33. Wiener Landtag (1)
33. Wiener Landtag (1)
Die 33. Sitzung des Wiener Landtags begann um 9 Uhr. Debattiert wurde auf Verlangen der Grünen zum Thema „Das Land Wien hat im Rahmen der Länderstellungnahme nach Art. 23d B-VG die Chance, sich für gesunde Ökosysteme und damit für eine intakte Natur als unsere Lebensgrundlage zu entscheiden – Wir brauchen ein starkes EU-Renaturierungsgesetz jetzt.“. Wie bei jedem Landtag auf Verlangen entfielen Fragestunde und Aktuelle Stunde.
StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) sagte in der Begründung zur heutigen Sitzung, dass ein zentrales europäisches Gesetz „auf der Kippe“ stehe. Das Renaturierungsgesetz hätte in Europa noch keine qualifizierte Mehrheit; auch in Österreich gebe es weiterhin eine „Blockade“ von Landeshauptleuten. Er fasste das Ziel des EU-Renaturierungsgesetzes zusammen, an dem bereits seit 2021 gearbeitet wird: Das Hauptanliegen sei die Bekämpfung der Biodiversitätskrise und Klima-Krise, zwei Krisen die sich bedingen. Eine intakte Natur – auch in Städten – sei Grundvoraussetzung für eine gute Lebensqualität, „damit alle gesund und sicher auf dem Kontinent leben können“. Studien würden zeigen, dass 81% der Lebensräume in Europa in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand seien, außerdem seien mehr als eine Million Arten in Europa bedroht, erklärte Kraus. Das bedrohe die Landwirtschaft, das Trinkwasser „und alles, was wir für ein gesundes Leben brauchen“, warnte Kraus. Obwohl das Gesetz auf EU-Ebene bereits mehrmals überarbeitet worden sei, herrsche in Österreich weiterhin eine Blockade vor allem von ÖVP-Landeshauptleuten. In der medialen Debatte zum Renaturierungsgesetz würden auch Falschinformationen verbreitet, kritisierte Kraus: Das Gesetz sehe – anders als zum Beispiel beim Bau von Autobahnen – keine Enteignungen vor, außerdem könnten die Länder selbst entscheiden, wo Renaturierungen passieren. Ebenso würde eine Renaturierung der Landwirtschaft nicht schaden oder unter Druck bringen, so wie es die ÖVP zum Beispiel in Niederösterreich laut Kraus darstellen würde. Das Gesetz sehe „eine Notbremse“ vor, wenn die Landwirtschaft nicht mehr genug produzieren könne, erläuterte Kraus. Die ÖVP sei konsequent gegen das Gesetz, auch wenn sich Wissenschaft, NGOs und Expert*innen dafür ausgesprochen hätten und ein Kompromiss gesucht wurde. Bei der SPÖ sei die Lage differenzierter: Während die roten Abgeordneten in Brüssel für das Gesetz gestimmt hätten, hätte das SPÖ-regierte Wien bei der jüngsten Landeshauptleute-Konferenz im April eine nach wie vor aufrechte negative Stellungnahme zum Renaturierungsgesetz abgegeben. Die einstimmig ablehnende Haltung der Länder zwinge die Umweltministerin im EU-Rat gegen das Gesetz zu stimmen, sagte Kraus. Mit der medial angekündigten kompromissbereiten Stellung des Wiener und Kärntner Landeshauptmanns beginne die Blockade allerdings zu bröckeln: Auch der zuständige Klima-Stadtrat in Wien würde sich für die Renaturierung aussprechen und offenbar werde auch an einer neuen Stellungnahme gearbeitet, räumte Kraus ein. Er forderte allerdings Klarheit darüber, wie Wien plane, von seiner ursprünglich negativen Stellungnahme zurückzutreten und bedauerte, dass Wien nicht schon vor einem Monat bei der Landeshauptleute-Konferenz gegen die Klima-Blockade gestimmt hätte: „Es geht jetzt darum den Fehler vom April zu korrigieren“, so Kraus. Mit der Rücknahme der Stellungnahme würde „juristisches Neuland“ betreten, daher müsse diese auch gut vorbereitet sein. Möglich seien eine außertourliche Sitzung der Landeshauptleute, ein Umlaufbeschluss oder sogar ein einfaches E-Mail um die Einstimmigkeit aufzubrechen und der Umwelt-Ministerin so zu ermöglichen, beim kommenden Europarat in Brüssel für das Gesetz zu stimmen.
Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) konterte seinem Vorredner: In Vorarlberg würden die Grünen in der Landesregierung sitzen; auch das westlichste Bundesland Österreichs sei Teil der Blockade. Überdies hätte Bürgermeister Ludwig ohnedies vor wenigen Tagen medial angekündigt, das Renaturierungsgesetz unterstützten zu wollen. „Damit hat ihre Rede keine Grundlage mehr“, sagte Guggenbichler in Richtung Kraus. Die Debatte sei im Kontext des EU-Wahlkampfs zu sehen, der für die Grünen und ihre Spitzenkandidatin derzeit nicht gut laufe. Wien hätte unter anderem den Wienfluss und Liesingbach renaturiert – „ohne dass es dafür eine EU-Verordnung gebraucht hätte“, sagte Guggenbichler. Er brachte einen Antrag gegen das EU-Renaturierungsgesetz ein.
LAbg. Mag. Angelika Pipal-Leixner, MBA (NEOS) bezeichnete sich als großen Fan der EU; diese sei dazu da, um „große Themen“ zu lösen. Die Bandbreite reiche dabei von Datenschutz bis hin zum Klimaschutz. Das Renaturierungsgesetz sei Teil des „European Green Deal“. Damit Naturräume nicht unwiederbringlich verloren gingen, gelte es zu handeln. Das EU-Renaturierungsgesetz warte noch immer auf einen Beschluss, auch weil sich einige Länder – darunter Österreich wegen der Länderblockade – im EU-Rat nicht zu einem Ja durchringen konnten. Die Gesetzesvorlage sei inzwischen überarbeitet worden, das ursprüngliche „Nein“ der Länder beziehe sich auf eine alte Fassung. So sei in der neuen Fassung vorgesehen, dass jedes Bundesland selbst entscheiden könne, wo renaturiert wird und auch die Interessen und Notwendigkeiten der Landwirtschaft würden berücksichtigt – also könne dem Gesetz getrost zugestimmt werden. Auch Pipal-Leixner bemühte sich einige Falschinformationen auszuräumen: So sei der Vorwurf falsch, dass das Gesetz Enteignungen vorsehe, sagte Pipal-Leixner, „Renaturierung passiert immer nach dem Prinzip der Freiwilligkeit“. Es sei wichtig, ein Europa zu schaffen, in dem die Natur wieder mehr Platz hat, wünschte sich Pipal-Leixner. Auch in Österreich seien die meisten Flächen – anders als in den Tourismusprospekten dargestellt – nicht mehr im besten Zustand, ebenso steige die Zahl der bedrohten Tiere oder Lebensräume, warnte die NEOS-Abgeordnete. Daher herrsche auch hierzulande Handlungsbedarf. Renaturierung wirke sich positiv auf das Mikro- und Makroklima aus und mildere die Auswirkungen des Klimawandels. In diesem Zusammenhang verwies Pipal-Leixner auf Berechnungen von EU-Expert*innen: Unterm Strich sei der Nutzen der Renaturierung deutlich höher als die prognostizierten Kosten, argumentierte Pipal-Leixner.
LAbg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP) kritisierte die Grünen, die sich „durch die Sitzung turnen“ würden mit dem Ziel, den EU-Wahlkampf in den Landtag zu tragen. Nachdem der Wiener Landeshauptmann letzte Woche seine Meinung zum Renaturierungsgesetz geändert hätte, fehle den Grünen schlichtweg der Adressat für die Sitzung. Natürlich brauche es Maßnahmen um den Klimaschutz voranzutreiben, sowie für Biodiversität und Artenschutz – aber die Grünen würden komplexe Fragestellungen sehr eindimensional behandeln, kritisierte Olischar. Sie warf den Grünen Populismus vor, auch beim Thema Verkehr. Die ÖVP würde eine differenziertere Politik betreiben, also auch schauen welche Auswirkungen die Regelungen der EU für die Bevölkerung oder die kleinteilige, regionale Landwirtschaft hätten. „Diese Fragen wurden im Vorfeld vom Gesetzesentwurf nicht diskutiert, berechtigte Fragen und Sorgen wurden vom Tisch gewischt“, kritisierte Olischar. Es könne keine Lösung sein, Agrarflächen zu reduzieren; Landwirte stünden schon jetzt stark unter Druck. Wenn Landwirte aufgeben müssten, dann werde weniger vor Ort produziert und mehr EU-Produkte mit einem schlechteren CO2-Abdruck aus dem Ausland importiert, so Olischar. Sie kritisierte die Wiener Stadtplanung dafür, sich in den vergangenen Jahren vor allem auf die Außenbezirke konzentriert zu haben und neue Stadtentwicklungsgebiete auf der grünen Wiese gebaut zu haben. Das würde sich jetzt rächen: „Wäre man das anders angegangen, dann müssten wir in der Innenstadt nicht entsiegeln“, sagte Olischar.
LAbg. Mag. Nina Abrahamczik (SPÖ) erinnerte daran, dass sich der Grund, warum der Landtag einberufen wurde, eigentlich schon erledigt habe. Sie bedankte sich bei Landeshauptmann Michael Ludwig, der gemeinsam mit seinem Landeshauptmann-Kollegen aus Kärnten „einen richtigen Schritt“ gemacht hätte und das Renaturierungsgesetz in einer überarbeiteten Fassung prinzipiell befürworten würden. Der Landtag würde den Parteien die Gelegenheit geben zu zeigen, wo sie beim Thema stehen, meinte Abrahamczik. Die neue Renaturierungsgesetz müsse umgesetzt werden, dazu müsse die Blockade der anderen Länder aufgebrochen werden und eine Zustimmung der Ministerin erwirkt werden. Nach wie vor sei die Frage der finanziellen Mittel für die Renaturierung offen, die Gelder müssten vom Bund kommen – bisher sei der Bund aber nicht an die Länder herangetreten. Abrahamczik fasste die angeregten Änderung Wiens zusammen: Bei der Renaturierung von Küstengebieten und Gewässern sollten Natura-2000-Gebiete vorgezogen werden; bei der Wiederherstellung von landwirtschaftlichen und Wald-Ökosystemen sei die Wiedervernässung von Mooren vorgesehen, was auch gut gegen den Klimawandel ist. Dazu solle es zum Beispiel für Landwirte keinen Zwang geben, sondern finanzielle Anreize. Trotz nach wie vor offener Punkte sei der Entwurf prinzipiell mitzutragen, sagte Abrahamczik. Mit diesem Ansatz seien die Landeshauptleute von Wien und Kärnten auf ihre Länderkolleg*innen zugegangen. Sie hoffte, dass hier weitere Gespräche möglich seien, auch auf Bundesebene unter den Minister*innen, wünschte sich Abrahamczik. (Forts.) ato
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