„70 Jahre Altösterreicher“ – Vertrieben, aber nicht vergessen

„70 Jahre Altösterreicher“ – Vertrieben, aber nicht vergessen

Jubiläumsveranstaltung des VLÖ im Parlament erinnert an Schicksal der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Verband der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich (VLÖ) setzt sich seit 70 Jahren für die Interessen der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Gebieten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie Vertriebenen deutscher Muttersprache ein. Zu diesem Anlass hielt er seine Jubiläumsveranstaltung in den Räumlichkeiten des Parlaments im Palais Epstein ab. Gastgeber und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wurde in diesem Rahmen vom VLÖ für seine Verdienste um die Anliegen der Heimatvertriebenen mit der goldenen Ehrennadel des Verbands ausgezeichnet.

Nach Eröffnungsworten Sobotkas und einer Video-Grußbotschaft von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer brachten der Präsident des VLÖ, Norbert Kapeller und der Zeithistoriker Philipp Strobl dem Publikum die Geschichte des Verbands näher. Darauf folgte eine Gesprächsrunde mit den Vertriebenensprecher:innen Gudrun Kugler (ÖVP), Volkmar Harwanegg (SPÖ) und Anneliese Kitzmüller (FPÖ), die sich einig darüber zeigten, dass den Interessen der Vertriebenen und ihrer Nachkommen weiterhin ein wesentlicher Platz in der Politik und Gesellschaft Österreichs eingeräumt werden müsse.

Die Veranstaltung schloss mit Dankesworten von Rüdiger Stix, Bundesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Gerhard Schiestl, Landesobmann der Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft in Österreich und Manfred Schuller, Bundesobmann des Bundesverbands der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Sie erinnerten daran, dass heute rund 2,5 Millionen Österreicher:innen von den Vertriebenen aus den ehemaligen Kronländern abstammten. Deren Geschichten müssten auch für künftige Generationen bewahrt und weitergetragen werden.

SOBOTKA: VERTRIEBENE SIND TEIL DER „GELEBTEN GESCHICHTE“ ÖSTERREICHS

18 Millionen deutschsprachige Vertriebene teilten ein Schicksal der persönlichen Entbehrungen und Demütigungen, unterstrich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Tragweite der Umwälzungen nach dem Zweiten Weltkrieg – viele hätten auch mit ihrem Leben bezahlt. Die Schicksale der Betroffenen gehörten als „gelebter Teil der Geschichte“ zu Österreich dazu und dürften nicht „unter den Teppich gekehrt“ werden. Nicht nur, um deren historisches Vermächtnis zu hüten, sondern auch, um ein Bewusstsein für die Bedeutung von Vertreibung in die Gegenwart zu tragen. Nur wenn man zu seiner Geschichte stehe, könnten sowohl die hellen als auch die dunklen Seiten betrachtet werden, ohne in Revanchismus zu verfallen, so Sobotka. Davon hänge letztendlich auch die Zukunft der europäischen „Friedensunion“ ab. Es gehe darum, die kulturellen Identitäten zu wahren und gleichzeitig „am Gemeinsamen weiterzubauen“.

Sobotka habe sich in diesem Sinne immer als „Ansprechpartner und Sprachrohr“ für die altösterreichischen Landsmannschaften verstanden, wie er erklärte. Damit das Parlament dieser Rolle auch weiterhin gerecht werde, kümmere sich künftig eine eigene Abteilung unter anderem um die Anliegen der Volksgruppen.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer erinnerte in seiner Grußbotschaft daran, dass Linz im Jahr 1954 „die Wiege des VLÖ“ gewesen sei und verwies auf den „wesentlichen Beitrag“, den die Vertriebenen zur „Erfolgsgeschichte“ der Zweiten Republik geleistet hätten. Es gelte nun, deren Geschichten lebendig zu halten, da dies auch helfe, Brücken in jene Nachbarländer zu schlagen, aus denen sie stammten.

KAPELLER UND STROBL ÜBER DIE HINTERGRÜNDE DES VLÖ

Unter den 18 Millionen Deutschsprachigen, die ihre Heimat verlassen mussten, seien gut sechs Millionen Altösterreicher gewesen, von denen wiederum nur etwa 600.000 nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich hätten bleiben dürfen, berichtete VLÖ-Präsident Norbert Kapeller. Deren oft tausendjährige Ansiedelungsgeschichte in den ehemaligen habsburgischen Kronländern sei damit auf einen Schlag beendet worden. Österreich habe die Vertriebenen in Folge „gerne weitergewunken“ in das ebenfalls zerstörte Deutschland, was eine „Kindesweglegung“ und „Missachtung der eigenen Geschichte“ gewesen sei, so Kapeller.

1954 sei schließlich der VLÖ gegründet worden, deren Kernaufgaben sich zu Beginn über sozial- und staatbürgerschaftsrechtliche Fragen sowie die Linderung der Wohnungsnot erstreckten. In späteren Phasen sei die Erinnerungskultur und die Schaffung von Kulturstätten in den Vordergrund getreten, um ein „Heimatgefühl“ zu erlangen und kollektive Traumata aufzuarbeiten, wie Kapeller erzählte. Schließlich habe sich der VLÖ auch bei der erfolgreichen Verhandlung von Restitutionsfragen verdient gemacht.

Auch Zeit- und Migrationshistoriker Philipp Strobl sah einen Wandel der Aufgabenfelder des VLÖ, da dieser sich immer an die Lebenssituationen seiner Mitglieder angepasst habe. Fungierte er anfangs noch als Selbsthilfeverband für Menschen „am Rande der Gesellschaft“, habe er sich mit der Zeit immer mehr der Kulturpflege zugewandt. Aktuell gelte es vor allem, die Geschichten der deutschsprachigen Vertriebenen zu bewahren und zu erforschen, meinte Strobl. Dafür seien gegenwärtig Projekte wie ein „hybrides Archiv“ in Planung, die sich auch der Möglichkeiten der Digitalisierung bedienten. Die Nachkommen der Vertriebenen seien ihren Ahnen verpflichtet, damit diese „nicht auch aus der Geschichte vertrieben werden“, unterstrich auch Kapeller die Notwendigkeit, das Erbe zu wahren. (Schluss) wit

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.

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