ORF: Nationalrat gibt grünes Licht für neue Haushaltsabgabe

ORF: Nationalrat gibt grünes Licht für neue Haushaltsabgabe

Digitales Angebot des ORF wird ausgeweitet, “blaue Seite” beschränkt, ORF zu Sparmaßnahmen verpflichtet

Der Nationalrat hat heute zum Auftakt der Plenarwoche grünes Licht für das ORF-Reformpaket gegeben. ÖVP und Grüne stimmten für den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf, der unter anderem die Umwandlung der GIS-Gebühr in eine Haushaltsabgabe ab Anfang 2024 und eine Ausweitung des digitalen Angebots des ORF bringt. Auch die deutliche Reduktion der Textmeldungen auf der Überblicksseite von orf.at sowie stärkere Werbebeschränkungen im Radio- und im Online-Bereich sind damit auf Schiene. Außerdem wird der ORF zu Sparmaßnahmen, etwa beim Personal, und zu mehr Transparenz verpflichtet.

Geschlossen abgelehnt wurde das Gesetzespaket von der Opposition. Sie kritisierte unter anderem, dass die Reform nicht für eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF genutzt wird. Die FPÖ wandte sich außerdem dagegen, in Zeiten der Teuerung eine neue “Zwangssteuer” einzuführen. Diverse Entschließungsanträge der Oppositionsparteien fanden bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit.

MONATLICHE ORF-GEBÜHR VON 15,3 €

Die Höhe der neuen ORF-Haushaltsabgabe wird für die Jahre 2024 bis 2026 mit monatlich 15,3 € festgelegt, was unter der derzeitigen GIS-Gebühr von 18,59 € liegt. Zudem verzichtet der Bund künftig auf den Kunstförderungsbeitrag, der gemeinsam mit der GIS-Gebühr eingehoben wird. Damit würden 3,7 Millionen Menschen in Österreich deutlich entlastet, machte Medienministerin Susanne Raab geltend.

Mit der Novelle wird dem ORF künftig außerdem gestattet, reine Online-Angebote bereitzustellen. So ist etwa ein eigener Kinderkanal in Aussicht genommen. Gleichzeitig wird die Abrufdauer von Sendungen in der ORF-Mediathek verlängert. Im Gegenzug ist der ORF angehalten, stärker mit Privatsendern zu kooperieren, sofern diese das wünschen. Sowohl der Spartensender Sport+ als auch das Radiosymphonieorchester sollen bis zumindest Ende 2026 erhalten bleiben. Danach könnte Sport+ ins Internet wandern.

SPÖ FORDERT SOZIALE STAFFELUNG DER HAUSHALTSABGABE

Seitens der SPÖ kritisierte Jörg Leichtfried unter anderem das neue Finanzierungsmodell für den ORF. Die SPÖ stehe zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zu einer gesicherten Finanzierung des ORF, betonte er. Die vorgesehene Haushaltsabgabe ist seiner Meinung nach aber sozial ungerecht. Es sei nicht fair, wenn “eine Millionenerbin in der Seevilla” gleich viel zahle wie “die Supermarktkassiererin in der Zwei-Zimmer-Wohnung”. Er und seine Fraktionskolleg:innen Alois Stöger, Gabriele Heinisch-Hosek und Maximilian Köllner plädierten in diesem Sinn für eine soziale Staffelung der Gebühr.

Darüber hinaus drängte die SPÖ auf einen dauerhaften Erhalt des Radiosymphonieorchesters und des Spartensenders Sport+ sowie auf eine Gremienreform. Es könne nicht sein, dass eine Partei, die bei den letzten Nationalratswahlen 37 % der Stimmen erhalten habe, über eine Zweidrittelmehrheit im Stiftungsrat des ORF verfüge, sagte Leichtfried. Zudem pochte er auf eine stärkere Unabhängigkeit des ORF. Abgeordneter Stöger kritisierte, dass die “blaue Seite” zu Lasten der Gebührenzahler:innen “kaputtmacht gemacht” werde, wofür er insbesondere ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verantwortlich machte. Zum Spartensender Sport+ lag dem Plenum auch ein Entschließungsantrag von SPÖ-Abgeordnetem Köllner vor, der bei der Abstimmung jedoch in der Minderheit blieb.

FPÖ KRITISIERT “ZWANGSSTEUER” UND ORTET “SKANDAL”

Von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt wurden auch drei Entschließungsanträge der FPÖ. Neben einer vollständigen Abschaffung der “ORF-Zwangsgebühren” forderten FPÖ-Chef Herbert Kickl und seine Fraktionskolleg:innen ein Verbot des ihrer Meinung nach ideologisch motivierten Binnen-I im öffentlich-rechtlichen Sender und riefen die Regierung dazu auf, gegen einen “Maulkorb-Erlass” des ORF zum neuen Finanzierungsmodell vorzugehen.

Das, was heute beschlossen werde, sei “eine Schande, beschämend und ein Skandal”, fuhr Kickl in der Debatte schwere Geschütze auf. Unter dem verharmlosenden Namen Haushaltsabgabe werde “eine hunderte Millionen schwere Zwangssteuer” eingeführt. Das sei nicht nur eine Belastung der Bevölkerung, sondern auch “ein Anschlag auf die Medienvielfalt” zu Lasten privater Medienunternehmen. Die große Mehrheit der Bevölkerung und der Wähler:innen wolle die Gebühr nicht, ist sich Kickl sicher und kündigte an, die Haushaltsabgabe wieder abzuschaffen, wenn die FPÖ die nächste Bundesregierung anführe. “Das steht ganz oben auf unserer Liste”, so Kickl.

Scharfe Attacken richtete Kickl auch gegen den ORF selbst. Die Haushaltsabgabe fließe in eine “mediale politische Umerziehungsanstalt”, die sich als “Propagandainstrument der Mächtigen” einspannen lasse und in der Corona-Zeit Fake News verbreitet habe, sagte Kickl. Zudem würden damit “parteipolitische Bonzen und Privilegienritter”, “linker Woke-Wahnsinn”, “stinklangweilige” Talk-Formate und “abgehalfterte und abgetakelte Spaßmacher und Kabarettisten” finanziert. Eine Regierung unter der FPÖ werde auch dafür sorgen, dass der ORF seinen Kernauftrag wieder erfülle.

Bekräftigt wurde die Kritik Kickls von den FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch und Petra Steger. Für die, die den ORF nicht nutzen, werde es künftig teurer, hielt Belakowitsch Medienministerin Susanne Raab entgegen. Zudem warf sie dem ORF vor, weder dem Objektivitätsgebot noch dem Informations- und Bildungsauftrag nachzukommen. Viele Mitarbeiter:innen des ORF würden zudem in prekären Verhältnissen arbeiten, während andere Spitzengehälter erhielten. Steger hält die ORF-Gebühr überdies für gleichheitswidrig und rechnet damit, dass das Gesetz in den nächsten Jahren “die Gerichte beschäftigen wird”.

NEOS VERMISSEN REFORMEN

Von einem “Murks” und einer vergebenen Chance sprach NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Ihrer Ansicht nach ist das vorliegende Paket keine Reform, vielmehr werde der Status quo beim ORF “einzementiert”. Alle Probleme, die es jetzt gebe, werde es weiterhin geben.

Konkret vermisst Brandstötter unter anderem eine Gremienreform. Es brauche eine Entpolitisierung des ORF, um diesen “aus dem Würgegriff der Parteien” zu befreien, sagte sie. Zudem müsse man darüber diskutieren, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk im 21. Jahrhundert leisten solle und was “Public Value” sei. Als ein gutes Beispiel für aktuelle “Auswüchse” sieht Brandstötter die 120 Podcasts des ORF zu unterschiedlichsten Themen, deren öffentlich-rechtlicher Mehrwert zu hinterfragen sei. Das führe zu massiven Marktverzerrungen, da sich der ORF im Gegensatz zu privaten Medienhäusern keine Gedanken um die Finanzierung machen müsse.

Auch NEOS-Abgeordnete Julia Seidl bemängelte, dass parteipolitische Einflussnahme im ORF weiter möglich bleibe. Damit spiele man der FPÖ in die Hände, hob sie hervor. Ein Entschließungsantrag der NEOS, der auf eine Schärfung und Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF unter Einbindung der Zivilgesellschaft abzielte, fand allerdings keine Mehrheit.

ÖVP HEBT BEDEUTUNG DES ORF ALS WIRTSCHAFTSFAKTOR HERVOR

Namens der Koalitionsparteien verteidigten unter anderem ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer die vorliegende Novelle. Es sei notwendig, das VfGH-Urteil zu den GIS-Gebühren umzusetzen und die Streaming-Lücke zu schließen, betonte Egger. Durch die vorgesehene Haushaltsabgabe werde es aber für viele günstiger. Gleichzeitig sorge die Novelle dafür, dass es einen schlankeren, transparenteren, besseren und nutzerfreundlicheren ORF geben werde. So müssten künftig etwa Spitzengehälter und Werbemaßnahmen offengelegt werden. Auch der Erhalt der Medienvielfalt sei der ÖVP ein wesentliches Anliegen gewesen.

Die ÖVP trete für einen unabhängigen Journalismus jenseits von Fake News und “Freiheitlichen Wahrheiten” ein, betonte Egger. Unabhängiger Journalismus sei ein Korrektiv für die Politik. Man dürfe außerdem nicht vergessen, dass der ORF “ein großartiger Wirtschaftsfaktor” sei. So investiere dieser Millionen in die Filmförderung, in die Kultur und in den Breitensport. Wenn die FPÖ das nicht wolle, solle sie das sagen, erklärte Egger. Seine Partekolleg:innen Karl Schmidhofer und Maria Großbauer machten sich für vielfältige Sportübertragungen bzw. für den Erhalt des Radiosymphonieorchesters stark.

GRÜNE: ORF IST UNABDINGBAR FÜR ÖSTERREICHISCHE DEMOKRATIE

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer unterstrich, dass mit der Novelle nicht nur die Finanzierung des ORF neu geregelt werde, sondern diese dem Sender auch ermögliche, “digitaler und zukunftsfähig” zu werden. Gleichzeitig werde der ORF zu mehr Barrierefreiheit verpflichtet.

Eine vielfältige und unabhängige Medienlandschaft sowie der ORF seien unabdingbar für die österreichische Demokratie, betonte Maurer. Es brauche Qualitätsjournalismus, der die Bevölkerung mit gesicherten und geprüften Informationen versorge. Das sei in Zeiten von Fake News wichtiger denn je. Im Gegensatz zur FPÖ wolle sie außerdem weiterhin in einem Land leben, wo sich Politiker:innen kritischen Fragen von Journalist:innen stellen müssen. Die Bevölkerung dürfe für Informationen nicht auf Parteikanäle wie FPÖ-TV angewiesen sein, wo Fake News und “Putin-Propaganda” verbreitet würden. Maurer wies zudem darauf hin, dass das ORF-Angebot von 95 % der Bevölkerung genutzt werde. Die Menschen würden künftig weniger als bisher zahlen und mehr Programm bekommen.

Was die “blaue Seite” betrifft, meint Grün-Abgeordnete Eva Blimlinger, “Gott sei Dank” sei es gelungen, diese zu erhalten, auch wenn ihr die Fortführung eines breiteren Textangebots lieber gewesen wäre. Beim Stiftungsrat und beim Publikumsrat sind laut Blimlinger auch die Grünen für Änderungen – sie setzt in diesem Zusammenhang auf den Verfassungsgerichtshof, wo eine Beschwerde anhängig sei.

RAAB: FÜR GEBÜHRENZAHLER:INNEN WIRD ES DEUTLICH GÜNSTIGER

Medienministerin Susanne Raab betonte, ihr seien bei der Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zwei Ziele wichtig gewesen: Es müsse für alle Menschen, “die bisher brav die GIS-Gebühr gezahlt haben”, billiger werden, und der ORF müsse sparen. Beides sei erreicht worden. Die Bevölkerung wolle einen öffentlich-rechtlichen Sender, der schlanker und effizienter sei, ist sie überzeugt. Mit der Novelle komme es zu “einem Ende von überschießenden Privilegien”, zudem werde es ein deutlich besseres Programm und deutlich mehr Transparenz geben.

Zur inhaltlichen Kritik am ORF merkte Raab an, auch sie sei “nicht mit allem einverstanden”, was der ORF sende. Es brauche aber – wie in anderen Ländern auch – einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich. Diesen müsse man auch finanzieren. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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