Goldenes Ehrenzeichen des Landes Wien für Kunsthistorikerin Hammer-Tugendhat und Kulturwissenschaftler Strouhal

Goldenes Ehrenzeichen des Landes Wien für Kunsthistorikerin Hammer-Tugendhat und Kulturwissenschaftler Strouhal

Wiens Kulturstadträtin Kaup-Hasler lobte Lehre des differenzierenden Blicks und das Engagement für eine solidarische Gesellschaft der Ausgezeichneten

Am Freitagnachmittag verlieh Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Namen des Bürgermeisters Michael Ludwig im bis auf den letzten Platz gefüllten Wappensaal des Wiener Rathauses der Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat und dem Autor und Kulturgeschichtsforscher Ernst Strouhal das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien.

Neben den Laudator*innen, Johanna Schwanberg, Kunsthistorikerin, österreichische ICOM-Präsidentin und Direktorin des Dom Museum Wien sowie dem Kulturwissenschaftler und Philosophen Thomas Macho, den Familien der Ausgezeichneten, zahlreichen Freund*innen und Weggefährt*innen, wohnten der Ehrung u.a. Bundesministerin a.D. Hilde Hawlicek, Nationalratsabgeordnete Eva Blimlinger, die Vizerektorin der Universität für angewandte Kunst Brigitte Felderer, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien Barbara Staudinger sowie Publizist und Künstler Ernst Bronner bei. Musikalisch gestaltet wurde die Ehrung vom Art4Strings-Streichquartett, das Klassiker der Popmusik wie Neil Diamonds „I’m a believer“ und „Reach“ von S Club 7 interpretierte.  

KAUP-HASLER: HAMMER-TUGENDHAT HAT AN EINEM NEUEN SEHEN GEARBEITET, STROUHAL IN DER WISSENSCHAFT NEUE ZUGÄNGE ZUR ALLTAGSKULTUR GESCHAFFEN

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler hob in ihrem Dank an die Pionierin der Geschlechterforschung in der Disziplin der Kunstgeschichte hervor, Daniela Hammer-Tugendhats habe in der Beforschung der männlich dominierten Konstruktion von Bildern, „an einer Neuordnung, ja an einem Neuen Sehen gearbeitet und dafür gesorgt, dass sich dieser stets kritische, stets differenzierende und feministische Blick in der nächsten Generation wiederfindet. “ Kaup-Hasler dankte für das Engagement der Wissenschaftlerin, „sich klar gegen ein vereinfachtes dichotomes Denken zu stellen, gegen schnelle Zuschreibungen und den Mangel an Zuhören. Denn das hat in unsere Zeit eine Dominanz bekommen, die demokratiegefährdend ist und unser Zusammenleben gefährdet. Die Fähigkeit zum differenzierenden Denken wird durch Menschen wie Daniela Hammer-Tugendhat geschärft.“

Ernst Strouhal, habe als Kulturwissenschaftler auf Dinge hingewiesen, die nicht im Blick des Mainstreams enthalten sind, etwa auf die gesellschaftlichen Dimensionen des Spiels. „Als Lehrender hat Ernst Strouhal neue Horizonte eröffnet in der Beforschung von Alltagsgeschichte.“ Kaup-Hasler dankte Strouhal für das große, intellektuelle Spektrum, dass du in deiner Arbeit abgesteckt hast und ebenso für sein stetes Engagement für eine solidarische und bessere Gesellschaft.“  

 LAUDATORIN SCHWANBERG: INNOVATIVE KUNSTHISTORIKERIN, LEIDENSCHAFTLICH LEHRENDE UND KRITISCHE ZEITGENOSSIN

Laudatorin Johanna Schwanberg, strich in ihrer Rede heraus, Daniela Hammer-Tugendhat sei eine Pionierin der feministischen Kunstwissenschaft, gefeiert wie ein Popstar. Denn „ihre Bildanalysen machen die Welt in aller Komplexität, Schönheit, Grausamkeit und Widersprüchlichkeit erfahrbar. Ihre Forschungen sind für die Gesellschaft so bedeutsam, weil sie vor Augen führt, dass Bilder die Wirklichkeit entscheiden mitkonstituieren“ und ebenso „Kunst, Dinge visualisieren kann, die von der Gesellschaft verdrängt oder ausgeblendet werden“.  Schwanberg weiter: „Daniela Hammer-Tugendhat hat das intellektuelle Leben Wiens, ja des Kulturlandes Österreich bereichert: als innovative Kunsthistorikerin, glasklar formulierende Autorin, das Publikum fesselnde Vortragende, als leidenschaftlich Lehrende und stets politisch engagierte, kritische Zeitgenossin.“

THOMAS MACHO: STROUHAL DENKT IM SPAZIEREN

Ernst Strouhals Laudator Thomas Macho, gab einen Abriss über das ausführliche publizistische und forschende Werk des Ausgezeichneten zur Kulturgeschichte des Spiels und der Geschichte der Zauberei und der Bühnenmagie. Macho beschrieb Strouhals eindringliche Art des Schreibens, sein Einfangen spannender Welten in Werken, die so komplex sind, dass man ihnen ganze Vorlesungen widmen könne. Insbesondere strich Macho Ernst Strouhals „Denken im Spaziergang“ hervor: In dessen zeitgeschichtlichem Roman „Vier Schwestern. Fernes Wien, fremde Welt“ würden sich dabei bildhafte Beschreibungen der Stadt mit politischen Fragen zu Zeit und Identität verweben. Strouhal sei in seinem Tun ein unermüdlich Suchender nach neuen Erlebnissen und Spielen, die Langeweile und Melancholie vertreiben.

HAMMER-TUGENDHAT MAHNTE IN IHREM DANK EIN, AMBIGUITÄTEN DARZUSTELLEN UND KONTEXTE ZU BERÜCKSICHTIGEN

Daniela Hammer-Tugendhat strich in ihren Dankesworten heraus, dass die die Ehrung auch als „Anerkennung einer alternativen Kunstgeschichte, für die ich mich Jahrzehnte eingesetzt habe, begreift. Für eine Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft, die die Kunst immer im gesellschaftlichen Kontext sieht, als aktive Beteiligung und zugleich Bildung unserer Wirklichkeit.“ Die Bedeutung der Künste, so die Geehrte weiter, „liegt in der Komplexität der Erfahrung, in der Möglichkeit unendlich komplizierte Verhältnisse in menschlichen Beziehungen, aber auch in gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in ihrer Ambiguität und mit allen oft nicht auflösbaren Widersprüchen darzustellen und erfahrbar werden zu lassen.“ Abschließend sagte Hammer-Tugendhat, die Bedeutung des die Kontexte berücksichtigenden Blicks, gehe „gerade in einer Zeit in der sich auch bei uns der politische Diskurs immer weiter radikalisiert und sich immer häufiger zwei Seiten unversöhnlich gegenüberstehen, weit über die Analyse von Kunst hinaus. Als Jüdin bin ich bezüglich der Katastrophe, die sich in Israel und Gaza abspielt besonders sensibilisiert. Diese Tragödie ist in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit nur annähernd zu verstehen, wenn man weit in die Geschichte zurückgeht und alle beteiligten Seiten in ihrem jeweiligen Kontext zu begreifen sucht.“

STROUHAL: PRÄZISE SPRACHE, WISSEN UND GESCHICHTE SIND DIE BESTE OPTION GEGEN BARBAREI

Ernst Strouhal nutzte seine Dankesworte auch dazu, an drei Wiener Biografien zu erinnern, die „sich Verdienste erworben haben, um diese Stadt, heute aber leider vergessen sind“. Strouhal nannte Widerstandskämpferin Anni Haider, die an den Februarkämpfen 1934 beteiligt. Ebenso erinnerte er an Maria Toppeiner, eine Arbeiterin, die Kriegsgefangene, die in den letzten Kriegswochen von den Nazis für den Hungertod bestimmt waren, unter Lebensgefahr mit Brotlaiben versorgt hat. Und Strouhal sprach über Maxl Stern, einen Wiener Taxler und Widerstandskämpfer, der gegen die Austrofaschisten, gegen die Faschisten in Spanien und gegen die Nazis gekämpft hat. „In Erinnerung an diese Drei sollten wir uns fragen, warum wir das alles tun. Hoffentlich, damit sich die Geschichte in dieser Stadt nicht wiederholt. Leider Gottes sind präzise Sprache, Wissen und Geschichte kein Garant gegen Barbararei, wie die jüngste Geschichte gezeigt hat. Sie sind aber, denke ich doch, die beste Option dagegen.“

KURZBIOGRAFIE DANIELA HAMMER-TUGENDHAT

Daniela Hammer-Tugendhat wurde 1946 in Caracas geboren, wohin ihre Eltern Grete und Fritz Tugendhat vor dem NS-Terror geflüchtet waren. 1950 kehrte die Familie nach Europa zurück und ließ sich in St. Gallen nieder. Sie studierte ab 1964 Kunstgeschichte und Klassische Archäologie an der Universität Bern, wechselte 1968 an die Universität Wien und dissertierte 1975 zu Hieronymus Bosch.
Es folgte ein Lehrauftrag an der damaligen Hochschule für Angewandte Kunst. Frauen- und Genderfragen liegen im Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit, ein Bereich in dem sie 1993 in Oldenburg und 1994 in Wien habilitierte. Von 1998 bis zu ihrer Emeritierung 2012 war sie außerordentliche Professorin an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, ist aber nach wie vor als Honorarprofessorin tätig. Ihr Engagement für feministische Anliegen, ging weit über ihre unmittelbare wissenschaftliche Tätigkeit hinaus: Sie wirkte daher bei Initiativen zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft mit, organisierte Tagungen und Forschungsprojekte.

Anne Katrin Feßler
Mediensprecherin StRin Mag.a Veronica Kaup-Hasler
+43 1 4000 – 811 91
annekatrin.fessler@wien.gv.at

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