EU-Erweiterung am Westbalkan im Fokus des 1. Tages des 19. Salzburg Europe Summit 2023

EU-Erweiterung am Westbalkan im Fokus des 1. Tages des 19. Salzburg Europe Summit 2023

Zum 19. Mal findet in Salzburg der Salzburg Europe Summit statt. Dieses Jahr steht der internationale Kongress unter dem Motto: „Europa: Aufbruch zu neuen Horizonten“, womit sich der Summit in positiver Weise mit der Bewältigung der Herausforderungen Europas auseinandersetzt.

In seiner Keynote Speech betonte Österreichs Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher die Bedeutung der Staaten Südosteuropas für ganz Europa und strich die besonderen Verbindungen der Region zu Österreich hervor. Diese seien in Geschichte und Kultur beiderseits verwurzelt. Nun gelte es, die Länder des Westbalkan näher an Europa heranzubringen. Der „Westbalkan ist eine Zukunftsregion“, so Kocher, der auch das künftige österreichische Engagement als Partner hervorhob, dies sei „ein Herzensanliegen“. Wie gut dies funktionieren könne, habe bereits die EU-Osterweiterung gezeigt.

Für Getoar Mjeku, Vize-Minister für Wirtschaft der Republik Kosovo, steht mit Blick auf die EU-Mitgliedschaft seines Landes fest: „Wir haben keinen Plan B“, dies sei der einzige glaubwürdige Pfad. Allerdings sei die Umsetzung teils herausfordernd, da das entsprechende Bekenntnis nicht von allen gleich stark verfolgt werde. Es gebe laufend Fortschritte in Handel und Geschäftstätigkeit über Landesgrenzen hinweg, aber um die vorhandenen Barrieren zu überwinden, brauche es politische Unterstützung. Alle Länder der Region seien gefordert, gleichermaßen an den Werten der EU festzuhalten.

Nikola Jovanović, Direktor des Belgrader Center for Local Government (CLS – Centar za Lokalnu Samoupravu) verwies auf die hohen direkten Investments in Serbien und betonte die wichtige Rolle regionaler und kommunaler Behörden, wobei es sein erklärtes Ziel sei, über entsprechende Netzwerke auf lokaler Ebene eine Art „Bottom-Up“-Fortschrittsdenken zu erreichen. Die Gemeinden der Region könnten und müssten stärker kooperieren, dies würde die Prozesse voranbringen. Von Seiten der EU brauche es eine „klare Deadline“, die helfe, die Arbeiten zu fokussieren.

Gerd Bommer, Regionalmanager für Südosteuropa, Osteuropa und Zentralasien der Wirtschaftskammer Österreich, verwies auf die Erfolge für österreichische Unternehmen im Zuge der Ost-Erweiterung. Viele Investitionen der Vergangenheit hätten sich gerechnet, gerade auf lange Sicht. Besondere Chancen ortete er im Bereich Smart Energy, hier sei es wünschenswert, wenn man mittelfristig von „Silicon Balkans“ sprechen könne. Wirtschaft sei aber keine Einbahnstraße, nach Investitionen und Exporten sei es wichtig, aus den Partnerländern auch zu importieren.

Für Obrad Tadic, CEO der serbischen Firma Smart Energy Investment, stehen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen im Zentrum der Frage nach Erfolg. Das wirtschaftliche Klima der Region verbessere sich laufend und die Finanzierungen seien zuverlässig, das sei für Unternehmen besonders wichtig, denn Rechnung müssten eben bezahlt werden. Dass dies gut funktioniere, zeige auch das Engagement von großen österreichischen Unternehmen in vielen Ländern Südosteuropas.

Zur Bedeutung des rechtlichen Rahmens war der Bürgermeister des Distrikts Brčko in Bosnien-Herzegowina, Zijad Nisic, sehr klar. Seine Region entwickle sich vor allem deshalb gut, weil dort politische Stabilität herrsche. Potentiale sah er insbesondere in der Renaissance der Transportwirtschaft, aber auch in der starken regionalen Landwirtschaft, allerdings brauche es noch mehr verarbeitende Industrie, für die sich viele Rohstoffe und gut ausgebildete Fachkräfte schon heute vor Ort fänden. 

Der Wiederaufbau der Ukraine stand im Fokus des 2. Panels am Salzburg Europe Summit.

Seit nunmehr über anderthalb Jahren befindet sich die Ukraine mitten in der Abwehr der russischen Eskalation. Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler, die im Herbst des Vorjahres eine hochrangige Delegation europäischer Politikerinnen nach Kyiv angeführt hatte, betonte dabei auch die Rolle von Frauen. Es gelte hervorzuheben, welch entscheidende Rolle eine riesige Zahl von Frauen gerade auch im Militär spielen, dies werde auch im Wiederaufbau gelten. Wiederaufbau und EU-Integration bezeichnete Der Wiederaufbau müsse bereits jetzt angegangen werden, denn etwa Energie und Infrastruktur seien entscheidend für alles andere, was danach folgen müsse. Edtstadler hob besonders das Engagement vieler österreichischer Unternehmen hervorhob, die auch im Krieg in der Ukraine aktiv geblieben sind. Ihnen werde künftig eine noch wichtigere Rolle zukommen.

Per Video zugeschaltet war Oleksandra Azarkhina, Vizeministerin für Infrastruktur der Ukraine. Sie betonte, das Wann und Wie des Wiederaufbaus sei eine Existenzfrage für die Ukraine. Es brauche wieder funktionstüchtige Infrastruktur, damit die Menschen leben könnten. 2022 habe Russland rund 400 Brücken in der Ukraine zerstört, bereits im selben Jahr habe die Ukraine 40 davon wiederaufgebaut, 2023 100 weitere. Dies sei wichtig für humanitäre Hilfe, aber auch für Transport und Logistik. Azarkhina verwies in diesem Zusammenhang etwa auf Getreidelieferungen, die auch für Westeuropa lebensnotwendig seien. Besonders strich die ukrainische Ministerin das Projekt Dream hervor (dream.gov.ua), ein Projekt für digitale Transparenz des Wiederaufbaus, dies solle Wettbewerb und Dialog fördern.

Serhii Bostan, Stadtrat in Czernowitz, führte aus, dass es unterschiedliche Programme für unterschiedliche Regionen brauche. In den östlichen Landesteilen, wo die Front nahe ist, gehe es um den Wiederaufbau der von russischen Truppen zerstörten Infrastruktur. Im Westen, etwa in Czernowitz, gehe es um andere Dinge, darunter die Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Osten.

Die estnische Staatssekretärin Mariin Ratnik verwies besonders auf die Fortschritte der Ukraine in Bezug auf Transparenz und die Verfügbarkeit von Daten sowie Informationen, wobei die vorhandenen Projekte wie Dream vorbildlich seien. Dies gebe Bürgern wie Unternehmen gute Zugänge – aber auch internationalen Investoren. Der anzustrebende Friede müsse zu den Bedingungen der Ukraine mit Blick auf territoriale Integrität erzielt werden. Ihre litauische Amtskollegin als Koordinatorin, Erika Kuročkina, die auch Vize-Ministerin für Wirtschaft und Innovation ihres Landes ist, lobte „Dream“ als ein herausragendes Projekt. Die Zögerlichkeit vieler Partner könne so etwas entgegengesetzt werden. Die digitale Stärke der Ukraine habe sich auch mit militärischen Erfolgen bezahlt gemacht.

Der Vertreter der Europäischen Investitionsbank EIB in der Ukraine, Jean-Erik De Zagon, erläuterte die hohen Finanzvolumina, die der Ukraine seit Kriegsbeginn zur Verfügung gestellt worden seien. Schlüssel für den Wiederaufbau sei die Infrastruktur, denn ohne Schulen, Häuser, Spitäler und Energie sei nicht zu erwarten, dass die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren würden, was dazu führen würde, dass die für den Wiederaufbau nötigen Humanressourcen fehlen würden. Harald Riener, Vorstandsmitglied der Vienna Insurance Group mit Zuständigkeit Ukraine,  lobte besonders den „Spirit“, mit dem die Ukrainer ihr Land verteidigen und ihr Leben neu organisieren. Mit Blick auf die Digitalisierungsfortschritte des Landes meinte er, die Ukraine könne künftig ein richtiggehender Inkubator für die EU werden, denn wo andere viel reden, würde in der Ukraine die digitale Transformation mit Hands-on-Mentalität schlichtweg durchgezogen.

Stefan Haböck, IRE Policy Advisor
stefan.haboeck@institut-ire.eu
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