Menschenrechtsauschuss: Aktuelle Krisenherde dominieren Aussprache mit EU- und Verfassungsministerin Edtstadler
Menschenrechtsauschuss: Aktuelle Krisenherde dominieren Aussprache mit EU- und Verfassungsministerin Edtstadler
Oppositionsanträge zu Grundrechten, Kinderehen sowie Gesichtserkennungssoftware wurden von ÖVP und Grünen vertagt
Ein breites Themenspektrum – von der aktuellen Lage in Nahost über die Situation in Russland bis hin zur Aufnahme der iranischen Revolutionsgarden in die EU-Terrorliste – stand heute im Rahmen einer aktuellen Aussprache mit EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats zur Debatte.
Die Menschenrechte würden in Zeiten multipler Krisen und Krisenherde an Bedeutung gewinnen, betonte Edtstadler in ihrem Eingangsstatement. Es sei die Aufgabe der Politik, diese in Österreich und Europa zu schützen. In den letzten Jahren habe man jedoch einen Anstieg an gravierenden Menschenrechtsverletzungen beobachten können. Edtstadler nannte in diesem Zusammenhang etwa die „Ermordung“ von Alexej Nawalny, den seit beinahe zwei Jahre andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, das „Hinschlachten“ von über 1.200 Israelis am 7. Oktober durch die Hamas und die durch die israelische Offensive ausgelöste „dramatische Situation“ im Gazastreifen sowie die Situation in Afghanistan und dem Iran. Um Chancengleichheit und Fairness voranzutreiben, unterstütze Österreich Projekte in Afghanistan und Äthiopien für Frauen. Was Österreich betrifft, nannte Edtstadler etwa Projekte zur Bekämpfung von Kinderarmut.
Die drei auf der Tagesordnung stehenden Entschließungsanträge der Oppositionsparteien wurden von ÖVP und Grünen ein weiteres Mal vertagt.
SITUATION IN ISRAEL UND GAZA
Was den Gaza-Krieg betrifft, könne Österreich aktuell nur mit humanitärer Hilfe unterstützen, hielt die Ministerin gegenüber Gudrun Kugler (ÖVP) und Alois Kainz (FPÖ) fest. Da es jedoch schwerwiegende Vorwürfe gegenüber Mitarbeiter:innen des UNO-Flüchtlingshilfswerks für Palästina gebe, habe man seitens Österreichs die Zahlungen dafür vorerst eingestellt. Innerhalb der EU sieht Edtstadler unterschiedliche Bewertungen zur Situation im Nahen Osten. So würden Irland und Spanien auf eine Waffenruhe drängen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass es bei der Gründung Israels das Versprechen gegeben habe, ein „sicherer Hafen“ für Jüdinnen und Juden zu sein. Derzeit sei eine Zwei-Staaten-Lösung in weite Ferne gerückt, da es auf beiden Seiten aktuell keine Bereitschaft gebe, darüber zu reden.
Harald Troch (SPÖ) kritisierte das österreichische Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen zu einem humanitären Waffenstillstand in Gaza. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung, die palästinensische Zivilbevölkerung dürfe aber nicht für die Taten der Hamas büßen.
SITUATION IN RUSSLAND, UKRAINE-VERTRIEBENE IN ÖSTERREICH
Auch Stephanie Krisper (NEOS) sprach in Bezug auf den Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny von Mord. Krisper fragte nach der Umsetzung des Sanktionsmechanismus gegen Menschenrechtsverletzer:innen – dem sogenannten Magnitski Act – sowie nach der Forderung des Teams von Nawalny, die Unterstützer:innen der kommenden „Fake-Wahl“ Putins zum Präsidenten zu sanktionieren. Dazu brauche es eine umfassende Prüfung, Österreich entscheide jedoch nicht über einzelne Namen auf Sanktionslisten, antwortete die Ministerin.
Die europäische Solidarität für die Ukraine müsse aufrecht erhalten werden, betonte die EU- und Verfassungsministerin gegenüber Georg Bürstmayr (Grüne). Der Grünen-Abgeordnete hatte nach den mittel- und langfristigen Perspektiven für Ukraine-Vertriebene gefragt, nachdem die entsprechende EU-Richtlinie 2025 ausläuft. Laut Edtstadler hat Österreich und Europa beim Schutz und der Integration rasch reagiert. Sie hoffe, dass keine Verlängerung der Richtlinie nötig sei, dies hänge jedoch vom weiteren Verlauf des Krieges ab. Laut Stephanie Krisper (NEOS) geht es den nach Österreich geflüchteten ukrainischen Frauen und Kindern „nicht so gut in Österreich“. Die NEOS-Abgeordnete forderte Nachbesserungen, da ein längerfristiger Verbleib von der Bundesregierung nicht vorgesehen sei.
AUFNAHME DER IRANISCHEN REVOLUTIONSGARDEN IN EU-TERRORLISTE
Gegenüber der Forderung von Harald Troch (SPÖ), die Revolutionsgarden des Iran auf die Terrorliste der EU zu setzen, betonte die EU-Ministerin, dass dies laut dem juristischen Dienst des Rates nicht möglich sei. Dem widersprach Georg Bürstmayr (Grüne), der sich ebenfalls für die Aufnahme in die EU-Terrorliste aussprach. Eine Aufnahme in die Terrorliste hätte „enorme geopolitische Bedeutung“, da der Iran ein großer Unterstützer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei, so Bürstmayr.
EU- LIEFERKETTENGESETZ
Zum von Peter Weidinger (ÖVP) angesprochenen EU-Lieferkettengesetz sagte Edtstadler, dass sie grundsätzlich die Ziele unterstütze, aber die Art der Umsetzung besonders für kleine und mittlere Betriebe keine gute Lösung sei und einen hohen bürokratischen Aufwand nach sich ziehe. Es gehe darum, eine Balance zwischen verbesserten Menschenrechtsstandards und dem Erhalt des Standorts Europa zu gewährleisten.
MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN ÖSTERREICH
Peter Wurm (FPÖ) meldete sich zu Menschenrechtsverletzungen in Österreich, wie Kinderehen oder Genitalverstümmelungen, zu Wort und fragte nach konkreten Maßnahmen dazu. Dies sei ein hochsensibles Thema, wobei sich Edtstadler für niederschwellige Beratungsangebote aussprach. Der Bund unterstütze deswegen hochspezialisierte Opferschutzeinrichtungen in diesem Bereich. Was die von Wurm angesprochenen EU-Pläne zum Digitalen Euro angeht, müsse dieser einen Mehrwehrt für die Bevölkerung bringen und dürfe kein Ersatz für Bargeld sein, erläuterte die Ministerin die österreichische Position.
WEITERE THEMEN DER AUSSPRACHE: LGBTIQ-COMMUNITY, KINDERRECHTE, MÜNCHNER SICHERHEITSKONFERENZ
Faika El-Nagashi (Grüne) sprach die „weltweit auf dem Vormarsch befindliche Verfolgung der LGBTIQ-Community“ an und fragte nach der Handhabe auf EU-Ebene, um etwa das vor kurzem von Uganda erlassene „besorgniserregende Homosexuellen-Gesetz“ zu verhindern. Die Hoffnung lebe, dass der rechtsstaatliche Mechanismus in Uganda das Gesetz aufhebe, ansonsten müsse man Druck von Seiten Europas aufbauen, so Edtstadler. Grundsätzlich habe man bereits öffentlich klargemacht, dass eine solche Gesetzgebung inakzeptabel sei.
Petra Wimmer (SPÖ) fragte nach dem Stand der Evaluierung der Kinderrechte in Österreich, die laut der SPÖ-Mandatarin bis Ende 2023 vorliegen hätte sollen. Die Evaluierung sei weit fortgeschritten. Eine Veröffentlichung sei in der ersten Jahreshälfte 2024 geplant, so die Ministerin.
Was ihre Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz betrifft, habe es für sie drei Schwerpunkte gegeben, so die Ministerin zu Robert Laimer (SPÖ). Diese hätten von einer allgemeinen Einschätzung der sicherheitspolitischen Lage über die Besprechung der Sicherheitssituation für jüdisches Leben in Israel bis hin zu Gesprächen über die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz gereicht.
SPÖ-ANTRAG ZUR WEITERENTWICKLUNG DES GRUNDRECHTEKATALOGS
Neuerlich vertagt wurde ein wiederaufgenommener Antrag, mit dem die Sozialdemokrat:innen die Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs und die Schaffung von sozialen Grundrechten fordern (3057/A(E)). Sie verweisen dabei auf das aktuelle Regierungsprogramm, welches das Vorhaben enthält, die Bundesverfassung zur Stärkung der Grund- und Menschenrechte weiterzuentwickeln.
Dieser SPÖ-Antrag sei inzwischen veraltet und zudem werde laufend an diesem Thema gearbeitet, begründete Corinna Scharzenberger (ÖVP) den von ihr gestellten Vertagungsantrag. Österreich habe einen Grundrechtskatalog, der aus mehreren Teilen bestehe, sagte Georg Bürstmayr (Grüne).
Harald Troch (SPÖ) verwies auf die im Regierungsprogramm „ganz klaren Aussagen“ zur Grundrechtsarbeit. Es handle sich dabei um „etwas nicht Erledigtes“. Seine Partei würde die Einladung annehmen, wenn es – wie im Regierungsprogramm vorgesehen – zu einer Wiederaufnahme der Allparteienverhandlungen zur Erarbeitung eines umfassenden österreichischen Grundrechtskatalogs komme, signalisierte Peter Wurm (FPÖ) die Gesprächsbereitschaft seiner Fraktion.
FPÖ: STATISTIK ÜBER KINDEREHEN IN ÖSTERREICH
Ebenfalls wiederaufgenommen und neuerlich vertagt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ zum Thema Kinderehen (1460/A(E)). In Österreich dürfe man zwar erst ab 18 Jahren bzw. in Ausnahmefällen ab 16 Jahren heiraten, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch Minderjährige als Ehepartner zusammenleben, heißt es im Antrag. Die Zahl der Minderjährigen, die im Ausland geheiratet haben, sei mangels Datenmaterial nicht bekannt. Um Kinderehen wirksam bekämpfen zu können, fordert die FPÖ eine detaillierte Statistik über in Österreich bestehende Ehen von Minderjährigen ein.
In Österreich gebe es fast ein halbes Dutzend Strafbestimmungen, die Kinderehen unter gerichtliche Strafe stellen. Ehen im Alter von 16 Jahren seien in Österreich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Die dazu verfügbaren Daten habe das Innenministerium, daher sei dieses Thema im Innenausschuss zu diskutieren, sagte Georg Bürstmayr (Grüne) und stellte den Vertagungsantrag.
Es gehe darum, Zahlen, Daten und Fakten zu diesem Thema zu erheben, unterstrich Peter Wurm (FPÖ) die Forderung seiner Partei. Das Zählen von Fällen sei zu wenig, entgegnete Gudrun Kugler (ÖVP). Entscheidend sei ein Verbot von Kinderehen und Hilfe für Betroffene, diese beiden Punkte seien im FPÖ-Antrag nicht enthalten, bemängelte sie. Die Regierungsparteien würden daran jedoch bereits arbeiten.
NEOS: SOFTWARE ZUR AUTOMATISIERTEN UND MASSENHAFTEN GESICHTSERKENNUNG
Für ein europaweites Verbot des Einsatzes von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum setzen sich die NEOS mit einem wiederaufgenommenen Antrag an, der ebenfalls neuerlich vertagt wurde (1793/A(E)). Die im AI-Act, dem von der Europäischen Union vorgeschlagenen Gesetz zur Regulierung künstlicher Intelligenz, enthaltenen Formulierungen dazu würden nicht weit genug gehen, kritisierte Nikolaus Scherak (NEOS).
Es gebe derzeit keine gesetzliche Grundlage für die Anwendung von automatischer Gesichtserkennung in Echtzeit und dies sei auch nicht geplant, sagte Johann Weber (ÖVP) und stellte daher den Vertagungsantrag.
Es sei jedoch bereits vorgekommen, dass eine unschuldige Person aufgrund fehlerhafter automatischer Gesichtserkennungssoftware zwei Monate zu Unrecht im Gefängnis gewesen sei, weil sie fälschlicherweise für einen Straftäter gehalten wurde, entgegnete Nikolaus Scherak (NEOS). Solche Fehler würden „jetzt schon“ passieren.
Es gebe ein Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und Sicherheit und dabei werde die Privatsphäre immer weiter zurückgedrängt, sagte Melanie Erasim (SPÖ). Diese Sicherheit sei jedoch „trügerisch“ und es brauche daher eine klare Positionierung, jedoch gebe es dazu seitens der Regierung keine klar erkennbare Linie, kritisierte sie.
Menschenrechte seien eine Querschnittsmaterie und Thema in allen Ausschüssen. Gerade im Hinblick auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz sei in den letzten Monaten von den Regierungsparteien in ihrer Arbeit ein Schwerpunkt gesetzt worden, betonte Gudrun Kugler (ÖVP). (Schluss) med/bea
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