55. Wiener Gemeinderat (3)
55. Wiener Gemeinderat (3)
Aktuelle Stunde
GR Felix Stadler, BSc, MA (GRÜNE) warnte vor „schnellen und polemischen Lösungen“ bei diesem Thema. Der Religionsunterricht spiele für viele Schüler*innen und Menschen eine große Rolle. Es gelte über und von Religionen zu lernen und sich auszutauschen – aber nicht darum an den Schulen und in den Klassen zu beten – die Religionsausübung sei Privatsache. Stattdessen sollten alle Schüler*innen einen Ethikunterricht bekommen. Der Religionsunterricht müsse staatlich kontrolliert werden, die Fachaufsicht müsse „weg von den Religionsgemeinschaften hin zum Staat“. Viele Kinder die in Wien geboren wurden könnten dem Unterricht wegen fehlender Deutsch- und Sprachkenntnisse nicht folgen, sagte Stadler. Außerdem gebe es in bestimmten Gruppen „Ablehnungstendenzen“ zum Beispiel gegen LGBTIQ-Personen. Diesen zwei Herausforderungen könnten durch Durchmischung an den Schulen begegnet werden, argumentierte Stadler. In homogenen Gruppen würden sich Vorurteile verstärken. Außerdem brauche es eine aktive Wertevermittlung an den Schulen – nicht in einem Fach, sondern als Bestandteil in allen Fächern, die in der Schule gelehrt werden. Schüler*innen müsste das Gefühl mitgegeben werden, Teil der Gesellschaft zu sein und sie auch teilhaben lassen, „dann würden viele antidemokratische Haltungen weniger werden“, war Stadler überzeugt.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) meinte, es gehe darum, „wie gestalten wir unser Zusammenleben“ – es gelte zu bestimmen, „wo die Regeln für das Zusammenlebens herkommen“. Eine Gesellschaftsordnung mit christlich-jüdischen Wurzeln, „die durch die Aufklärung und ganz viele Revolutionen gegangen ist“ treffe ein ganz anderes System, sagte Hungerländer, nämlich auf „die islamische Religion und orientalische Kultur“. Diese habe eine völlig andere Tradition den Menschen, die Gesellschaft und die Relation zu Gott zu sehen, so Hungerländer. Religion und Staat würden anders als in christlich geprägten Gesellschaften nicht getrennt, die menschliche Würde und Gleichheit an Rechten werde anders gelebt als im Christentum, kritisierte Hungerländer. Diese Unterschiede seien einfach nicht wegzuleugnen. Auch der Laizismus basiere schlussendlich auf der christlich-jüdischen Tradition, meinte Hungerländer. Tradition und Religion, die eine Person seit der Kindheit geprägt hätten, seien nicht mit einem schnippen der Finger abzulegen, sagte Hungerländer. Sie forderte eine authentische Koranübersetzung und eine Offenlegung der Islam-Lehre an der Schule. Punkte, die nicht mit Demokratie und Rechtsstaat unvereinbar seien, müssten angesprochen werden.
GRin Dr. Mireille Ngosso (SPÖ) sagte, Ehrlichkeit, Solidarität und Empathie seien keine ausschließliche Wiener Errungenschaft, sondern auch in anderen Kulturen vertreten. Vielfalt würde die Gesellschaft bereichern. In einer globalisierten Welt gebe es Herausforderungen, auch an Schulen. Es gelte, dass Kinder, die zu uns kommen auch die besten Chancen und wo nötig die beste Unterstützung bekommen. Bildung sei der Schlüssel zur Partizipation und Integration in die Gesellschaft. Sie verwies auf das Projekt „Respekt“ an Wiener Schulen, das sich genau dieses Ziel gesetzt habe. Es fördert das respektvolle Miteinander an Schulen und richtet sich sowohl an Schüler*innen sowie an Eltern und Lehrer*innen, bei der Wertevermittlung müsse die gesamte Gesellschaft angesprochen werden: „Jeder von uns trägt dazu bei, dass die Werte für ein gelungenes Miteinander funktionieren“, sagte Ngosso.
Im Anschluss an die „Aktuelle Stunde“ wurde Gemeinderat Dr. Mag. Michael Trinko (SPÖ) als neues Mitglied im Gemeinderat angelobt. Er folgt Gemeinderat Andreas Höferl nach, der auf sein Mandat verzichtet.
SACHKREDITGENEHMIGUNG FÜR DAS VORHABEN „ZWIDEWIE – 1. BAUTEIL“ FÜR DIE JAHRE 2024 UND 2025 (UMGESTALTUNG NASCHMARKT-PARKPLATZ)
GR Anton Mahdalik (FPÖ) kritisierte, dass es mit dem Wiener Naschmarkt – eine einstige Institution, so der FPÖ-Gemeinderat – „kontinuierlich bergab“ gehe. Der Markt verkomme zu einer austauschbaren „Fressmeile“, die Standln würden das ewig gleiche Angebot bieten. Er warf der Stadträtin Ulli Sima vor sich mit dem Projekt „ein Denkmal“ setzen zu wollen. Das Projekt steuere auf dasselbe Ergebnis zu wie die nie umgesetzte neue 48er-Zentrale die als „riesige feuerverzinkte Mülltonne“ gestaltet werden sollte. Er kritisierte den Verlust von mehr als 300 Parkplätzen am Naschmarkt-Areal, die im dicht Verbauten Mariahilf und Margareten vermisst werden würden. Der neue überdachte Markt werde viel Geld verschlingen aber die neue Halle werde den Charakter des Naschmarkts und anschließenden Flohmarkt „zerstören“, war sich Mahdalik sicher. Das Projekt sei nicht nachhaltig und „nur vom Kampf gegen die Autofahrer getragen“, so der FPÖ-Gemeinderat. Er werde sich weiter für alternative Entwürfe für den Platz einsetzen, versprach Mahdalik.
GRin Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) betonte die Entsiegelung die mit dem Umbau einhergehe. Aus einer Hitzeinsel würde eine kühle Grün-Oase: „Es wird ein Aufenthaltsraum für Menschen statt einer Abstellfläche für Autos.“ Es handle sich um die größte innerstädtische Fläche die noch nicht verbaut ist und daher wichtig für das Ziel der Stadt Wien „Raus aus dem Asphalt“ zu kommen und Klima-Anpassungsmaßnahmen anzugehen. Arapovic verwies außerdem auf die Bürger*innenbeteiligung rund um die Umgestaltung des Platzes; der Naschmarkt-Parkplatz könne zu einem Musterprojekt für ähnlich Entsiegelungen und Schaffung neuer Grünflächen werden, so Arapovic. Der erarbeitete Masterplan und die daraus resultierende Entwürfe hätten sich ausgiebig auch mit der Umgebung des Naschmarktes beschäftigt. Teil der Planungen sei auch eine überdachter und damit ganzjährig nutzbarer Marktraum am sogenannten Landparteienplatz, außerdem seien Begrünung und Entsiegelung der Flächen am Parkplatz vorgesehen, erklärte Arapovic. Das „durchaus umfangreiche Projekt“ werde in zwei Bau-Etappen umgesetzt. Sie verwies auf den Erfolg der Wiener Märkte die vor kurzem einen neuen Besucher*innen-Rekord gefeiert hätten. Neben Erleichterungen bei der Bürokratie für die Marktstandler*innen würden auch Umgestaltungen die Attraktivität der Wiener Märkte weiter steigern.
StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) beschrieb den Naschmarkt-Parkplatz als „riesiger Hitzepol“ der sich auf über 40 Grad im Sommer aufheizen würde. Er freute sich auf den neuen Naschmarkt-Park der den Parkplatz ersetzen wird. Die Grünen hätten sehr viel Gegenwind bei dem Projekt erfahren, zum Beispiel sei behauptet worden es sei keine Pflanzung von Bäumen möglich. „Die Bäume kommen jetzt“, konterte Kraus, ebenso Wasserspiele und kühlende Grünflächen; auch der Flohmarkt bleibe bestehen. Das Projekt würde „breit von den Anrainer*innen unterstützt“ und brächte eine deutliche Verbesserung für das Grätzl. Er verwies auf zahlreiche Bürger*innen-Petitionen zum Thema, die einen Park und keine Halle gefordert hätten. Er kritisierte, dass nach wie vor eine Halle geplant sei; die Pläne dazu würden aber weitgehend geheim gehalten. „Das bereitet mit nach wie vor Kopfzerbrechen“, sagte Kraus. Jedenfalls sei das Projekt aber ein Schritt für mehr Grün und Natur in der Stadt – ganz im Sinne der jüngst verabschiedeten EU-Renaturierungsverordnung – und damit fände es die Unterstützung der Grünen. Als nächstes müsse die Renaturierung des Wienflusses stadtauswärts angegangen werden, schloss Kraus.
GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP) meinte, die Rolle der Opposition sei es, „sehr kritisch auf Projekte der Stadtregierung hinzuschauen“ – eben auch auf das Naschmarkt-Projekt. Die kritischen Punkte würden über die positiven Aspekte überwiegen. Die Debatte um eine Markthalle gebe es schon seit Jahren. Eine Markthalle für Wien sei eine Bereicherung und ein „Attraktor“ für die Märkte und heimische Produkte; der Standort beim Naschmarkt sei aber nicht der Richtige. Der Nachmarkt sei bereits sehr gut besucht, andere Märkte würden mehr von der Belebung durch eine Halle profitieren. Die Begrünung im innerstädtischen Gebiet hingegen sei zu begrüßen, auch wenn noch Fragen rund um die Flohmarkt-Logistik offen seien, wenn die Flohmarkt-Standler*innen nicht mit dem Auto zufahren können. Sie kritisierte mangelnde Information der Opposition durch die Stadtregierung rund um das Projekt, im zuständigen Ausschuss seien nur vage Pläne präsentiert worden und nur ein Pauschalbetrag statt aufgeschlüsselter Kosten für den Umbau präsentiert worden, so Olischar. Statt Information zu bieten würde die Opposition „angerotzt“ sich selbst Informationen zu beschaffen, so Olischar.
GR Erich Valentin (SPÖ) konterte seinen Vorredner*innen: Der Naschmarkt-Parkplatz sei einer Weltstadt nicht würdig; es sei klar, dass die Stadt von einer neuen Markthallte oder neugestalteten Markt profitieren werde. Er ließ den Vorwurf nicht gelten, dass die Stadträtin sich mit einem großen Wurf ein Denkmal habe setzten wollen, große Würfe für die Stadt zu schaffen sei der Anspruch eines jeden Politikers. Beim Naschmarkt würden viele Interessen aufeinandertreffen, deshalb sei das Verfahren zur Umgestaltung auch sehr breit aufgesetzt worden und dabei auch die Anrainer*innen einbezogen worden, betonte Valentin. Er konterte auch dem Vorwurf, „schleißige Unterlagen“ geliefert zu haben: Der durchaus umfangreiche Masterplan sei offengelegt worden, so Valentin, auch seien die Planungen immer offen und transparent vorangetrieben worden. Der Wunsch der Anrainer*innen und Stadtbewohner*innen sei es gewesen, dass der Platz „klimafit“ gemacht werde, das sei auch passiert und alle Wünsche bestmöglich umgesetzt – Stichwort Bäume über dem Wienfluss-Gewölbe. Auch werde mit dem neuen „Marktraum“ ein neues Tor zum Naschmarkt geschaffen, so Valentin. Die Märkte in Wien seien vielfältig, die Bandbreite reiche von Bobo-Märkten und Edel-Märkte bis hin zu Märkten, die echte soziale Nahversorger*innen sind, vor allem für Familien mit kleinem Budget die es sich hier leisten können für die ganze Woche Gemüse einzukaufen. „Wir haben uns um alle Märkte gleich gekümmert“, sagte Valentin. Er verwies auf die Einführung von „Kernöffnungszeiten“ auf für Stände oder Events wie die „Lange Nacht der Märkte“. All das habe dazu geführt, dass die Märkte in der ganzen Stadt an Attraktivität gewonnen hätten. (Forts.) ato
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