Gleichbehandlungsausschuss: Hebammenbeistand bei Fehlgeburten nach der 18. Schwangerschaftswoche

Gleichbehandlungsausschuss: Hebammenbeistand bei Fehlgeburten nach der 18. Schwangerschaftswoche

Ab September soll es Hebammenbetreuung auch bei späten Fehlgeburten geben

Frauen, die in einer fortgeschrittenen Phase der Schwangerschaft eine Fehlgeburt erleiden, haben derzeit – anders als bei sogenannten Totgeburten (über 500 Gramm) – keinen Anspruch auf Unterstützung durch eine Hebamme. Dies soll nun auf Basis eines einstimmigen Beschlusses im Gleichbehandlungsausschuss geändert werden. Entsprechende Änderungen im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, Bauern-Sozialversicherungsgesetz und Beamten-Kranken- und Unfallgesetz, sollen mit 1. September 2024 in Kraft treten.

Einstimmig sprach sich der Gleichbehandlungsausschuss auch für die Ratifizierung der Konvention 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO), dem “Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt” aus.

Zahlreiche Oppositionsanträge wurden – teils zum wiederholten Male – vertagt.

HEBAMMENBETREUUNG AUCH BEI FEHLGEBURTEN NACH DER 18. SCHWANGERSCHAFTSWOCHE

Im Zuge einer Geburt erhalten Frauen Unterstützung durch eine Hebamme. Der Hebammenbeistand ist eine Leistung aus dem “Versicherungsfall” einer Mutterschaft. Dieser tritt derzeit in der Regel acht Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin oder mit der Entbindung ein – das gilt auch, wenn ein Kind tot geboren wird. Wird ein Kind mit mehr als 500 Gramm tot geboren oder verstirbt es während der Geburt, spricht man von einer Totgeburt, bei weniger als 500 Gramm von einer Fehlgeburt. Somit haben Frauen, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft befinden und eine Fehlgeburt erleiden, keinen Anspruch auf die Hilfe einer Hebamme. Das soll sich nun ändern. Auf Initiative der Abgeordneten Meri Disoski (Grüne) und Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) erhalten künftig auch Frauen, die nach der 18. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, Anspruch auf Hebammenhilfe (4038/A).

Meri Disoski (Grüne) zeigte sich erfreut, dass ein überparteiliches Anliegen mittels Initiativantrag umgesetzt werden könne. Hier gehe es darum, Frauen in einer schwierigen Phase zu unterstützen, indem die Hebammenunterstützung ausgeweitet werde. Seitens der ÖVP begrüßten Elisabeth Pfurtscheller und Werner Saxinger den Initiativantrag, um die Versorgung durch eine Hebamme ab dem 18. Schwangerschaftsmonat sicherzustellen. Fehlgeburten würden Frauen in eine schwierige Lage bringen und daher müsse jede Form der Betreuung sichergestellt werden.

Henrike Brandstötter (NEOS) signalisierte die Zustimmung ihrer Fraktion, die ein Erfolg mehrerer Initiativen von Bürger:innen sei. Rosa Ecker (FPÖ) meinte, sie würde sich ein früheres Inkrafttreten der Regelung wünschen, aber ihre Fraktion trage die Initiative selbstverständlich mit.

SPÖ SETZTE SICH FÜR UMFASSENDERE REGELUNG EIN

Die Sozialdemokrat:innen stimmten für die Initiative, wobei sie sich für eine umfassendere Regelung einsetzten und einen fraktionsübergreifenden Gesetzesantrag bevorzugt hätten. Petra Oberrauner merkte an, dass die Sozialdemokrat:innen sich in einem eigenen Entschließungsantrag für eine umfassendere Regelung einsetzen würden (3153/A(E)). Sie bedauerte, dass für den Initiativantrag nicht das Gespräch mit den anderen Fraktionen gesucht worden sei. Bei Fehlgeburten gebe es keinen Mutterschutz, keine kassenfinanzierte Hebammenbetreuung und keinen Bestattungskostenbeitrag, wenngleich die physischen und psychischen Belastungen vergleichbar seien, hielt Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) in dem Entschließungsantrag fest.

Pfurtscheller (ÖVP) war bewusst, dass der heutige Beschluss nicht alle Forderungen des SPÖ-Antrags erfülle. Die Unterscheidung zwischen Fehl- und Totgeburten habe jedoch eine Reihe rechtlicher Implikationen, die erst in einer Arbeitsgruppe geklärt werden müssten.

Bundesministerin Raab sagte, die Arbeitsgruppe zum Thema Schwangerschaftsverlust habe den Auftrag, eine “kluge Lösung” für eine Vorverlegung des Mutterschutzes zu suchen. Sie stellte dazu in den Raum, dass man etwa an ein Optionsrecht denken könnte. Gleichzeitig verwies sie auf die Errungenschaft des absoluten Beschäftigungsverbots im Mutterschutz, die nicht in Frage gestellt werden soll.

Ein weiterer SPÖ-Entschließungsantrag betrifft eine Informationsoffensive zum Schwangerschaftsabbruch in Österreich (3356/A(E)). Um Abtreibungen flächendeckend zu ermöglichen, schlug die SPÖ vor, eine auf das Gesundheitspersonal zielgerichtete Informationsoffensive zu starten. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) sah keinen weiteren Beratungsbedarf, nachdem die Bundesministerin bereits umfangreiche Anstrengungen zur Stärkung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie der Familienberatung unternommen und die Planstellen ausgeweitet habe. Meri Disoski (Grüne) informierte, dass bereits ein Informationsschreiben an die Gynäkolog:innen ergangen sei. Beide Entschließungsanträge wurden vertagt.

UNTERSTÜTZUNG DER ILO-KONVENTION GEGEN GEWALT UND BELÄSTIGUNG IN DER ARBEITSWELT

Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten im Gleichbehandlungsausschuss für die Ratifizierung der Konvention 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) aus. Es handelt sich dabei um das “Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt” (3996/A(E)). Mit dem von ÖVP und Grünen eingebrachten Entschließungsantrag soll ein Zeichen gegen jedes demütigende, diskriminierende, belästigende und gewalttätige Verhalten in Österreichs Arbeitswelt gesetzt werden, unterstrich Romana Deckenbacher (ÖVP). Die ILO-Konvention 190 wird als wichtiges Instrument für eine sichere und gewaltfreie Arbeitswelt gesehen. Arbeitgeber:innen sind demgemäß aufgefordert, eine entsprechende Arbeitsplatzpolitik umzusetzen. Die ILO-Konvention soll dem Entschließungsantrag zufolge mit Juni 2024 in Kraft treten, unterstrich Meri Disoski (Grüne). Gleichzeitig mit dem Entschließungsantrag sei das Thema im heutigen Minister:innenrat behandelt worden, hielt sie fest.

Die Konvention sei noch nicht ratifiziert, betonte Katharina Kucharowits (SPÖ). Die SPÖ unterstützte den Entschließungsantrag, brachte aber einen Abänderungsantrag ein, der in der Minderheit blieb. Darin wollte Kucharowits festmachen, dass die ILO-Konvention noch in der aktuellen Gesetzgebungsperiode ratifiziert werde.

Es habe in vielen Bereichen Übergriffe gegeben, daher brauche es die Konvention, so Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Henrike Brandstötter (NEOS) und Rosa Ecker (FPÖ) erklärten die Zustimmung ihrer Fraktionen.

SPÖ FORDERTE NACHSCHÄRFUNG BEI TRANSPARENZ BEI GEHALTSANGABEN

Petra Oberrauner (SPÖ) forderte eine Nachschärfung bei der Transparenz bei Gehaltsangaben in Stelleninseraten (4037/A(E)). Obwohl seit 1. März 2011 verpflichtend Angaben zum Mindestentgelt bei Stellenausschreibungen zu machen seien, passiere dies nach Auffassung der SPÖ nur unzureichend. Außerdem sei “echte Lohntransparenz” ein wichtiger Schritt für “gerechte Bezahlung” und um die “Lohnschere zwischen Frauen und Männern zu schließen”. Aus Sicht der NEOS geht der Antrag an der Realität vorbei. Henrike Brandstötter (NEOS) sprach sich für den Erhalt von Flexibilität aus und betonte, die Bezahlung sei von der Bewerberin bzw. dem Bewerber abhängig. Auch Rosa Ecker (FPÖ) und Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) gingen die Forderungen zu weit. Der Antrag wurde vertagt.

Neuerlich vertagt wurde ein Vorschlag der SPÖ für ein Einkommenstransparenzgesetz (277/A). Frauen betreffe das Thema unfaire Bezahlung und mangelnde Lohntransparenz in besonderem Maße, hielt Oberrauner fest. Kernpunkt des vorgelegten Gesetzentwurfs ist eine umfassende innerbetriebliche Gehaltstransparenz.

Meri Disoski (Grüne) ging mit beiden Anträgen “inhaltlich daccord” und verwies auf den Koalitionspartner. Lohntransparenz sei schon vor zehn Jahren eingeführt worden, hob Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) hervor. Aber Einkommenstransparenz alleine werde eine bessere Entlohnung der Frauen nicht bewirken. Auf EU-Ebene gebe es die Richtlinie zur Lohntransparenz, betonte sie.

KI: SCHUTZ UND FÖRDERUNG VON FRAUEN UND MÄDCHEN

Ein umfassendes Maßnahmenpaket forderte die SPÖ für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz (4032/A(E)). Katharina Kucharowits (SPÖ) berichtete über einen Anstieg der Zahl KI-basierter Gewaltfälle gegen Frauen und Mädchen. Beratungsstellen bräuchten ausreichend Personal und Weiterbildung. Durch eine Anpassung der Förderrichtlinien für Projekte, die Frauen im Umgang mit KI-generierten Bildern unterstützen, seien daher unumgänglich. Kucharowits forderte zudem rechtliche Konsequenzen bei Deepfakes.

“Wir erleben einen Quantensprung”, sagte Gudrun Kugler (ÖVP). Die weltweiten Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz könnten nicht von Österreich alleine geregelt werden. Der europäische AI-Act werde umgesetzt, begründete sie die Vertagung.  Jeder spreche über KI “und so gut wie nichts, ist geklärt”, hielt Rosa Ecker (SPÖ) fest. Frauen würden zu wenig berücksichtigt und die Anwendung sei für ältere Personen zu schwer.

OPPOSITIONSANTRÄGE ZU FRAUENQUOTEN, DISKRIMINIERUNG AUF GRUND DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG SOWIE KINDESUNTERHALT NEUERLICH VERTAGT

Der Gleichbehandlungsausschuss befasste sich zudem mit zahlreichen Oppositionsanträgen über die bereits in vorhergehenden Sitzungen diskutiert wurde. Neuerlich vertagt wurde die SPÖ-Forderung nach Umsetzung der EU-Vorgaben zu Frauenquoten bei Leitungspositionen in börsennotierten Firmen (2620/A(E)). Die bisherige verpflichtende Geschlechterquote von 30 % sei zwar in Österreich in Kraft – diese liege aber unter den europäischen Vorgaben. Zudem verwies SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner auf das Gleichbehandlungsgesetz, das aus seiner Sicht keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und Weltanschauung biete. Er forderte eine Novellierung (3470/A).

2018 gab es in Österreich 168.700 Alleinerziehende mit 246.200 zu versorgenden Kindern unter 25 Jahren, davon 90 % Frauen, strich Rosa Ecker von den Freiheitlichen hervor (301/A(E)). Eine zeitgemäße Kindesunterhalts- und Unterhaltsvorschussreform sei ausständig, kritisierte sie in dem Entschließungsantrag.

NEOS FÜR REFORMEN BEI FORTPFLANZUNGSMEDIZIN UND GEWALTSCHUTZ

Ebenso neuerlich vertagt wurden zwei Anliegen der NEOS. Durch eine Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes wollen sie Benachteiligungen von alleinstehenden Frauen bei der künstlichen Befruchtung (IVF) entgegenwirken. Das derzeitige Fortpflanzungsgesetz würde alleinstehenden Frauen keinen Zugang zu künstlichen Befruchtungen ermöglichen, zeigte Henrike Brandstötter (NEOS) auf (2443/A)). Damit es Frauen ermöglicht wird, Eizellen zum Zwecke einer späteren Befruchtung auch ohne medizinische Indikation – auf eigene Kosten – zu entnehmen und aufzubewahren, forderten die NEOS eine Reform, ebenfalls im Fortpflanzungsmedizingesetz (3279/A(E)).

Darüber hinaus orteten die NEOS beim Gewaltschutz einen Mangel an Primärprävention und forderten, strategische Schwerpunkte festzulegen und entsprechende Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt zu erarbeiten (3786/A(E)).

KONVERSIONSTHERAPIEN UND LGBTIQ-FEINDLICHKEIT

Die SPÖ forderte einmal mehr ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien (2231/A(E)) und wollte einen Schwerpunkt gegen LGBTIQ-Feindlichkeit und Hassverbrechen setzen. Dazu forderten die Sozialdemokraten eine Novellierung des Diskriminierungsschutzes im Gleichbehandlungsgesetz (2047/A(E)).

Für ein umfassendes Präventionsprogramm gegen Gewalt an LGBTIQ-Gruppen traten auch die NEOS ein (3203/A(E)). Mit einem Entschließungsantrag verwiesen sie auf einen deutlichen Anstieg der Zahl an Angriffen auf Angehörige sexueller Minderheiten sowie von vermehrten “Hate-Crime-Delikten”. Erneut aufs Tapet brachten die NEOS ihre Forderung nach einem Verbot von Konversionstherapien (943/A(E)). (Schluss Gleichbehandlungsausschuss) gla/sox

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