abgeschoben werden sollen, erklärte Karner.
Weiters ging er auf die bisher gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung von illegaler Migration und Asylmissbrauch ein. In den letzten zwei Jahren sei die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der burgenländischen Grenze von 80.000 auf 4.500 gesunken. Zudem hätten 26 von 35 Quartieren der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen geschlossen werden können. Diese Zahlen seien das Ergebnis der bisherigen Bemühungen der Bundesregierung, wobei sich auch das österreichische Veto zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien vor zwei Jahren positiv ausgewirkt habe, wie Karner ausführte. Als „Hilferuf und Fingerzeig“ habe das Veto ein Umdenken in diesen Ländern und in der gesamten EU in Richtung einer Verstärkung des Außengrenzschutzes bewirkt. Auch Österreich leiste seinen Beitrag indem es etwa Polizeikontingente zur Unterstützung an die bulgarisch-türkische Grenze schicke. Bei einem Arbeitstreffen mit Vertreter:innen Bulgariens, Rumäniens und Ungarns in Budapest seien zudem weitere Grenzschutzmaßnahmen vereinbart worden. Der „Kampf“ gegen die illegale Migration müsse im Sinne der Sicherheit für die österreichische Bevölkerung weiterhin „hart, konsequent und gemeinsam mit den Partnerländern“ geführt werden, so Karner.
FPÖ FÜR „ASYLSTOPP“ STATT „ASYLBREMSE“
Die ÖVP und Innenminister Karner hätten die Aktuelle Stunde mit einer „Märchenstunde“ verwechselt, meinte FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer. Die Zahlen des Innenressorts würden für sich sprechen, da heuer alleine bis Oktober bereits 21.000 Asylanträge in Österreich gestellt worden seien. In der gesamten Regierungszeit von ÖVP und Grünen hätten Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Karner rund 250.000 Asylanträge zu verantworten. Und die Bürger:innen bekämen die Auswirkungen zu spüren: Amesbauer nannte Herausforderungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie eine erhöhte Kriminalitätsbelastung und „Islamisierung“, die Österreich bedrohten. Zudem sei es „erschreckend“, dass sich anlässlich des Sturzes von Baschar al-Assad innerhalb nur weniger Stunden circa 30.000 Syrer:innen in der Wiener Innenstadt „zusammenrotten“ hätten können, während gleichzeitig eine regierungskritische Demonstration untersagt worden sei. Österreich brauche keine „Asylbremse“, die nicht funktioniere, sondern einen „Asylstopp“, plädierte Amesbauer.
Auch sein Fraktionskollege Gernot Darmann sah die „Asylbremse“ als reine „Alibimaßnahme“ und Beweis für die bisherige Untätigkeit der Bundesregierung. Er stellte die Frage in den Raum, wo die Abschiebungsprogramme in den letzten Jahren gewesen seien.
ÖVP BETONT MIGRATIONSPOLITISCHE „VORREITERROLLE“ ÖSTERREICHS
Seitens der Volkspartei betonte Christian Stocker die Herausforderungen, vor die die „schwierige migrationspolitische Situation“ die Bundesregierung, Länder, Gemeinden und Zivilgesellschaft seit 2015 gestellt habe. Anders als der „Krawallsektor“, wie er die FPÖ bezeichnete, habe man jedoch Lösungen gefunden – auch wenn man sich nicht überall Freunde damit gemacht habe, verwies er auf das Schengen-Veto Österreichs. Die Bundesregierung habe nicht nur national zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, sondern auch innerhalb Europas eine „Vorreiterrolle“ eingenommen. Dies habe sich laut Stocker etwa im Asyl- und Migrationspakt mit einer Verstärkung des Außengrenzschutzes und der Ermöglichung von Asylverfahren an den Außengrenzen niedergeschlagen. Nun sei Österreich wieder das erste europäische Land, das die Asylverfahren von Syrer:innen ausgesetzt habe und auch das von Innenminister Karner angekündigte „Rückführungs- und Abschiebeprogramm“ werde „beispielhaft“ für Europa sein.
Asyl sei „Schutz auf Zeit“ zeigten sich die ÖVP-Abgeordneten Ernst Gödl und Romana Deckenbacher überzeugt. Beide unterstützten die Initiative Österreichs bei der Aussetzung der Asylverfahren von Syrer:innen. Gödl plädierte für eine „konkrete harte Kante“ in der Asylpolitik. Deckenbacher betonte die Notwendigkeit einer genauen Analyse und Neubewertung der Lage in Syrien. Sie verwies außerdem auf bisherige Maßnahmen gegen Asylmissbrauch, wie den verstärkten Einsatz von DNA-Tests und Dokumententestungen beim Familiennachzug.
SPÖ FÜR „PRAGMATISCHEN ZUGANG“ UND GEGEN „SCHEINLÖSUNGEN“ IN DER ASYLPOLITIK
Für einen „pragmatischen Zugang“ zur Frage von Rückführungen nach Syrien sprach sich SPÖ-Mandatar Philip Kucher aus. Niemand wisse, wie sich die dortige Lage entwickeln werde. Sowohl die Etablierung einer demokratischen Regierung, als auch die Installierung eines „islamistischen Terrorregimes“ seien möglich. Generell gelte es jedoch, von „Inszenierungen und Scheinlösungen“ Abstand zu nehmen, die Kucher insbesondere bei der FPÖ verortete. So hätten die Freiheitlichen in Zeiten ihrer Regierungsbeteiligung etwa Deutschkurse gestrichen, um sich dann über fehlende Deutschkenntnisse von Migrant:innen zu wundern. Kucher kritisierte zudem dass FPÖ-Obmann Herbert Kickl Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán „hofiere“, obwohl dieser zu Lasten Österreichs kaum Asylwerber:innen aufnehme.
„Zweifellos viel Handlungsbedarf“ attestierte Petra Bayr (SPÖ) dem Asylbereich. Dabei gehe es unter anderem um die Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb Europas und Österreichs. Hinsichtlich Syrien, verwies sie auf die unklare Lage, auch wenn der Anführer der siegreichen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) Mohammed al-Dschawlani gerade „Kreide gefressen“ habe. Bayr erinnerte an die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, die zu Beginn ebenfalls „versöhnlich Töne angeschlagen“ hätten, bevor sie die Menschen- und insbesondere die Frauenrechte massiv beschnitten hätten. Jedenfalls müsse Syrien beim Aufbau einer friedlichen und demokratischen Zukunft unterstützt werden.
NEOS: EINZELPERSONEN MÜSSEN IN DEN BLICK GENOMMEN WERDEN
Yannick Shetty (NEOS) sprach sich ebenfalls für eine Neubewertung der Situation in Syrien und für eine Rückführung derjenigen aus, die keinen Anspruch auf Schutz mehr haben. Dies sei keine Frage des „Obs“, sondern des „Wies“. Die FPÖ spiele was die Benennung von Problemen in der Asyl- und Migrationspolitik betreffe in der „Champions League“, bei der Lösungskompetenz jedoch lediglich und der „Regionalliga“. Neben den Abschiebungen müsse auch weiterhin über die Integration derjenigen gesprochen werden, die bleiben dürfen, gab Shetty zu bedenken. Der Leitsatz müsse dabei „Integration ab Tag eins“ lauten, mit klaren Verpflichtungen und Konsequenzen bei Regelverstößen.
Stephanie Krisper (NEOS) plädierte für eine koordinierte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, um die demokratischen Kräfte in Syrien zu stärken und das Land zu stabilisieren. Sie gab zu bedenken, dass rund 1.000 Syrer:innen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hätten, da sie ihre Integration und Fähigkeit zur finanziellen Eigenversorgung bewiesen hätten. Auch im Sinne des österreichischen Arbeitsmarktes gelte es, bei der Entscheidung über Rückführungen die einzelnen Personen in den Blick zu nehmen. Anstatt „vorzupreschen“ und verfrüht an Abschiebungslisten zu arbeiten, wäre sinnvoller mit einer gemeinsamen „europäischen Stimme“ zu sprechen, so Krisper.
GRÜNE: SYRIEN MUSS BEI AUFBAU EINER DEMOKRATISCHEN ORDNUNG UNTERSTÜTZT WERDEN
„Super, jetzt können wir wieder abschieben“ sei laut Agnes Sirkka Prammer (Grüne) die erste Reaktion auf Sturz Assads gewesen – ohne zu wissen, welche Art von Regime nun folge. Sinnvoller wäre es, sich stattdessen Gedanken über die Schaffung einer stabilen Sicherheitslage in Syrien zu machen, damit es zu keiner weiteren Eskalation in der Region komme. Europa müsse sich nun dafür einsetzen, dass sich dort jene Kräfte durchsetzen, die für Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte einstehen. Viele davon seien aktuell in Europa, so Prammer. Diesen müsse es nun ermöglicht werden, in ein sicheres Heimatland zurückzukehren, um es wieder aufzubauen, so Prammer.
Ihr Fraktionskollege Markus Koza wandte sich gegen die FPÖ, die „jede Menge Problembeschreibungen“ liefere, jedoch kaum Lösungen, da diese den Freiheitlichen, die „Geschäftsgrundlage“ entziehen würden. „Integration ab Tag eins“ bedeute auch bereits Asylwerber:innen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Denn es sei „zynisch und ökonomisch dumm“, diesen zu erschweren und den Betroffenen dann vorzuwerfen, dass sie es sich in der „sozialen Hängematte bequem machen“, erklärte Koza. Auch um dem Arbeitskräftemangel beizukommen, müsse ein „Spurwechsel“ aus dem Asylsystem in die Arbeitsmigration so einfach wie möglich gestaltet werden. (Fortsetzung Nationalrat) wit
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