Expert:innen aus Medizin und Infektionsprävention: Hygiene im Regierungsübereinkommen verankern
Expert:innen aus Medizin und Infektionsprävention: Hygiene im Regierungsübereinkommen verankern
Forderungen nach Prävention, Ausbildung von Hygienefachkräften, früher Gesundheitsbildung und durchsetzbaren Patient:innenrechten
Der morgige Dienstag, 17. September, ist der Welttag der Patient:innensicherheit. Diesen jährlichen Aktionstag hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eingeführt, um Empfehlungen für eine wirksame Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den Fokus zu rücken. Denn Patient:innen sollen darauf vertrauen können, dass bei der Gesundheitsversorgung keine vermeidbaren Fehler passieren. Für führende Expert:innen und die AUSTROMED, Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen, war das der Anlass für eine Pressekonferenz. Eingangs bedankte man sich für die unermüdliche Arbeit der Einsatzkräfte, um die Sicherheit für die Bevölkerung in Österreich angesichts der Unwetterlage zu gewährleisten. Sicherheit gehe immer vor. „Wir erwarten schon seit langem moderne gesetzliche Regelungen, um den Kampf gegen vermeidbare Infektionen im österreichischen Gesundheitswesen schlagkräftig führen zu können. Das künftige Regierungsübereinkommen sollte sich dringend der Stärkung der Prävention verschreiben. Gleichzeitig brauchen wir Gesundheitsbildung schon für die Kleinsten und Maßnahmen zur Ausbildung von Hygienefachkräften. Last but not least: Mehr und durchsetzbare Rechte für Patient:innen“, erklärten Prof. Dr. Ojan Assadian, MSc, DTMH, Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt, Dr.in Brigitte Ettl, ehemalige Ärztliche Direktorin der Klinik Hietzing und Präsidentin der Österreichischen Plattform Patient:innensicherheit, und Assoc. Prof.in PD.in DI.in Dr.in Miranda Suchomel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) und Professorin am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien, heute, Montag, unisono. Der Vorschlag der Expert:innen, um all diese Forderungen state-of-the-art zu realisieren: „Das neue Gesundheitsministerium sollte ehebaldigst eine Arbeitsgruppe ‚Krankenhaushygiene‘ einsetzen, die bundesweit verpflichtende Standards erarbeitet – für mehr Sicherheit und für mehr Ressourcen.“
PERSONALSCHLÜSSEL FÜR HYGIENEFACHPERSONAL VERBINDLICH EINHALTEN
„Wir laborieren in Österreich bundesweit daran, dass der Stellenwert des Hygienefachpersonals im Gegensatz zu anderen Industrieländern nicht ausreichend anerkannt wird. Der Einsatz von ausreichend Hygienefachpersonal ist zwar schon jetzt vorgeschrieben, wird in der Praxis aber oft nicht eingehalten. Es braucht Mindestanforderungen an die Krankenhaushygiene im Sinne eines verbindlichen Schlüssels für Hygienefachkräfte bzw. qualifiziertes professionelles Personal im Gesundheitsbereich“, so Assadian. Assadian zeigte sich besorgt: Für Patient:innen können die Folgen nosokomialer Infektionen von längeren stationären Aufenthalten über vermeidbare chirurgische Eingriffe bis zur Aufnahme auf der Intensivstation oder gar einer höheren Sterblichkeit reichen. „Wir sehen: Die Folgen für betroffene Menschen können dramatisch ausfallen. Rechtzeitig zu handeln vermeidet persönliches Leid und Kosten für das System. Zudem würden Bettenkapazitäten frei, die für andere Patient:innen dringend benötigt werden“, so der Ärztliche Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt.
Assadian verwies auf die in Kooperation mit dem IHS entstandene Studie „Krankenhauskosten von nosokomialen Infektionen in Österreich“ [1]. 38.500 nosokomiale Infektionen bedeuten 131.000 zusätzliche Behandlungstage in Krankenhäusern auf Normalstationen und insgesamt jährliche Mehrkosten in Höhe von 281 Millionen Euro. Neun Prozent der Intensivbelagstage, also knapp jedes zehnte Bett auf einer Intensivstation, entfallen derzeit also auf Patient:innen mit nosokomialen Infektionen. Bei der Auswertung wurde aber auch deutlich, dass mehr Transparenz in diesem Bereich notwendig ist. So war es auf Grund der mangelhaften Datenverfügbarkeit nur möglich, die direkten Kosten des stationären Bereichs darzustellen. „Jedenfalls ist klar: Wir brauchen in Österreich punkto Hygiene einen sinnvollen und geplanten Einsatz von Ressourcen. Um das evidenzbasiert umzusetzen, benötigen wir eine solide Erfassung und transparente Bereitstellung von Daten.“
HYGIENE IST KEINE NEBENBESCHÄFTIGUNG – PATIENTENSICHERHEIT GEHT UNS ALLE AN
Die Präsidentin der Österreichischen Plattform Patient:innensicherheit Ettl: „Es wird bei weitem nicht ausreichend getan, um das Infektionsrisiko zu minimieren und damit Leben zu retten.“ Ettl verwies auf das verursachte Leid: „Patient:innenschäden durch unerwünschte Ereignisse gehören wahrscheinlich zu den zehn häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung weltweit. Die meisten dieser Todesfälle und Verletzungen sind vermeidbar. Internationale Untersuchungen zeigen, dass etwa jede zehnte Person, die als Patient:in in einer Gesundheitseinrichtung behandelt wird, Schäden erleidet. Dabei sind mindestens 50 Prozent dieser Schäden vermeidbar.“ [2]
„Nur durch die verbindliche Umsetzung von Hygieneempfehlungen und einer wirksamen Kontrolle kann Patient:innensicherheit in Gesundheitseinrichtungen gewährleistet werden. Wir brauchen Hygieneteams mit qualifiziertem Fachpersonal in ausreichender Zahl. Hygiene als Nebenbeschäftigung brauchen wir nicht“, so Ettl. Patient:innensicherheit müsse auf allen Ebenen gelebt werden. Es bedürfe des täglichen Engagements aller im Gesundheitswesen, so Ettl.
Klare Worte fand Ettl zum Thema Patient:innenrechte: Bei Verdacht auf eine nosokomiale Infektion liegt es derzeit an Patient:innen bzw. deren Angehörigen zu beweisen, dass ein Fehlverhalten vorliegt, aus dem eine nosokomiale Infektion resultierte. „Dies ist im Regelfall enorm schwierig. Die Last der Beweisführung und der Schaden als Konsequenz einer nosokomialen Infektion liegen aktuell einseitig bei geschädigten Patient:innen.“ Auch zeigte sich Ettl „noch nicht zufrieden“ mit der Information der Patient:innen punkto Infektionsgeschehen in Krankenanstalten. „Es braucht Einheitlichkeit beim Monitoring und bei der Kommunikation. Gute Dokumentation sollte belohnt werden.“
PRÄVENTION UND GESUNDHEITSBILDUNG STÄRKEN – BUNDESEINHEITLICHES HYGIENE-CURRICULUM VERORDNEN
Suchomel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP), unterstrich, dass „Prävention, wie der Name schon sagt, vor dem zu vermeidenden Problem einsetzen muss. „Das Ziel muss sein, eine Therapie gar nicht erst notwendig zu machen. Schon kleine Kinder können im Rahmen von Gesundheitsbildung den Stellenwert von Hygiene kennenlernen. Die Realität ist aber eine andere: Selbst später im Bildungsverlauf wäre etwa im Rahmen des Medizinstudiums wieder ein stärkerer Fokus auf Hygiene als Disziplin sinnvoll“, konstatierte Suchomel.
Es fehle ein bundesweit einheitliches Curriculum für die Ausbildung zur Spezialisierung von Hygienefachkräften. Ein Vorschlag der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH) hierfür liege dem Gesundheitsministerium und der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) vor, stellten Assadian und Suchomel klar. „Seit über sieben Jahren fehlt die Verordnung des Bundes, die eine gesetzeskonforme Ausbildung erst möglich macht. Mit der zu erwartenden Pensionierung zahlreicher Hygienefachkräfte wird sich das Problem bald noch zusätzlich verschärfen“, schloss die ÖGHMP-Präsidentin. (Schluss) me
Quellen:
[1] Vgl. Website vom 5. September 2024: https://www.krankenhauskeime.at/#positionspapier
[2] Vgl. Website vom 5. September 2024: https://www.who.int/health-topics/patient-safety#tab=tab_2
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Mag. Michael Eipeldauer
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