Nationalrat einstimmig für höhere Strafen bei Besitz von Kindesmissbrauchsmaterial

Nationalrat einstimmig für höhere Strafen bei Besitz von Kindesmissbrauchsmaterial

Einstimmigkeit auch für Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht, Verwertungsgesellschaftengesetz und Gerichtsvollzieher:innen-Vergütung

Im Konsens aller Parlamentsfraktionen wurden heute mehrere Vorlagen des Justizausschusses einstimmig im Nationalrat beschlossen. So befürworteten die Abgeordneten höhere Strafen beim Besitz von Darstellungen von Kindesmissbrauch. Ebenso einstimmig sprachen sich die Fraktionen für die Erhöhung der Vergütung von Gerichtsvollzieher:innen und für eine Annahmeerklärung für Beitritte Tunesiens und der Philippinen zum zivilrechtlichen Kindesentführung-Übereinkommen aus.

Einstimmig beschlossen haben die Abgeordneten auch, das Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht an neue EU-Vorgaben anzupassen und das Verwertungsgesellschaftengesetz in Bezug auf sogenannte Weitersendungen im ORF zu adaptieren.

HÖHERE STRAFEN BEI BESITZ VON KINDESMISSBRAUCHSMATERIAL

Für verschärfte Strafbestimmungen zu „bildlichem sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterial“ oder ebensolcher Darstellungen minderjähriger Personen hat sich der Nationalrat heute einstimmig für eine entsprechende Regierungsvorlage ausgesprochen. Die vorgeschlagenen Änderungen im Strafgesetzbuch umfassen neben der Neubezeichnung des Tatbestands auch eine Erhöhung der Strafrahmen sowie die Einführung höherer Strafdrohungen in Bezug auf „viele“ Abbildungen oder Darstellungen, was laut Erläuterungen einem Richtwert ab ca. 30 Tatobjekten entspricht. Differenziert wird in der Regierungsvorlage zum Kindesmissbrauchsmaterial beim Ausmaß der Strafrahmen zwischen Besitz bzw. wissentlichem Zugriff im Internet gegenüber einer Herstellung und Weitergabe solcher Materialien. Bei Letzterem droht in definierten Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Im Fall des Besitzes von „vielen“ Abbildungen oder bildlichen Darstellungen Minderjähriger ist ein Strafrahmen bis zu drei bzw. in jenen Fällen bis zu fünf Jahren vorgesehen, in denen es sich dabei auch oder ausschließlich um viele Abbildungen oder Darstellungen einer unmündigen Person handelt.

Das Paket sei ein starkes Zeichen für den Kinderschutz, erklärte Justizministerin Alma Zadić. Es müsse verhindert werden, dass Kinder Opfer von Gewalt und Missbrauch werden. Mit dem umfassenden Kinderschutzpaket würden nun präventive Schutzmaßnahmen gesetzt, die Opferhilfe gestärkt, härtere Strafen eingeführt und das Tätigkeitsverbot ausgeweitet. Zur Prävention seien die Kinderschutzkonzepte an Schulen und in Vereinen wichtig. Die Ausweitung der Strafhöhe solle das Unrecht dieser „abscheulichen“ Tat wiederspiegeln. Der bisher verwendete Begriff der „Kinderpornografie“ sei verharmlosend, kein Kind habe dem Missbrauch zugestimmt und es gelte die Tat als das zu bezeichnen, was es ist, nämlich die Darstellung von Kindesmissbrauch. Insgesamt sei es wichtig, das Bewusstsein zu schaffen, dass Täter:innen verfolgt und auch erwischt werden. Dazu gebe es auch Aufstockungen bei der Staatsanwaltschaft und Cybercrime-Kompetenzstellen seien bei Polizei und Staatsanwaltschaft eingerichtet.

Wenn es um den Missbrauch von Kindern geht, dürfe keine Toleranz gezeigt werden, hob Staatssekretärin Claudia Plakolm hervor. Es gelte, den Schutz von Kindern und Jugendlichen auch nach diesem Beschluss weiter zu verbessern. Dazu würden unter anderem die Mittel für die Hilfe Betroffener im Budget aufgestockt. In ihrem Bereich laufe die Ausschreibung der „Qualitätssicherungsstelle Kinderschutz“. Zudem soll eine Kinderschutzkampagne das Wissen und Bewusstsein bei Kindern und Jugendlichen fördern.

„Stolz und froh“ zeigte sich Michaela Steinacker (ÖVP) über das Paket und die breite Zustimmung der Fraktionen. Dieses sei wichtig, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt und sexueller Belästigung zu schützen. Mit Erlass werde zudem wie vielfach gefordert sichergestellt, dass es keine Strafverfolgung bei „Sexting“ unter Jugendlichen gibt. Kinder haben ein Recht auf ein gewaltfreies Aufwachsen, meinte auch Johanna Jachs (ÖVP). Angesichts der gestiegenen Anzeigen und Verurteilungen sei der Gesetzesbeschluss sehr wichtig.

Hinter jedem Bild stehe reale Gewalt und abscheulicher Missbrauch an den Schwächsten der Gesellschaft, betonte Selma Yildirim (SPÖ). Es mache für sie daher keinen Unterschied, ob das Verbrechen selbst begangen oder durch Erwerb der Bilder gefördert wird. Um den Missbrauch vor der Tat zu verhindern, brauche es aber zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Prävention wie verpflichtende Kinderschutzkonzepte in mehr Bereichen. Dem pflichtete Christian Drobits (SPÖ) bei. Es müsse gezeigt werden, dass das Delikt nicht geduldet und in Folge bestraft wird. Zusätzliche Maßnahmen und ein Gesamtkonzept, das den Ausbau von Prävention beinhaltet, forderte auch Muna Duzdar (SPÖ).

Von einem „guten Tag“ sprach Mario Lindner (SPÖ) angesichts der budgetären Verankerung, dass Urteile gegen Opfer homophober Strafgesetze aufgehoben und Entschädigungen ermöglicht würden.

Für FPÖ-Mandatar Harald Stefan gingen die Maßnahmen nicht weit genug. Mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb, schlug er ein Kinderschutzpaket mit zusätzlichen Maßnahmen vor. Darin forderte der Freiheitliche unter anderem ein lebenslanges Tätigkeitsverbot von Täter:innen in bestimmten Bereichen, weitere Verschärfungen der Strafen und Verjährungsfristen, einen lebenslangen Strafregistereintrag sowie einen Ausbau der Opferhilfe. Einen Ausbau der Jugendhilfe in den Bundesländern und mehr Möglichkeiten für die Polizei forderte Christian Ragger (FPÖ). Das Gesetzespaket erfasse nicht den „sonstigen Missbrauch“, also die Darstellung von körperlicher und psychischer Gewalt sowie die Vernachlässigung gegenüber Kindern, bedauerte Philipp Schrangl (FPÖ).

Es gebe nichts Schlimmeres als diese Verbrechen, sprach sich auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) für strengere Strafen aus. Der Begriff „Kinderpornografie“ spiegle nicht das damit verbundene entsetzliche Leid der Kinder wider, befürwortete sie zudem die neue Benennung des Tatbestands. In jeder Klasse sei durchschnittlich ein Kind von Kindesmissbrauch betroffen und Kinder müssten sich durchschnittlich an acht Erwachsene wenden, bevor ihnen geglaubt werde, kritisierte Barbara Neßler (Grüne) und forderte, mit dem „blinden Täterschutz“ aufzuhören.

Missbrauchshandlungen haben massive Folgen für Kinder und es müssten daher alle Register gezogen werden, um diesem Problem beizukommen, meinte Johannes Margreiter (NEOS). Es erfolge nun ein „erster Schritt“, es seien aber weitere Maßnahmen notwendig, um Kinder vor diesem „grauenhaften“ Phänomen zu schützen. Von einem „Luftschloss zur Beruhigung der Bevölkerung“ sprach Yannick Shetty (NEOS) und bemängelte, dass die Ressourcen bei Polizei, Justiz und Strafvollzug nicht entsprechend aufgestockt sowie Präventionsmaßnahmen wie Männerberatung nicht entsprechend ausgebaut werden.

BEITRITTE TUNESIENS UND DER PHILIPPINEN ZU ZIVILRECHTLICHEM KINDESENTFÜHRUNG-ÜBEREINKOMMEN

Einstimmig befürwortete der Nationalrat eine weitere Maßnahme zum Kinderschutz. Konkret wird die Erklärung der Republik Österreich zur Annahme der Beitritte Tunesiens und der Philippinen zum „Haager Übereinkommen“ über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung genehmigt. Das multinationale Abkommen hat eine Erleichterung der Zusammenarbeit in Fällen internationaler Kindesentführungen zum Ziel. Durch die Abgabe der österreichischen Annahmeerklärung wird das Übereinkommen auch zwischen Österreich und Tunesien sowie zwischen Österreich und den Philippinen anwendbar.

Jedes Kind habe ein Recht auf ein gewaltfreies Aufwachsen und es müsse alles daran gesetzt werden, sie vor Misshandlungen zu schützen, erklärte Gertraud Salzmann (ÖVP).

Kindesentführungen seien keine Einzelfälle und dürfen von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden, meinte Harald Troch (SPÖ).

Das Übereinkommen könne nicht regeln, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen, es bestimme aber für Kinder in solchen „dramatischen Situationen“ einen zuständigen Staat, der regelt, wo sie leben sollen, befürwortete Agnes Sirkka Prammer (Grüne) den Beitritt von zwei weiteren Staaten.

VERGÜTUNG FÜR GERICHTSVOLLZIEHER:INNEN WIRD ERHÖHT

Angesichts der aktuellen Preissteigerungen soll die Vergütung für Gerichtsvollzieher:innen, die auch den Bereich der Fahrtkosten und Vergütungen für Räumungen und Fahrnisexekutionen umfasst, erhöht werden. Außerdem will die Regierung mit dem von ihr vorgelegten Gesetzentwurf die Berechnung der Vergütung vereinfachen. Dabei soll sowohl dem Grundsatz einer erfolgsbasierten Entlohnung – etwa durch einen Abschlussbonus – entsprochen werden als auch die Vergütung für zeitaufwändige Tätigkeiten erhöht werden. Im Zuge der Digitalisierungsbemühungen der Justiz soll darüber hinaus auch im Bereich des Gerichtsvollzuges ein eigenes Programm zum Einsatz kommen, das die Gerichtsvollzieher:innen bei ihrer Tätigkeit wesentlich unterstützen und bargeldlose Zahlungen vor Ort ermöglichen wird. Auch diese Gesetzesinitiative wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages, der redaktionelle Richtigstellungen beinhaltete, einstimmig befürwortet.

Von einem „guten Tag“ für alle Sachverständige sprach Justizministerin Alma Zadić angesichts der budgetären Verankerung der Erhöhung der Sachverständigengebühren.

Den Gesetzesentwurf befürwortete Karl Schmidhofer (ÖVP) und bedankte sich anlässlich seines Ausscheidens aus dem Nationalrat für die Zusammenarbeit. Angesichts der letzten Anpassung 2014 befand auch Harald Stefan (FPÖ) das Gesetz als „sinnvoll“. Von einer „fast überfälligen“ Anpassung sprach Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und begrüßte die Änderung der Systematik und die Einführung von bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten.

KFZ-HAFTPFLICHTVERSICHERUNGSRECHT WIRD AN NEUE EU-VERORDNUNG ANGEPASST

Einstimmig beschlossen hat der Nationalrat das Kraftfahr-Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2023 zur Umsetzung einer EU-Richtlinie. Unter anderem geht es dabei um Entschädigungszahlungen bei fehlender Haftpflicht-Deckung, etwa weil das Unfallfahrzeug trotz Versicherungspflicht nicht versichert war oder nicht ermittelt werden konnte. Laut Richtlinie ist künftig in jedem Mitgliedstaat eine Entschädigungsstelle einzurichten, wobei in Österreich der Fachverband der Versicherungsunternehmen diese Rolle übernehmen wird. Die Entschädigungspflicht umfasst dabei, anders als bisher, auch Unfälle im Ausland.

Ulrike Fischer (Grüne) und Klaus Fürlinger (ÖVP) begrüßten die Gesetzesänderung, weil sie einen besseren Schutz für Verkehrsopfer bringe. Fischer zeigte sich jedoch überzeugt, dass der beste Schutz vor Verkehrsunfällen der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel sei. Fürlinger hoffte, dass es durch die Änderung zu keiner Erhöhung der Versicherungsprämien komme. Begrüßt wurde die Umsetzung der EU-Richtlinie auch von Ruth Becher (SPÖ), weil damit ein großer Schritt in Richtung Harmonisierung des Versicherungswesens in Europa getan werde.

ÄNDERUNGEN BEI VERTEILUNGSREGELUNG VON VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN

Auch eine Novelle zum Verwertungsgesellschaftengesetz wurde einstimmig beschlossen. Demnach soll bei der Verteilung des eingenommenen Entgelts aus sogenannten Weitersendungen nach dem Urheberrecht künftig auch die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übermittlung von Rundfunksendungen des ORF mitberücksichtigt werden können. Damit soll die derzeitige Praxis der Verwertungsgesellschaften auf eine rechtssichere Grundlage gestellt werden. Eine Erhöhung der Vergütung für die Weitersendung rechtfertige die neue Bestimmung aber nicht, wird mit Verweis auf das „ORF-Privileg“ ausdrücklich festgehalten.

Eva Blimlinger (Grüne) bezeichnete die Novelle als „gute und gerechte Lösung“ sowohl für die Verwertungsgesellschaften als auch für die österreichischen Künstler:innen. Kurt Egger (ÖVP) strich ebenso als positiv hervor, dass die heimische Kreativszene mit vorliegender Änderung unterstützt werde. Johannes Margreiter (NEOS) sah es als erfreulich, dass mit der Novelle Rechtssicherheit geschaffen werde. (Fortsetzung Nationalrat) pst/kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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