Nationalrat: Verschärfung des Qualzuchtverbots bei Heimtieren und Sachkundenachweise für die Haltung von Hunden und exotischen Tieren
Nationalrat: Verschärfung des Qualzuchtverbots bei Heimtieren und Sachkundenachweise für die Haltung von Hunden und exotischen Tieren
Opposition beklagt „Zweiklassentierschutz“ und Überbürokratisierung
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde heute im Nationalratsplenum eine umfassende Tierschutzgesetznovelle beschlossen, die vor allem eine Verschärfung des Qualzuchtverbots für Heimtiere bringt. Überdies wird ab 1. Juli 2026 ein verpflichtender Sachkundenachweis für die Haltung von Hunden und Amphibien, Reptilien und Papageienvögel verankert, der durch die Absolvierung eines Kurses im Ausmaß von mindestens vier Unterrichtseinheiten nachzuweisen ist. Bei Hunden ist zusätzlich eine zweistündige Praxiseinheit vorgeschrieben.
Ein mitangenommener Abänderungsantrag soll für eine bessere Datenlage bei aus dem Ausland vermittelten Hunden sorgen. Ferner soll sichergestellt werden, dass Viehmärkte sowie landwirtschaftliche Tierauktionen und Nutztierschauen, die unter veterinärbehördlicher Aufsicht stehen, weiterhin von einer Bewilligungspflicht befreit sind.
Ebenso in der Fassung eines Abänderungsantrags passierte das Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz) den Nationalrat. Das von ÖVP, Grünen und NEOS unterstützte neue Berufsrecht für alle MTD-Berufe soll ab 1. September 2025 in Kraft treten.
Mehrheitlich beschlossen wurde weiters die Novellierung des EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetzes, das primär der Umsetzung von EU-Recht und dabei vor allem der Verordnung zur biologischen Produktion dient. Im Zuge dessen wird das Bundesamt für Verbrauchergesundheit (BAVG) mit zusätzlichen Aufgaben betraut.
RAUCH: WIRKSAMES VERBOT VON QUALZUCHT UND BEKÄMPFUNG DES ILLEGALEN WELPENHANDELS
Mit dem neuen Gesetz soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Haus- und Heimtiere einen besonderen Schutz benötigen und dass mit der Haltung eine große Verantwortung verbunden sei, betonte Bundesminister Johannes Rauch. Die verpflichtende Absolvierung von Kursen vor dem Kauf von Tieren hätten die Tierschützer:innen schon seit vielen Jahren gefordert. Außerdem werde Qualzucht wirksam verboten und illegaler Welpenhandel bekämpft, hob der Minister hervor.
OPPOSITION VERMISST REGELUNGEN FÜR NUTZTIERE UND LÖSUNGEN BEI DEN THEMEN VOLLSPALTENBÖDEN UND TIERTRANSPORTE
Die Vertreter:innen der Opposition wiederholten ihre schon im Gesundheitsausschuss geäußerte Kritik, die sich vor allem auf die Beschränkung des Gesetzes auf Heimtiere richtete. Noch immer ausständig sei zudem eine Lösung in der Frage des Verbots von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung, da der Verfassungsgerichtshof die lange Übergangsfrist bis 2040 als nicht gerechtfertigt eingestuft hatte. Die entsprechende Bestimmung im Tierschutzgesetz wurde daher mit 1. Juni 2025 aufgehoben.
Im Gegensatz zu den Regierungsfraktionen sahen die oppositionellen Redner:innen zahlreiche Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens als nicht umgesetzt an.
WEITERE ECKPUNKTE DES GESETZES: KOMMISSION, TIERQUÄLEREI UND HUNDEAUSBILDUNG
Eine neu einzurichtende wissenschaftliche Kommission, die unter anderem mit Expert:innen aus den Gebieten der Veterinärmedizin, der Genetik und der Ethik besetzt sein wird, soll in Hinkunft den zuständigen Minister beraten und die Programme zur Vermeidung von Qualzucht beurteilen. Nach Anhörung der Kommission kann der Ressortchef per Verordnung etwa besonders mit Qualzuchtsymptomen belastete Rassen auch ganz von der Zucht ausschließen. Generell legt er auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse den Rahmen fest, der die Zuweisung von Qualzuchtsymptomen und -merkmalen zu passenden Diagnosen und deren Interpretationen ermöglicht.
Das Verbot der Verbringung von Hunden ins Ausland zur Vornahme von in Österreich verbotenen Eingriffen wird auf alle Tiere ausgedehnt. Strafbar ist auch, wer Tiere vor dem artspezifischen Absetzalter vom Muttertier trennt, erwirbt oder durch einen anderen erwerben lässt; dies gilt auch dann, wenn der Erwerb im Ausland erfolgt. Diese Bestimmung zielt darauf ab, den illegalen Handel mit Hundewelpen zu erschweren. Ferner werden dem Verbot der Tierquälerei weitere Tatbestände hinzugefügt, und zwar insbesondere bei Vögeln und Reptilien vorkommende Symptome. So wird etwa bei Vögeln das teilweise Fehlen des Federkleides nur bis zu einer Obergrenze von 10 % toleriert. Strengere Vorgaben gibt es auch im Zusammenhang mit der Ausbildung von Hunden.
OPPOSITION BEKLAGT ENTWICKLUNG HIN ZU EINEM „ZWEIKLASSENTIERSCHUTZ“
Nach Auffassung von Rudolf Silvan und Dietmar Keck (beide SPÖ) verdiene das Gesetz seinen Namen nicht, da es keine Regelungen für Nutztiere enthalte. Außerdem müssten die Verschärfungen im Bereich der Qualzucht erst auf dem Verordnungsweg umgesetzt werden, gab Silvan zu bedenken. Er wies ferner darauf hin, dass zum ursprünglichen Entwurf über 850 Stellungnahmen eingelangt seien, wobei kaum eine positiv ausgefallen sei. Nun wurde auch noch fünf Minuten vor der Sitzung ein Abänderungsantrag eingebracht, der die landwirtschaftlichen Nutztiere wieder ausnehme, kritisierte Keck. Seiner Einschätzung nach seien viele Regelungen nicht verfassungskonform, weshalb er mit einer neuerlichen Klage rechne.
Katharina Werner (NEOS) beklagte, dass es in Österreich de facto einen Zweiklassentierschutz gebe. Dies belege auch der heute eingebrachte Abänderungsantrag, der abermals Ausnahmen für die Landwirtschaft enthalte. Aufgrund der vielen in der Novelle enthaltenen Vorschriften, frage sie sich zudem, ob das Gesetz exekutierbar sei. Positiv beurteilte sie jedoch die Einrichtung einer wissenschaftlichen Kommission zur Umsetzung des Qualzuchtverbots, weil dies Grundlage für evidenzbasierte Diskussionen sei.
Sehr unzufrieden mit der Novelle zeigte sich der freiheitliche Mandatar Alois Kainz, da sich am Schutzniveau für die Tiere nichts geändert habe. Besonders missfiel ihm die bürokratische Ausgestaltung des Gesetzes sowie die vielen Verordnungsermächtigungen für den Minister. „Gut gemeint ist der größte Feind von gut gemacht“, resümierte Kainz.
NEUES TIERSCHUTZGESETZ IST VORBILDHAFT IN EUROPA
Für Abgeordnete Faika El-Nagashi von den Grünen handelt es sich um eine der weitreichendsten Tierschutzgesetznovellen, die auf den Forderungen des von 400.000 Menschen unterstützten Tierschutzvolksbegehrens basiere. Da nicht nur ein neuer Standard im Zuchtwesen gesetzt, sondern auch ein Systemwandel bei der Bekämpfung von Qualzucht eingeleitet werde, sei es aus ihrer Sicht vorbildhaft in Europa. Wer wissentlich oder fahrlässig Tiere züchte, deren Leben von Schmerzen und Qualen geprägt sei, werde das künftig nicht mehr machen können. Für all jene verantwortungsvollen Züchter:innen, die sich schon jetzt an die Vorgaben hielten, würde sich jedoch nichts verändern, betonte sie.
Ein Meilenstein des neuen Gesetzes sei die Einrichtung einer wissenschaftlichen Kommission, die unter anderem die Tauglichkeit eines gesamten Zuchtprogramms bewerten werde. Weiters hob El-Nagashi den Sachkundenachweis für Hunde und exotische Tiere hervor. Dadurch sollen unüberlegte Spontankäufe und Tierhaltungen möglichst unterbunden werden. Ebenso enthalten ist ein Haltungsverbot von Kamelen und Büffeln in Zirkussen.
Er könne die kritischen Stellungnahmen zum Großteil nicht nachvollziehen, erklärte Josef Hechenberger (ÖVP), zumal etwa die Nutztiere schon in der letzten Novelle miteinbezogen wurden. Wichtig war seiner Fraktion, dass in den Beiräten der wissenschaftlichen Kommission auch Vertreter:innen der Zuchtorganisationen sitzen werden. Für wichtig hielt er die Einführung von Sachkundenachweisen, damit den Halter:innen bewusst gemacht werde, welche Verantwortung sie haben. Seine Fraktionskollegin Angela Baumgartner (ÖVP) ging noch einmal detailliert auf die Eckpunkte des Entwurfs ein. So führte sie beispielsweise an, dass Züchter:nnen bei der Überschreitung von bestimmten Grenzwerten eine Bewilligung brauchen. Dies gelte dann, wenn pro Jahr mehr als zwei Würfe Hundewelpen oder drei Würfe Katzenwelpen abgegeben werden.
NACH 32 JAHREN: NEUE RECHTLICHE GRUNDLAGEN FÜR MTD-BERUFE
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wollen ÖVP und Grüne die nichtärztlichen Gesundheitsberufe aufwerten und stärken. Das bestehende Gesetz stammt aus dem Jahr 1992. Einig waren sich im Plenum alle Parteien, dass es einer Überarbeitung bedarf. Dennoch stimmten FPÖ und SPÖ nicht zu.
Im Fokus der Novelle steht vor allem die zeitgemäße Gestaltung der Berufsbilder und der Einsatzbereiche der Angehörigen der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Berufe), das sind Physiotherapeut:innen, Biomedizinische Analytiker:innen, Radiologietechnolog:innen, Logopäd:innen, Diätolog:innen, Ergotherapeut:innen und Orthoptist:innen, wie Minister Johannes Rauch aufzählte.
Für Philip Kucher (SPÖ) geht die Novelle nicht weit genug, er forderte weitreichendere Maßnahmen nach internationalem Vorbild. Kritik übte er auch daran, dass die Angehörigen der Gesundheitsberufe nicht mitreden dürften, der Wirtschaftskammer nun aber ein Anhörungsrecht gegeben werde. „Das ist reine Lobbypolitik, das hat nichts mit der Weiterentwicklung des Berufsbild zu tun“, so Kucher, deshalb sei man aus „voller Überzeugung“ dagegen, dass das Gesetz in dieser Form novelliert werde.
Ralph Schallmeiner (Grüne) entgegnete auf die Kritik, dass die SPÖ 32 Jahre lang Zeit gehabt hätte, das Gesetz zu novellieren. „Wir machen die Dinge, die längst notwendig sind“, so der Grünen-Nationalrat. Es würden die Kompetenzbereiche aktualisiert, Höherqualifizierungen durch Sonderausbildungen im tertiären Bereich geschaffen, die Qualitätssicherung neu aufgestellt und Arznei- und Medizinprodukte künftig eigenverantwortlich weiterverordnet werden dürfen, zählte Schallmeiner auf.
Details für die Aus- und Weiterbildung sind laut Vorlage per Verordnung durch den Gesundheitsminister festzulegen, dasselbe gilt für die Festlegung, welche Medikamente und Medizinprodukte in welchen Bereichen weiterverordnet werden dürfen. Diesen Punkt kritisierte Gerhard Kaniak (FPÖ), der sich „enttäuscht“ über die „unvollständige Novelle“ zeigte. In Richtung Gesundheitsminister Rauch meinte er: „Was vorliegt, ist mit haufenweise Verordnungsermächtigungen für Sie versehen. Das schafft Unvorhersehbarkeit.“ Niemand wisse, ob Rauch nach der Wahl noch da sei, es werde ein Vakuum geschaffen.
„Nach Monaten der Geheimverhandlungen“ liege ein Vorschlag auf dem Tisch, an dem noch bis zur letzten Sekunde „herumgedoktert“ worden sei. Damit spielte Kaniak auf den kurzfristig eingebrachten Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen an, der unter anderem die Abgabe von durch diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen (weiter)verordneten Arzneimitteln in der Apotheke erlauben soll. Weil Apotheker:innen weiterhin keine Rezepte ausstellen dürften, es aber nun für Angehörige der MTD-Berufe und Pflegepersonal möglich sein soll, ortet der FPÖ-Nationalrat eine „Geringschätzung des Apothekerberufs“. Er brachte einen Rückverweisungsantrag zum Gesundheitsausschuss ein, um „nicht auf den letzten Drücker vor der Wahl irgendetwas durchzubringen, sondern etwas, das den Betroffenen Sicherheit gibt“.
Josef Smolle (ÖVP) schilderte daraufhin seine persönlichen Erfahrungen im Bereich der biomedizinischen Analytik in den 1990er-Jahren und begründete damit, warum es notwendig sei, einen neuen Rahmen zu schaffen. Es werde nun der rechtliche Rahmen gegeben, damit die Angehörigen der sieben MTD-Berufsgruppen die Kompetenzen hätten, ihrer Ausbildung gerecht zu werden.
NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler hingegen begrüßte es, dass die Regierung es noch geschafft habe, eine Reform zusammenzubringen. Sie bezeichnete die Inhalte als Schritte, doch die Berufsgruppen würden noch mehr Selbstständigkeiten brauchen. Deswegen brachte Fiedler im Zuge der Sitzung auch einen Abänderungsantrag ein. Sie schlug etwa vor, dass alle Berufsgruppen an ELGA angebunden werden sollten. Anknüpfend an das Apothekengesetz, sollten laut Abänderungsantrag auch Apotheker:innen Impfungen durchführen können.
Gesundheitsminister Johannes Rauch betonte abschließend: „Unterm Strich bin ich sehr froh, dass das Gesetz heute zur Beschlussfassung vorliegt.“
Nationalratspräsidentin Doris Bures ließ über den Gesetzesantrag samt Abänderungsanträgen und Rückverweisungsantrag ob der späten Einbringung der Abänderungsanträge und der fehlenden Vorbereitungszeit erst nach drei weiteren Tagesordnungspunkten abstimmen. Der Antrag auf Zurückweisung zum Gesundheitsausschuss durch die FPÖ wurde genauso wie der NEOS-Antrag abgelehnt. Fortsetzung Nationalrat) sue/map
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