Die Teuerung geht nicht auf Urlaub: Caritas erinnert an strukturelle Reformen, um Armut in Österreich nachhaltig zu lindern
Die Teuerung geht nicht auf Urlaub: Caritas erinnert an strukturelle Reformen, um Armut in Österreich nachhaltig zu lindern
Landau: „Bundesregierung hat wichtige Hilfen auf den Weg gebracht, ein armutsfestes Sozialnetz braucht aber nachhaltige Strukturreformen.“
Die Teuerung hat das Land weiterhin fest im Griff, zuletzt lag die Inflationsrate bei 9 Prozent. Die massiven sozialen Folgen sind längst sichtbar. „Die Not in Österreich nimmt deutlich zu. Bei den sozial und materiell deprivierten Menschen gab es innerhalb eines Jahres einen dramatischen Anstieg von 160.000 Menschen auf 201.000“, betont Caritas Präsident Michael Landau. Die zunehmende Not sei auch Tag für Tag in den Einrichtungen der Caritas sichtbar. „Die Erstkontakte bei den österreichweiten Sozialberatungsstellen der Caritas sind beispielsweise im letzten Jahr um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die Schlangen vor den Beratungsstellen und Lebensmittelausgabestellen reißen seitdem nicht ab“, betont Landau. Alleine die Lebensmittelausgabestellen der Caritas Erzdiözese Wien geben Woche für Woche rund 20 Tonnen Lebensmittel an armutsbetroffene Menschen aus. „76 Prozent unserer Klient*innen sind nicht mehr in der Lage, regelmäßig warmes Essen für sich und ihre Kinder auf den Tisch zu stellen. Ohne Unterstützung von Hilfsorganisationen würden sie nicht über die Runden kommen“, zitiert Klaus Schwertner, Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, aus der SORA-Befragung „Unterm Radar“, für die im Frühjahr 400 Klient*innen der Caritas Sozialberatungsstellen in Wien und Niederösterreich zu ihren Lebensumständen befragt wurden.
VIELE HILFEN AUF DEN WEG GEBRACHT, ABER ES BLEIBT AKUTER HANDLUNGSBEDARF BEI STRUKTURELLEN REFORMEN
„Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten zweifelsohne viele Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht, um die größer werdende Not abzufedern. Die Gelder sind auch bei den Menschen angekommen und haben bei vielen für ein kurzes Aufatmen gesorgt. Neben den Einmalzahlungen war vor allem auch die Valorisierung der Sozialleistungen ein wichtiger und richtiger Schritt, um die Armut in Österreich zu lindern“, unterstreicht Nora Tödtling-Musenbichler, Caritas Vizepräsidentin der Caritas Österreich und Direktorin der Diözese Graz-Seckau, dass auch viel Gutes in Sachen Armutsbekämpfung geschehen sei. „Das Sozialsystem funktioniert. Die Preise sind nur dermaßen explodiert, dass die Leistungen einfach nicht mehr ausreichen. Das Sozialsystem hat Risse bekommen und ist schlicht nicht mehr das letzte Auffangnetz für Menschen in Not. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, bei der Hilfe nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben und weitere wichtige strukturelle Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Bis zu den nächsten Wahlen ist nicht mehr viel Zeit, und Reformen brauchen eine gewisse Vorlaufzeit“, streicht Tödtling-Musenbichler die Dringlichkeit hervor. Vorschläge für nachhaltige Reformschritte liegen genug am Tisch.
SOZIALHILFE REPARIEREN: WEIL DER BEDARF UND NICHT DER WOHNORT ÜBER DIE HILFE ENTSCHEIDEN SOLL
Konkret schlägt die Caritas zum einen eine Reform der Sozialhilfe vor. „Es ist nicht nur so, dass die Leistungen aus der Sozialhilfe zu niedrig sind. Die Sozialhilfeleistungen sind zudem auch ein föderaler Fleckerlteppich. Wegen gesetzlicher Kann-Bestimmungen entscheidet nicht die Not, sondern der Wohnort über die Höhe der Leistungsansprüche“, betont Tödtling-Musenbichler. So haben die Bundesländer bei der Ausgestaltung der Leistungen große Spielräume, weil in weiten Teilen keine Mindeststandards im Bundesgesetz definiert sind, sondern lediglich Maximalbeträge. „Das führt dazu, dass beispielsweise eine alleinerziehende Mutter dreier Kinder, die nur Teilzeit arbeiten kann, in dem einem Bundesland mehr als doppelt so viel Sozialhilfe bekommt wie in dem anderen. Das versteht niemand und dies geht nur zu Lasten der Betroffenen“, so Tödtling-Musenbichler. „Wir als Caritas schlagen eine Gesamtreform der Sozialhilfe vor: mit bundesweit einheitlichen Mindeststandards statt Maximalbeträgen, bedarfsorientierten Kinderrichtsätzen, der Neugestaltung des Wohnbedarfs und dem Verbot der Anrechnung anderer Sozialleistungen“, stellt Tödtling-Musenbichler klar. Bis zu dieser Gesamtreform appelliere sie an die Bundesländer, die Kann-Bestimmungen im Sinne der Armutsbetroffenen auszulegen.
6 VON 10 LANGZEITARBEITSLOSEN MENSCHEN IN ARMUT: ERHÖHUNG VON ARBEITSLOSENGELD UND NOTSTANDSHILFE EIN WICHTIGER HEBEL
Will man Armut wirksam reduzieren, kommt man auch an einer bedarfsgerechten Unterstützung von arbeitslosen Menschen nicht vorbei. Arbeitslosigkeit ist die häufigste Ursache für ein Abrutschen in Armut. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wurden aber beide im Zuge der Teuerungen nicht valorisiert. „Bei den wichtigen Hilfen der Bundesregierung haben arbeitslose Menschen bisher kaum profitiert, gleichzeitig stehen sie gewaltig unter Druck. Die aktuelle Teuerung hat de facto zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldes geführt, das in Österreich ohnehin schon unter dem OECD-Durchschnitt liegt. 6 von 10 langzeitarbeitslosen Menschen leben in Armut. Unser dringender Appell an die Politik lautet heute, in der Hilfe nicht nachzulassen. Die gescheiterte Arbeitsmarktreform muss in einem zweiten Anlauf rasch auf den Weg gebracht werden, um u.a. Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe rasch an die Inflation anzupassen“, so der klare Appell Schwertners.
EINE RASCHE UND SCHNELL UMSETZBARE REFORM: RAUF MIT DER AUSGLEICHSZULAGE!
Ein weiteres vielversprechendes Instrument einer Strukturreform für ein armutsfestes Sozialnetz ist die Erhöhung der Ausgleichszulage. „Die Ausgleichszulage definiert den Mindeststandard eines Sozialsystems. Derzeit herrscht eine große Kluft zwischen diesem Mindeststandard und der Armutsgefährdungsschwelle. Erhöhen wir diesen Mindeststandard substanziell, helfen wir schnell und unbürokratisch Menschen in größter Not und Armut. Das reicht von der Mindestpensionistin, die das Auslangen nicht mehr findet, bis hin zur Alleinerzieherin, die wegen der Kinder nur Teilzeit arbeiten kann“, hält Landau fest.
Zusammenfassend lässt sich dem Caritas Präsidenten zufolge sagen: „Die Bunderegierung hat viel Gutes auf den Weg gebracht. Die Regierung darf bei den Hilfen jetzt nur nicht müde werden: Erhöhen wir die Ausgleichzulage, reparieren wir die Sozialhilfe und machen wir das Arbeitslosengeld zukunftsfit. Dann ist unser Sozialsystem wieder jenes letzte Auffangnetz, wofür es geschaffen wurde: Menschen vor Armut zu schützen.“
Caritas Österreich
Wolfgang Marks
Pressesprecher
06767804677
wolfgang.marks@caritas-austria.at
www.caritas.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender