Bures zum Parlament der Ausgegrenzten: Politik muss auch den Schwächsten der Gesellschaft zuhören

Bures zum Parlament der Ausgegrenzten: Politik muss auch den Schwächsten der Gesellschaft zuhören

Armutsbetroffene diskutieren im „Parlament der Ausgegrenzten“ ihre Anliegen mit Abgeordneten

Zum dritten Mal ist das „Parlament der Ausgegrenzten“ im Hohen Haus zusammengekommen, um Menschen mit Armutserfahrungen Gelegenheit zu geben, mit Parlamentarier:innen zusammenzutreffen und ihnen Einblicke in ihre Lebensrealität zu geben. Auf Initiative der Plattform „Sichtbar Werden“ und der österreichischen Armutskonferenz hatte Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures zu dem Austausch geladen. Rund 60 Teilnehmer:innen konnten mit den Gesundheits- und Sozialsprecher:innen der Parlamentsfraktionen über ihre Probleme, Anliegen und Forderungen diskutieren. Die Moderation der Veranstaltung übernahmen Michaela Moser als Sprecherin der Armutskonferenz und Philipp Sonderegger, der NGOs in Fragen der Menschenrechte berät.

Nach den Eröffnungsworten von Zweiter Nationalratspräsidentin Bures begrüßten der Obmann des Ausschusses für Arbeit und Soziales Josef Muchitsch sowie Vertreter:innen der Plattform „Sichtbar Werden“ die Gäste. Nach den Diskussionen und Gesprächen an Weltcafé-Tischen fassten Abgeordnete aller Fraktionen die von ihnen gewonnenen Eindrücke in kurzen Statements zusammen.

BURES: WERT EINER GESELLSCHAFT BEMISST SICH AM UMGANG MIT DEN SCHWÄCHSTEN

In ihren Eröffnungsworten sagte Zweite Nationalratspräsidentin

Doris Bures, dass es am Vorabend des 17. Oktober, des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut, ein wichtiges politisches Signal sei, sich denen zu widmen, die „nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen“ seien. Der Wert einer Gesellschaft bemesse sich daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgehe. Hier sei es die Aufgabe der Politik, auch diesen Menschen zuzuhören. Sie danke daher der Armutskonferenz für die Initiative zu dieser Veranstaltung. Ganz besonders freue sie sich darüber, dass Vertreter:innen aller im Parlament vertretenen Parteien teilnehmen.

MUCHITSCH: SOZIALE PROBLEME WERDEN IMMER SICHTBARER

In seinen Begrüßungsworten hob auch Josef Muchitsch (SPÖ) als Obmann des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Nationalrats hervor, dass er stolz darauf sei, dass es mit der Veranstaltung gelungen sei, über Fragen der Armutsgefährdung und Ausgrenzung parteienübergreifend zu diskutieren. Das sei umso wichtiger, als immer mehr Anzeichen einer drohenden Spaltung der Gesellschaft zu bemerken seien. Mit der COVID-19-Pandemie seien die Probleme vieler gesellschaftlicher Gruppen in Österreich noch deutlicher sichtbar geworden, etwa von Kindern und Alleinerziehenden, von Arbeitslosen, insbesondere, wenn es sich um ältere Arbeitnehmer:innen handelt, und Pensionist:innen. Die Politik nehme deren Probleme oft nicht in ausreichendem Maße wahr. Daher seien Veranstaltungen wie das „Parlament der Ausgegrenzten“ besonders wichtig.  

PLATTFORM „SICHTBAR WERDEN“ FÜR MITSPRACHE UND SOZIALE MENSCHENRECHTE

Die Begrüßung der Vertreter:innen der Plattform „Sichtbar Werden“ erfolgte in Form einer kurzen Performance, ausgehend von der Frage: „Muss ich das letzte Hemd hergeben?“. Im Mittelpunkt standen die Anliegen der Mitspracherechte und der sozialen Menschenrechte. „Wir sind die Zivilgesellschaft“, „Ich will kein Opfer mehr sein“ und „Wir müssen sichtbar werden“ waren zentrale Statements, die in der Feststellung mündeten: „Armut bekämpfen ist eine politische Entscheidung.“    

SCHLUSSFOLGERUNGEN DER ABGEORDNETEN AUS DEN GESPRÄCHEN MIT BETROFFENEN

Im Format von Weltcafé-Tischen diskutierten die Teilnehmer:innen über die Themen „Energie und Wohnen“, „Teuerung und Klima“, „Gesundheit und Ernährung“, „Grundsicherung und Sozialhilfe“, „Kinder- und Altersarmut“ sowie „Demokratie und Partizipation“. Die teilnehmenden Abgeordneten erhielten zum Abschluss Gelegenheit, ihre Eindrücke und Erkenntnisse kurz zusammenzufassen.

ÖVP-Integrationssprecher Ernst Gödl meinte, in der Diskussion seien die unterschiedlichen Standpunkte sehr offen und teilweise auch hart angesprochen worden. Er sei für diese Offenheit dankbar, da der Sozialstaat nie völlig zu Ende gedacht werden könne und es daher wichtig sei, auf bestehende Lücken hinzuweisen. So sei es etwa wichtig, sich der Probleme von Alleinerzieher:innen weiter anzunehmen.

Auch Josef Muchitsch, Sozialsprecher der SPÖ, nahm auf die Probleme von Müttern und Alleinerzieher:innen Bezug und meinte, es könne nicht angehen, dass die Entscheidung, sich der Kindererziehung zu widmen, ein Weg in die sichere Altersarmut sei. Eine Kindergrundsicherung, bei der es nicht nur um Geld gehe, sondern um Angebote der sozialen Teilnahme sei seiner Ansicht nach möglich. Auch gelte es, dafür zu sorgen, dass ältere Arbeitnehmer:innen ihre Erfahrungen weiterhin im Berufsleben einbringen können.

SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher sagte, für ihn hätten die Diskussionen bestätigt, wie stark die Entscheidungen, die das Parlament trifft, das Leben der Menschen berührt. Die Politik müsse sich daher an ihren Taten messen lassen.

Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen, berichtete von Gesprächen über das Recht auf Respekt und Würde als einem zentralen Menschenrecht. Aus seiner Sicht könne nur eine echte Grundsicherung dieses sicherstellen. Eine große Herausforderung sei es, den Klimaschutz auch als soziale Herausforderung zu begreifen und gute Arbeitsplätze sicherzustellen.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sah bestätigt, dass steigende Mieten und Energiepreise bei gleichzeitig zu geringen Einkommen für immer mehr Menschen in Österreich zum Problem werden. Nach wie vor gelte es, sich der Frage der prekären Arbeitsverhältnisse anzunehmen. Das soziale Klima im Land werde eindeutig kälter. Das zeige sich in vielen Gesprächen, die sie mit Bürger:innen führe.

NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler meinte, Österreichs Gesundheitssystem sei teuer, arbeite aber für viele Menschen ineffizient. Für die Sicherung der medizinischen Grundversorgung wären aus ihrer Sicht nicht so sehr mehr Kassenarztstellen, sondern bessere Kassenverträge wichtig. Auch die Forderung, dass Menschen mit Behinderung, die in Tageswerkstätten arbeiten, Lohn statt Taschengeld erhalten sollten, bleibe aufrecht. (Schluss) sox

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.

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