Bundesratspräsident Ebner: Der demografische Wandel wird zu einer Schicksalsfrage für die Gesellschaft

Bundesratspräsident Ebner: Der demografische Wandel wird zu einer Schicksalsfrage für die Gesellschaft

Expert:innenforum im Bundesrat „Österreich wird älter“ zu Herausforderungen für Gesundheitsvorsorge und Pflege

Die statistischen Daten sprechen eine deutliche Sprache: Österreichs Bevölkerung altert zunehmend, und diese Entwicklung wird sich künftig fortsetzen. Absehbar ist, dass diese demographische Entwicklung insbesondere das Gesundheitssystem und die Altenbetreuung vor immer größere Herausforderungen stellen werde. Der demographische Wandel sei damit „eine Schicksalsfrage für unsere Gesellschaft“, wie Bundesratspräsident Franz Ebner in seinem Eingangsstatement zum Expertenforum „Österreich wird älter“ feststellte. Im Bundesratssaal tauschten sich heute auf seine Einladung Fachleute und Vertreter:innen der Politik über die sozioökonomische Auswirkung der Alterung der Bevölkerung auf Gesundheit und Pflege und über mögliche Lösungsansätze aus.

Ausgangspunkt der Diskussion waren die statistischen Daten der Statistik Austria über die Bevölkerungsstruktur. Laut der Leiterin der Direktion Bevölkerungsstatistik der Statistik Austria, Regina Fuchs, stehen umfassende Daten zur Verfügung, um die demographischen Entwicklungen gut einschätzen zu können. Um für die sich aus der Alterung der Bevölkerung ergebenden Probleme analysieren und Lösungsansätze entwickeln zu können, müsse aber die Nutzbarkeit von weiteren Daten, etwa von Gesundheitsdaten, sichergestellt werden.

EBNER: DEMOGRAPHISCHER WANDEL MUSS AKTIV GESTALTET WERDEN

In seinem einleitenden Statement wies Bundesratspräsident Ebner darauf hin, dass die Zukunft von Pflege und Gesundheitsversorgung alle betreffe. Expert:innen gingen davon aus, dass 2050 ältere Menschen rund ein Drittel unserer Gesellschaft ausmachen werden. Die demographische Veränderung sei laut Expert:innen ein Megatrend, ja sogar eine Schicksalsfrage für die Gesellschaft, da sie nahezu alle Bereiche erfassen werde. Dabei geht es für Ebner vor allem darum, wie ein Altern in Würde möglich ist. Das Forum werde auch einen Blick auf die Rolle der älteren Menschen in der Gesellschaft und die Balance zwischen den Generationen werfen.

Ebner betonte, dass ihm das Miteinander der Generationen besonders am Herzen liege. Er habe für sein Präsidentschaft daher das Motto „Demokratie braucht Zukunft, Zukunft braucht Herkunft“ gewählt. Ein besonderes Anliegen sei ihm das Verständnis der Generationen untereinander zu fördern, sagte der Bundesratspräsident.

Der demographische Wandel bringe tiefgreifende Veränderungen mit sich. Er vollziehe sich sukzessive und sei damit auch planbar. Dazu müsse er jedoch aktiv gestaltet werden. Dazu wolle der Bundesrat mit dem heutigen Expertenforum einen Beitrag leisten.

FUCHS: SINKENDE GEBURTENRATE, MEHR ZUWANDERUNG

Regina Fuchs ist seit 2022 Leiterin der Direktion Bevölkerungsstatistik der Statistik Austria und ist auch für das Center Wissenschaft mit dem Austrian Micro Data Center (AMDC) verantwortlich. Die Entwicklung der Bevölkerung in Österreich werde seit langem mit statistischen Erhebungen beobachtet, führte sie aus. Die Statistik Austria verfüge grundsätzlich über gute Daten, um sagen zu können, wie die in Österreich lebende Bevölkerung strukturiert sei. Man wisse, dass die österreichische Bevölkerung altere, und die Fertilitätsrate sinke. 2021 lebten 8,97 Mio. Menschen in Österreich, wobei diese Zahl unterdessen auf über 9 Mio. angewachsen sein dürfte. Ein Bevölkerungsanstieg ergebe sich daher vor allem durch Zuwanderung aus dem Ausland. Österreich verzeichne seit Jahrzehnten durchgehend eine Nettozuwanderung. Die Haushalte seien zunehmend kleiner geworden, der durchschnittliche Bildungsgrad der Bevölkerung und die Erwerbstätigkeit von Frauen stark gestiegen.

Fuchs ging im Detail auf die Parameter Fertilität, Mortalität und Migration aus, welche laut ihr die Hauptfaktoren für die Veränderung der Bevölkerungszahlen sind. In den letzten Jahrzehnten habe es in Österreich große demographische Veränderungen gegeben, wobei die Bevölkerungsdynamiken oft durch Krisen, die nicht vorhersehbar waren, ausgelöst beziehungsweise durch diese noch verstärkt würden. Als Beispiele nannte Fuchs die Finanzkrise und die COVID-19-Pandemie, die sich auf die Mortalitäts- und Geburtenrate ausgewirkt hätten. Die Flüchtlingswellen aus Syrien und der Ukraine hätten frühere Prognosen zur Zuwanderung über den Haufen geworfen.

IMMER GRÖSSERER ANTEIL ÄLTERER PERSONEN AN BEVÖLKERUNG

Fuchs gab auch einen Überblick über die Entwicklung der Bevölkerungsprognosen für Österreich. Die Statistischen Nachrichten des Zentralamts im Jahr 1993 hätten einen Blick in die Zukunft gewagt, der sich nicht in allem bestätigt habe. Die zu Anfang der 1990iger Jahre relativ zurückhaltenden Annahmen zum Anstieg der Lebenserwartung hätten sich in weiterer Folge nicht als zutreffende erwiesen, da insbesondere die Lebenserwartung von Männern stärker gestiegen sei, als damals prognostiziert wurde, führte Fuchs aus. Zu hoch angesetzt seien hingegen die Zahlen zur Fertilität gewesen, da in den Jahrzehnten danach weniger Kinder geboren worden seien, als man 1993 angenommen hatte. Die größten Abweichungen habe es allerdings bei der Migration gegeben. 1993 sei man von weit niedrigeren Zuwanderungssalden ausgegangen, womit in den 2020er Jahren ein Rückgang der Bevölkerung zu verzeichnen gewesen wäre. Das sei letztlich nicht eingetreten.

Um die mögliche Bandbreite der künftigen Entwicklung bestmöglich abschätzen zu können, würden in heutigen Bevölkerungsprognosen mehreren Varianten erstellt, erläuterte Fuchs. Für die Variablen Fertilität, Mortalität und Zuwanderung werde neben der mittleren Annahme auch eine hohe bzw. niedrige Annahme entwickelt. Klar sei, dass das Wachstum der Bevölkerung vor allem durch Zuwanderung stattfinden und die Bevölkerungsstruktur sich weiter in Richtung eines größeren Anteils von älteren Menschen verschieben werde. 2023 habe es in Österreich erstmals mehr Menschen über 65 als Kinder und Jugendliche unter 20 gegeben, und dieser Trend setze sich fort. Das bedeute auch, dass der Anteil der Personen im Haupterwerbsalter von 20 und 64 Jahren zurückgehe. Käme heute auf 3 Erwerbstätige eine Person im Pensionsalter, werde das Verhältnis in absehbarer Zeit auf 2:1 sinken. Auch der Anteil der Personen im hohen Alter, also über 80, werde stark ansteigen.

PLANUNG DER ANTWORTEN AUF DEMOGRAPHISCHEN WANDEL BRAUCHT OPTIMALE DATENNUTZUNG

Über den demographischen Wandel der Bevölkerung seien aufgrund der guten Datenlage sehr verlässliche Aussagen möglich, sagte die Expertin. Allerdings könne die Statistik Austria nicht zu allen Themenbereichen ausreichende Prognosen erstellen. So reiche etwa die Datenlage zu Berufen nicht aus, um genaue Prognosen über den künftigen Bedarf an Fachkräften zu liefern. Die verfügbaren Gesundheitsdaten seien nicht noch nicht ausreichend nutzbar, um rasch klare Aussagen treffen zu können.

Unbestritten sei, dass die Alterung der Bevölkerung sehr weitreichende volkswirtschaftliche Auswirkungen habe. Die Frage sei, wie man die daraus entstehenden Effekte abmildern könne. Die Antwort sei, dass alle Ansätze genützt werden müssten, um den Herausforderungen des demographischen Wandels zu begegnen. Die Fertilität könne etwa durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf beeinflusst werden. Auch Investitionen in den technologischen Wandel und in die Verbesserung von Gesundheit und Bildung, um auch im Alter arbeiten zu können, seien denkbar.

Aus ihrer Sicht als Demographin und Statistikerin wünsche sie sich von der Politik, dass die Frage des Alterns der Bevölkerung in allen Entscheidungen mit berücksichtigt werde und sicherzustellen, dass man wisse, „wohin die Reise geht“. Das werde mit guten Daten, die der Wissenschaft und den politischen Entscheidungsträger:innen zur Verfügung stehen, am besten gelingen. Daher sei die Politik gefordert, die notwendigen Daten für die notwendigen Analysen zu öffnen und bereitzustellen, betonte Fuchs. (Fortsetzung Expertenforum) sox

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