Erster Tag der Parlamentsforschung im Hohen Haus

Erster Tag der Parlamentsforschung im Hohen Haus

Beziehung zwischen Politik und Wissen stand zum Auftakt im Fokus

Erster Tag der Parlamentsforschung im Hohen Haus

Beziehung zwischen Politik und Wissen stand zum Auftakt im Fokus

Was wissen Parlamente? Und welche Rolle spielt dieses Wissen in der Gesetzgebung? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Auftakts zum ersten Tag der Parlamentsforschung. Die vom Rechts- Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst (RLW) der Parlamentsdirektion organisierten Veranstaltung bringt Wissenschaft und parlamentarische Praxis zusammen. Der Politikwissenschaftler Marc Geddes und die Rechtswissenschaftlerin Iris Eisenberger rückten in ihren Keynotes das Verhältnis zwischen Wissen(schaft) und Politik in den Fokus.

Mit der Veranstaltung wolle die Parlamentsdirektion eine Brücke zwischen Theorie und Praxis schaffen, betonte Parlamentsdirektor Harald Dossi in seinen Eröffnungsworten. Das Ziel sei ein weiterführender, kontinuierlicher Austausch zwischen parlamentarischer Forschung und Praxis. Denn für Parlamentarier:innen sei es von zunehmender Bedeutung, Wissen zu generieren und in ihre Arbeit einfließen zu lassen. Es könne deshalb nie genug Austausch zwischen Wissenschaft und parlamentarischer Praxis geben, so Dossi.

GEDDES: PARLAMENTE ALS „WISSENSINSTITUTIONEN“

Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Wissen auf der einen Seite und Politik und Demokratie auf der anderen Seite werden schon seit Jahrhunderten diskutiert, betonte Marc Geddes von der University of Edinburgh, der aktuell am Institute for Parliamentary Research in Berlin forscht. Heute sei diese Frage vor dem Hintergrund von Desinformation, dem Vertrauensverlust in die Politik und Herausforderungen wie Pandemie und Klimakrise aber bedeutender und dringlicher denn je, so Geddes.

In den vergangenen 30 Jahren habe die Forschung in diesem Bereich zwar stark zugenommen, legte der Politikwissenschaftler dar. Die Rolle der Parlamente sei dabei aber ein Stück weit übersehen worden – und das trotz ihrer zentralen Rolle in politischen Systemen. Für Geddes sind Parlamente „Wissensinstitutionen“. Während des parlamentarischen Prozesses werde Wissen gesammelt, produziert und bewertet.

Geddes illustrierte dies anhand einer Fallstudie über Sonderausschüsse im Parlament des Vereinigten Königreichs. Seine Forschung habe gezeigt, dass das von den Ausschüssen gesammelte Wissen überwiegend von der Regierung (23 %) und von Behörden (37 %) kommt. Nur 8 % des Wissens stammte von Wissenschaftler:innen an Universitäten.Im Unterschied zur akademischen Welt zählen in Parlamenten außerdem andere Faktoren, wenn es um die Bewertung von Wissen geht. So sei es etwa Tradition, dass alle politischen Richtungen in Hearings abgebildet seien. Es komme zudem auch auf die politischen Überzeugungen und Vorstellungen von Gerechtigkeit und Fairness an, nicht rein auf die Evidenz. Als Trends erkannte Geddes in seiner Forschung die zunehmende Einbindung der Erfahrung von Betroffenen, einen Fokus auf Diversität und Inklusion sowie die Nutzung innovativer Methoden, um Wissen zu generieren. Für die Ausschüsse bringe das aber auch Herausforderungen. Schließlich müssten immer größere Mengen an Material mit denselben Methoden und Ressourcen bewältigt werden.

Demokratie und Wissen seien untrennbar miteinander verbunden, argumentierte Geddes abschließend. Denn auf wen gehört werde, habe Einfluss darauf, wer im parlamentarischen Prozess eingebunden werde – und wer nicht.

EISENBERGER: KI-PROGRAMME SIND HERAUSFORDERUNG FÜR LIBERALE DEMOKRATIEN

Iris Eisenberger, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Wien stellte den Einfluss von Expert:innen-, Laien- und KI-Wissen auf die Gesetzgebung in den Fokus ihres Vortrages. So plädierte Eisenberger für eine klare Aufgabentrennung zwischen Expert:innen und der Politik. Während Expert:innen Wissen bereitstellen sollen, liege es in der Verantwortung der Politiker:innen, Prioritäten zu setzen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Dazu sei es nötig, die Pluralität der Disziplinen, Methoden und der Expert:innen sicherzustellen. Wie die Corona-Krise gezeigt habe, brauche es dazu die Etablierung permanenter institutioneller Vereinbarungen, so Eisenberger.

Was die Einbindung von Laienwissen im Gesetzgebungsprozess betrifft, gebe es hohe Ansprüche am Beteiligungsprozess von Bürger:innen oder Interessensvertretungen. Für Eisenberger gilt es, auch dieses Wissen abseits von Expert:innenmeinungen sicherzustellen, wobei aber Fragen der Glaubwürdigkeit und Legitimität beachtet werden müssten. Es sei auch hier eine klare Abgrenzung der unterschiedlichen Rollen vorzunehmen.

In Zusammenhang mit Programmen der künstlichen Intelligenz sprach Eisenberger von einer Herausforderung für liberale Demokratien und plädierte für eine Reduzierung des Tempos beim Einsatz in der Gesetzgebung. Zuerst brauche es mehr institutionelles Wissen darüber, wie diese Programme funktionieren, woher die generierten Inhalte kämen sowie wann und wo es Möglichkeiten zur Anwendung gebe. Aktuell würden Programme wie Chat GTP Mehrheitsmeinungen wiedergeben und diese somit weiter stärken.

DISKUSSION MIT DEN KEYNOTE-SPEAKER:INNEN

Um das Wissen von Parlamentarier:innen vielfältiger zu gestalten, gelte es auch, die Politik selbst diverser zu machen, betonte Marc Geddes in der anschließenden Diskussion mit Iris Eisenberger und Christoph Konrath von der Parlamentsdirektion. Es sei die Verantwortung der Parteien, Kandidat:innen mit unterschiedlichen Bildungskarrieren und Hintergründen aufzustellen. Außerdem sprach sich Geddes für mehr Schulungen für Parlamentarier:innen aus, wenn es um die Einordnung von Wissen geht.

Auch die Parlamentsverwaltungen und ihre wissenschaftlichen Dienste waren Thema der Diskussion. Um dem Anspruch der Unparteilichkeit in der Verwaltung gerecht zu werden und vielfältige Standpunkte zu berücksichtigen, brauche es mehr Zeit und weniger Effizienz, argumentierte Eisenberger. Man solle nicht alles ökonomisieren, meinte sie. Geddes fügte hinzu, dass die Äquidistanz besser gelinge, wenn sich öffentlich Bedienstete als „Diener:innen der Demokratie“ und nicht als „Diener:innen des Staates“ oder einer Institution sehen. (Fortsetzung Tag der Parlamentsforschung) kar/med

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