Diabetes bei Kindern und Jugendlichen: Herausforderungen in Schulalltag und Freizeit mit der Diagnose Diabetes Typ 1

Diabetes bei Kindern und Jugendlichen: Herausforderungen in Schulalltag und Freizeit mit der Diagnose Diabetes Typ 1

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) macht auf die unzureichende Versorgungslage für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes aufmerksam. Es fehlt an ausreichend spezialisierten Personalstellen in den österreichischen Diabeteszentren und auch die mobile Betreuung ist bisher nur in einem Bundesland vollständig umgesetzt. Dabei besteht gerade bei jungen Patient:innen, deren Zukunft von einer optimalen Versorgung abhängt, dringender Handlungsbedarf. Vor allem der Einstieg in pädagogische Einrichtungen, wie Kindergarten und Schule, stellen Eltern wie Kinder vor grundlegende Herausforderungen. Die ÖDG setzt auf Aufklärung, damit Pädagog:innen geschult und vorbereitet werden.

TYP-1-DIABETES BEI KINDERN: EINE WACHSENDE HERAUSFORDERUNG 

Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, die lebenslang eine Insulintherapie erfordert. In Österreich leben derzeit rund 3.500 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren mit dieser Krankheit, und die Zahlen steigen seit Jahrzehnten kontinuierlich. Typ-1-Diabetes darf nicht mit der weit verbreiteten Erkrankung Diabetes mellitus Typ 2 verwechselt werden.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching, MBA, Präsident der ÖDG, betont: „Für Kinder und Jugendliche bedeutet die Diagnose Typ-1-Diabetes, dass sie sich von Beginn an mit einem komplexen Selbstmanagement auseinandersetzen müssen. Hierbei sind die Familien stark gefordert, und sie benötigen umfangreiche Unterstützung, die in Österreich noch nicht ausreichend gegeben ist. Die ÖDG appelliert daher an die Entscheidungsträger, diese Unterstützung sicherzustellen.“

Ao. Univ-Prof.in Dr.in Birgit Rami-Merhar, MBA, Leiterin der Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche im AKH Wien, fügt hinzu: „Für Kinder mit Typ-1-Diabetes ist es entscheidend, dass ihre Blutzuckerwerte möglichst konstant im Normbereich liegen. Nur so lassen sich Akut- und Spätkomplikationen vermeiden, was für eine gesunde Zukunft dieser jungen Patient:innen von enormer Bedeutung ist. Derzeit erreichen wir diese Werte jedoch nicht flächendeckend, was das Kindesalter bei der Diagnose noch immer zu einem Risikofaktor für eine verkürzte Lebenserwartung macht.“

FEHLENDE RESSOURCEN: MULTIDISZIPLINÄRE BETREUUNG IN NOT 

Eine optimale Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes erfordert multidisziplinäre Teams aus spezialisierten Kinderärzt:innen, Diabetesberater:innen, Psycholog:innen, Ernährungsberater:innen, Kinderkrankenpfleger:innen und weiteren Fachkräften. Doch in keinem der 34 pädiatrischen Diabeteszentren in Österreich sind diese Stellen in ausreichender Anzahl vorhanden. Rami-Merhar hebt hervor: „Es ist nicht der allgemeine Personalmangel im Gesundheitswesen, sondern die Tatsache, dass diese Stellen nie geschaffen wurden.“

Dabei sind die Kosten für die Schaffung dieser Stellen überschaubar. Für die rund 3.500 Kinder unter 14 Jahren bräuchte es beispielsweise nur 35 zusätzliche Stellen für Diabetesberater:innen und weitere spezialisierte Fachkräfte, um eine leitliniengerechte Betreuung sicherzustellen.

MOBILE BETREUUNG: EINE LEBENSNOTWENDIGE UNTERSTÜTZUNG 

Besonders problematisch ist die fehlende flächendeckende mobile Betreuung, die Familien direkt zu Hause unterstützt. Aktuell ist nur in Wien ein regulärer Betrieb gewährleistet, während in anderen Bundesländern Pilotprojekte wie „DiAB-Kids“ erfolgreich evaluiert, aber noch nicht regelfinanziert sind. Das Projekt in der Steiermark war sieben Jahre spendenfinanziert und ist dieses Jahr als Pilotprojekt gestartet. Eine Zusage für eine Regelfinanzierung gibt es jedoch noch nicht, obwohl die Kosten einer solchen Regelfinanzierung überschaubar sind. Die mobile Betreuung hilft Familien, die komplexen Anforderungen der Diabetestherapie in ihren Alltag zu integrieren und entlastet zugleich die Ambulanzen der Krankenhäuser.

Sie spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Integration von Kindern mit Diabetes in Kindergärten und Schulen. Durch die Schulung von Pädagog:innen wird nicht nur eine bessere Integration der Kinder in den Alltag ermöglicht, sondern auch der Angst vor der Krankheit entgegengewirkt. „Nur wenige Besuche einer Diabetesberaterin vor Ort reichen oft aus, um große Herausforderungen zu bewältigen und eine Stigmatisierung der Kinder zu vermeiden. Außerdem verfolgen wir das Ziel, dass die Kinder mit Diabetes Typ 1 den Kindergarten und die Schule ihrer Wahl besuchen können“, betont Rami-Merhar.

EINE PERSÖNLICHE GESCHICHTE: DER WEG EINER FAMILIE MIT DER DIAGNOSE DIABETES TYP 1  

Ein bewegendes Beispiel für die Herausforderungen, vor denen Familien stehen, ist die Geschichte von einem sechsjährigen Buben, bei dem vor 2 Jahren Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde. Die ersten Anzeichen, wie starker Durst und Bettnässen, wurden von seinen Eltern zunächst falsch gedeutet. Die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1 wurde erst im Krankenhaus gestellt. Der Vater berichtet: „Von diesem Moment an stand das Leben unserer Familie vollkommen Kopf. Wir mussten plötzlich intensiv geschult werden, um den Umgang mit Insulinpumpen, Blutzuckermessung und der Berechnung von Kohlenhydrateinheiten zu erlernen. Vor allem die ständige Planung des Tagesablaufs, insbesondere in Bezug auf spontane Aktivitäten wie Essen oder Bewegung, stellte uns vor immense Herausforderungen.“

Auch die Integration des Kindes in den Kindergarten war anfangs schwierig. Während die meisten Pädagog:innen Unterstützung zeigten, bekamen die Eltern und auch der Sohn ablehnende Reaktionen – aus Angst vor Fehlern und überfordernden Notsituationen. Dies führte dazu, dass die Eltern oft vor Ort sein mussten, um die Insulinpumpe zu bedienen. Das Engagement einiger Pädagog:innen ermöglichte es dem Buben schließlich an allen Aktivitäten im Kindergarten teilzunehmen.

Die Schulsuche gestaltete sich ebenfalls als Hürde. Einige Schulen wiesen die Verantwortung für den Umgang mit Diabetes vollständig den Eltern und dem Kind zu, was die Familie wieder allein mit der Thematik zurückließ. Erst nach intensiver Suche fand die Familie eine Schule, die Offenheit und Unterstützung anbot.

ELTERN AM BELASTUNGSLIMIT

Die Sorge um ihren Sohn belastet die beiden nicht nur als Eltern, sondern auch als Paar. Die Mutter erzählt: „Normalerweise kommen Kinder mit vier Jahren in ein Alter, in dem Eltern sich auch mal eine Auszeit nehmen und einen Babysitter engagieren können, um als Paar Zeit miteinander zu verbringen. Das ist für uns jedoch nicht möglich. Wir müssen ständig ein wachsames Auge darauf haben, ob alles mit der Insulinpumpe und dem Blutzuckerspiegel passt. Auch nach zweieinhalb Jahren ist keine wirkliche Entspannung eingekehrt. Übernachten bei Großeltern oder Cousins und Cousinen war bisher undenkbar. Hinzu kommt die ständige Sorge, dass auch das zweite Kind an Typ-1-Diabetes erkranken könnte. Als Eltern und als Paar kommen wir immer wieder an unsere Grenzen – die Belastung ist enorm, und wir bräuchten dringend mehr Phasen der Ruhe.“

FORDERUNG NACH BESSEREN BETREUUNGSSTRUKTUREN 

Die Eltern wünschen sich, dass es in Zukunft mehr Unterstützung für Kinder mit Typ-1-Diabetes in Kindergärten, Schulen und bei Freizeitangeboten gibt. Sie sagen dazu: „Wir hoffen, dass Programme wie die Mobile Kinderkrankenpflege ausgebaut werden, um Betreuer:innen in Kindergärten, Schulen, Freizeit- und Sportaktivitäten besser zu schulen. Nur so können Kinder wie unser Sohn gut integriert werden und ein weitgehend normales Leben führen.“

Die Geschichte von dem sechsjährigen Buben steht stellvertretend für viele Familien, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Es ist dringend notwendig, dass Österreich die Versorgungsstrukturen für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes verbessert, um diesen jungen Menschen eine gesunde Zukunft zu ermöglichen.

ÜBER DIE ÖSTERREICHISCHE DIABETES GESELLSCHAFT (ÖDG)
Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten:innen. Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzt:innen und wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker:innen. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater:innen und Diätolog:innen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt die Forschung und verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.

Public Health PR
Mag. Michael Leitner
Telefon: 01 60 20 530
E-Mail: michael.leitner@publichealth.at

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