Neue Studie zeigt Gefahr von Cyber-Gewalt gegen Frauen auf

Neue Studie zeigt Gefahr von Cyber-Gewalt gegen Frauen auf

Mit der zunehmenden Digitalisierung häufen sich Fälle von Cyber-Gewalt gegen Frauen. Die Gefahr dahinter wird oftmals unterschätzt. Die Wissenslücke konnten Forscherinnen der FH Campus Wien und des ZSW – Zentrum für Sozialforschung & Wissenschaftsdidaktik mit ihrer Studie „(K)ein Raum“ über Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex)-Beziehungen ein Stück schließen.

BEWUSSTSEIN UND WISSEN SCHAFFEN

Bei häuslicher Gewalt gegen Frauen zeigt sich, dass Gefährder immer öfter technische Mittel zur Gewaltausübung anwenden. Für diese Gefahr gilt es, Bewusstsein und Wissen zu schaffen – sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf behördlicher Ebene. Magdalena Habringer, Projektleiterin der Studie sowie Forscherin und Lehrende an der FH Campus Wien, machte die Dynamiken von Cyber-Gewalt im Beziehungskontext im heutigen Pressegespräch deutlich: „Wenn der Gefährder der eigene Partner ist oder war, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er die Passwörter der Betroffenen kennt und damit Zugriff auf Geräte, Daten und Accounts hat, die eine fremde Person nicht so einfach hätte. Außerdem bestehen oft Abhängigkeiten oder es gibt gemeinsame Kinder, die eine Trennung oder die Hilfesuche erschweren.“ Hinzu kommt die gesellschaftliche Verharmlosung von digitalen Übergriffen. Wie stark Opfer von Cyber-Gewalt davon geprägt sind, wurde in den Interviews, die im Rahmen der Studie geführt wurden, klar. „Vor allem anfangs wird Cyber-Gewalt nur schwer als solche erkannt. So waren einige Befragte und ihr soziales Umfeld am Beginn der kontrollierenden Cyber-Gewalt noch überzeugt, dass die ständige Frage „Wo bist du, was machst du?“ ein Ausdruck von Liebe sei“, weiß Habringer.

KEIN SICHERER ORT MEHR

Digitale Übergriffe können unterschiedliche Ausprägungen annehmen. „Unsere Studie zeigt, dass Cyber-Gewalt meist sexualisiert ausgeübt wird. Häufig werden Nacktbilder veröffentlicht oder es findet eine sexualisierte Demütigung in den sozialen Medien statt – teils auch unter Manipulation des sozialen Umfeldes der Frauen. Personen im Umfeld wurden teilweise zu Mittäter*innen, etwa wenn Freund*innen der Betroffenen begannen, sie aufgrund jener Nacktbilder zu beschimpfen, die der Gefährder veröffentlicht hat“, sagt Habringer. „Für von Cyber-Gewalt betroffene Frauen ist es schwer, einen sicheren Rückzugsort zu finden, ohne etwa auf das Smartphone oder die sozialen Medien gänzlich zu verzichten. Das ist ein wesentliches Charakteristikum von Cyber-Gewalt“, so die Forscherin.

GEMEINSAMES VORGEHEN BEI CYBER-GEWALT NOTWENDIG

Um den technologischen Entwicklungen begegnen und Cyber-Gewalt entsprechend ahnden zu können, wären sowohl zusätzlicher IT-Support als auch verstärkte personelle Ressourcen bei Institutionen wie Staatsanwaltschaften und Polizei notwendig. Nina Wallner, Sozialarbeiterin im Gewaltschutzzentrum Burgenland, die die Studie maßgeblich unterstützt hat, weiß aufgrund ihrer Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz: „Die Beweissicherung bei Cyber-Gewalt ist herausfordernd und zeitaufwändig. Digitale Übergriffe sind mitunter schwer fassbar und vielschichtig. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, benötigt es Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen.“ Besonders wichtig seien einerseits die Vernetzung zwischen den zuständigen Institutionen, um einen gemeinsamen Umgang mit der Cyber-Gewalt im Beziehungskontext zu finden und andererseits der gesellschaftliche Diskurs, um Bewusstsein für das Thema zu schaffen.

„Eine zentrale Auswirkung von Cyber-Gewalt ist Ohnmacht. Diese ist unter anderem auf gesellschaftliche Verharmlosungen und ein teilweise noch wenig sensibilisiertes Hilfesystem zurückzuführen“, so Habringer ergänzend.

„Manchmal sprechen Betroffene in der Beratung lediglich Vermutungen oder diffuse Wahrnehmungen über das Erlebte aus. Die Strategie vieler Gefährder liegt genau darin, die Wahrnehmung der Betroffenen zu manipulieren“ weiß Wallner. „In der Beratung nehmen wir dieses Gefühl der Bedrohung ernst, denn dies ermöglicht erst, Hinweise auf Cyber-Gewalt zu erkennen und sie somit sichtbar zu machen“, so Wallner.

Betroffene können das Beratungsangebot der Gewaltschutzzentren nutzen, um den Kreislauf von Angst und Hilflosigkeit zu durchbrechen. Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren ist unter 0800 700 217 erreichbar. 

Die Studie ist hier abrufbar www.fh-campuswien.ac.at/cyber-gewalt 

FORSCHUNGSTEAM:

MAGDALENA HABRINGER (Projektleitung, FH Campus Wien)

ANDREA HOYER-NEUHOLD (Zentrum für Sozialforschung & Wissenschaftsdidaktik)

SANDRA MESSNER (Zentrum für Sozialforschung & Wissenschaftsdidaktik) 

Die Studie wurde finanziert von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS des Bundesministeriums für Finanzen.  

FH CAMPUS WIEN – HOCHSCHULE FÜR ZUKUNFTSTHEMEN

Mit über 8.000 Studierenden an drei Standorten und fünf Kooperationsstandorten ist die FH Campus Wien die größte Fachhochschule Österreichs. In den Departments Angewandte Pflegewissenschaft, Applied Life Sciences, Bauen und Gestalten, Gesundheitswissenschaften, Soziales, Technik sowie Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit, Politik steht ein Angebot von mehr als 60 Studien- und Lehrgängen in berufsbegleitender und Vollzeit-Form zur Auswahl. Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung wird in neun fachspezifischen Kompetenzzentren gebündelt. Fort- und Weiterbildung in Form von Seminaren, Modulen und Zertifikatsprogrammen deckt die Fachhochschule über die Campus Wien Academy ab. Die FH Campus Wien ist Gründungsmitglied im Bündnis Nachhaltige Hochschulen.

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