Bundesrats-Enquete beschäftigte sich mit Lösungswegen zur Stärkung der Demokratie

Bundesrats-Enquete beschäftigte sich mit Lösungswegen zur Stärkung der Demokratie

Austausch über Fragen zur Ausgestaltung der Demokratie und Demokratiebildung, Forderung nach „gesunder Debattenkultur“

Die Frage nach Lösungswegen zur Stärkung der Demokratie stand im Fokus des zweiten Panels der heutigen Enquete des Bundesrats unter dem Titel „Demokratie braucht Zukunft – Brücken bauen, Demokratie stärken“. Landeshauptmann Thomas Stelzer aus Oberösterreich betonte, dass Bürger:innen in ihrem unmittelbaren Lebensbereich – in ihrer Gemeinde – den demokratischen Prozess hautnah miterleben könnten und stellte Initiativen zur Bürger:innenbeteiligung aus Oberösterreich vor. Martin Hagen, Geschäftsführer von Republik21, warnte vor einer „Einschränkung von Freiheiten“, die mit dem „Schutz der Demokratie“ begründet würden. Der Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Emil Brix referierte zum Thema Demokratiebildung.

STELZER: DEMOKRATIE ERMÖGLICHT FREIE LEBENSGESTALTUNG

In einer Demokratie brauche es Leute, die Verantwortung übernehmen wollten, sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer in seinem Vortrag unter dem Titel „Bürgernähe und politische Mitbestimmung“. Entscheidend sei dabei zudem der Respekt vor anderen und das Zulassen der Diskussion. Denn es gehe darum, gemeinsam Regeln zu finden, die akzeptiert und eingehalten würden, um „unsere Freiheit zu schützen“, so Stelzer. Er betonte: „Demokratie schreibt nicht vor, sondern ermöglicht freie Lebensgestaltung“. Das Ringen um Lösungen könne am besten im unmittelbaren Lebensraum – in den Gemeinden – miterlebt werden, insbesondere auch durch Ehrenamt und Freiwilligenarbeit. Stelzer verwies außerdem auf Instrumente zur Bürger:innenbeteiligung, die in Oberösterreich zum Einsatz kommen. So würden im Rahmen der „Bürgerbegutachtung“ Gesetzesvorhaben zugänglich gemacht und ein „Agenda-Zukunftsprozess“ lade zum Mitmachen ein. „Demokratiefeinden“, die Richtung Unfreiheit gingen, müsse man entgegentreten, forderte Stelzer und erinnerte daran, dass Politik „beizeiten“ Ergebnisse liefern müsse und Reformen nicht ausbleiben dürften – dies sei gerade in der Phase des Findens einer neuen Bundesregierung entscheidend, so Stelzer.

HAGEN: „LEBENDIGER PLURALISMUS STATT BETREUTES DENKEN“

Martin Hagen, Geschäftsführer von Republik21, sagte in seinem Vortrag, dass der Schutz der Demokratie nicht als Vorwand genommen werden dürfe, um Freiheiten einzuschränken. Er warnte vor einer „Verengung des demokratischen Diskurses“ und sprach sich gegen ein „Demokratiefördergesetz“ aus, das in Deutschland diskutiert werde. Willensbildung in einer Demokratie habe von unten nach oben zu verlaufen, so Hagen. Es sei nicht die Aufgabe des Staates, bestimmte Meinungen in der Bevölkerung zu fördern und andere zu unterdrücken – jedenfalls nicht solange sich diese Meinungen auf dem Boden freiheitlich-demokratischer Grundordnungen bewegten, denn man schade „dem wichtigen Anliegen der Extremismusbekämpfung, wenn man den Rahmen des legitimen Meinungsspektrums immer enger“ ziehe, sagte Hagen. Er warnte auch vor der Einführung von „Trusted Flaggern“, die der Digital Service Act der EU vorsieht. Denn bei der Beurteilung von „Hassrede“ und „Fake News“ begebe man sich auf „dünnes Eis“. Es brauche „lebendigen Pluralismus“ und kein „betreutes Denken“, so Hagen.

BRIX: DEMOKRATIEBILDUNG NICHT NUR IN DEN SCHULEN

Zum Thema Demokratiebildung referierte Emil Brix, Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und Direktor der Diplomatischen Akademie. Er sprach sich für einen Ausbau der politischen Bildung in allen Schulformen ab der fünften Schulstufe aus, und betonte zudem, dass Demokratiebildung nicht nur in Schulen stattfinde. Es müsse darüber nachgedacht werden, wo und in welcher Form man mehr Demokratie zulassen könne und regte in diesem Zusammenhang einen Ausbau der Laiengerichtsbarkeit an. Weltweit gesehen nehme die Zahl der liberalen Demokratien derzeit ab, und es scheine, dass man „nicht die Argumente“ habe, um die Zahl größer zu machen, so Brix. Die Botschaft jener, die undemokratisch agierten, laute: „Wir können schneller und eindeutiger agieren und haben auch die besseren Rezepte um die Wirtschaft voranzubringen“. Dies müsse demokratisch widerlegt werden und sei damit Teil von Demokratiebildung, sagte Brix.

DEBATTE: LÖSUNGSWEGE ZUR STÄRKUNG DER DEMOKRATIE

In der anschließenden Diskussion sagte Nationalratsabgeordneter Gernot Darmann (FPÖ), dass es in der Demokratie „Politiker mit Handschlagqualität“ sowie die „Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen“ brauche. Die Bevölkerung sei kritischer und emotionaler geworden. Nicht die Botschaft in sozialen Medien sei „das Schlechte“, sondern die Frage sei, was „bei den Menschen ankomme“, so Darmann. Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ/N) warnte davor, dass es der Demokratie „nachhaltig schade“, wenn ein „erheblicher Wähleranteil ausgeschlossen werde“. Man baue keine Brücken, indem man die stimmenstärkste Partei isoliere, so Kofler.

Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V) sprach sich für die Förderung des kritischen Denkens aus und sagte, dass es dazu Engagement in Schulen brauche, aber auch in der Mitte der Gesellschaft Räume geschaffen werden müssten, „um miteinander ins Gespräch zu kommen“. Bundesrat Bernhard Ruf (ÖVP/O) rief zum respektvollen Umgang und einer Debattenkultur mit dem Grundsatz „We agree to disagree“ auf. Zudem betonte Ruf, dass man „nicht an die nächste Wahl, sondern an die nächsten Generation“ denken solle. Auch Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP/O) plädierte für eine „gesunde Debattenkultur“ und verwies auf die Vorbildfunktion von Politiker:innen. Zudem betonte sie die Bedeutung des Engagements in Vereinen, da sich die Sichtweise verändere, wenn man in einem Verein Verantwortung übernehme.

Angesichts von Politikverdrossenheit forderte Sandra Gerdenitsch (SPÖ/B) die Stärkung des Vertrauens in die Politik, indem insbesondere junge Menschen mehr in Gremien miteinbezogen werden sollten. Diese hätten oft das Gefühl, dass ihre Stimme nicht zähle, so die Bundesrätin. Nationalratsabgeordneter Mario Lindner (SPÖ) betonte, dass eine demokratische Gesellschaft immer nur so stark sei, wie ihre schwächsten Mitglieder. Er erinnerte an eine Enquete des Bundesrats zum Thema „Digitale Courage“ aus dem Jahr 2016 und regte einen Prozess in beiden Kammern des Parlaments an, um mit den in parlamentarischen Enqueten gewonnenen Informationen „zu Lösungen zu kommen“. Alle Lebensbereiche sollten mit Demokratie durchflutet werden, sagte der Wiener Landtagsabgeordnete Kurt Stürzenbecher (SPÖ) und forderte die Stärkung des „demokratisch-sachlichen“ Umgangs miteinander.

Die Stärkung der Demokratie sei eine Aufgabe, die uns leiten solle und dies könne nur gemeinsam gelingen, sagte Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W). Sie sprach sich unter anderem für ein Hearing von Minister:innen vor ihrer Ernennung und eine Reform des „komplizierten“ Vorzugsstimmensystems aus.

Doris Wagner, Sektionschefin im Bildungsministerium, betonte die Wichtigkeit politisch gebildeter Bürger:innen für die Demokratie. Sie verwies auf drei Initiativen, die vom Bildungsministerium zuletzt verstärkt vorangetrieben wurden. So seien die Plattform „DNAustria“ zur Wissenschafts- und Demokratievermittlung geschaffen, der Fachbereich „politische Bildung“ im neuen Lehrplan „gut berücksichtigt“ und mit der Initiative „Hinschauen statt Wegschauen“ die Schuldemokratie gefördert worden.

Mitbestimmung fange nicht erst mit dem 16. Geburtstag, sondern schon bei der Klassensprecherwahl in der Schule und in Betrieben bei der Wahl des Jugendvertrauensrats an, sagte Nadine Fahrenberger vom Österreichischen Gewerkschaftsbund. Sie betonte, dass es österreichweit rund 800 Jugendvertrauensratkörperschaften gebe, die sich täglich für Lehrlinge in den Betrieben einsetzten.

Sina Moussa-Lipp, Vertreterin der Bundesarbeiterkammer, wies auf eine „besonders große Demokratielücke“ in Städten hin. Denn während die Bevölkerung in Wien wachse, sinke die Zahl der Wahlberechtigten. Demokratie könne jedoch nicht theoretisch gelernt, sondern müsse erfahren werden und beginne dort, wo sich Menschen gerecht behandelt fühlten, so Moussa-Lipp. Sie forderte daher unter anderem einen „gerechteren Zugang zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft“. (Fortsetzung Enquete des Bundesrats) bea

HINWEIS: Fotos von der Enquete des Bundesrats sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Enquete des Bundesrats wurde live in der Mediathek des Parlaments übertragen und ist dort als Video-on-Demand abrufbar.

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