Antikorruptionsvolksbegehren: Justizausschuss hielt vierstündiges Expert:innenhearing ab

Antikorruptionsvolksbegehren: Justizausschuss hielt vierstündiges Expert:innenhearing ab

Initiator:innen sehen 71 Prozent der Forderungen noch offen

307.629 Österreicher:innen haben im vergangenen Jahr das sogenannte Antikorruptionsvolksbegehren unterzeichnet. Sie orten ein strukturelles Problem mit Korruption in Österreich und sorgen sich angesichts zuletzt öffentlich gewordener Fälle um den Rechtsstaat. Heute hat sich der Justizausschuss des Nationalrats in einem Expert:innenhearing mit den insgesamt 72 Forderungen der Initiative zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und des Rechtsstaats sowie zu Anstand und Integrität in der Politik befasst. In einem ersten Teil ging es dabei um Verfassungsfragen bzw. um Anliegen, für die Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler in der Regierung zuständig ist.

Als Expert:innen zu diesem Block waren Mathis Fister, Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht an der Johannes Keppler Universität Linz, der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner, die Rechtsanwältin Bettina Knötzl, Präsidentin des Beirats von Transperancy International, der Rechtswissenschaftler Konrad Lachmayer, Universitätsprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, sowie der Rechtsanwalt Christoph Völk, Experte für Medienrecht, Wirtschaftsrecht, Wettbewerbsrecht und Strafrecht, geladen. Die Forderungen des Volksbegehrens wurden dabei zum Teil durchaus positiv bewertet, gleichzeitig warnten manche Expert:innen aber davor, über das Ziel hinauszuschießen. Man müsse auch gegenläufige Interessen berücksichtigen, hielt etwa Fest fest. Allgemein gab Knötzl zu bedenken, dass Transparenz ein wichtiges Instrument zur Vorbeugung von Korruption sei.

Ministerin Edtstadler zeigte sich in Bezug auf das Informationsfreiheitsgesetz weiterhin zuversichtlich. Die Regierung werde auch hier – wie beim Antikorruptionspaket – „einen Abschluss setzen“, ist sie überzeugt.

Keine Mehrheit fand ein Antrag von FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan, die Tagesordnung um einen Antrag der Freiheitlichen auf Änderung des Strafgesetzbuchs (2939/A) zu ergänzen. Dieser sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten bzw. einem Jahr für Klimaschützer:innen vor, die durch Klebeaktionen Rettungseinsätze behindern. Das Thema sei sehr dringlich, es sei der FPÖ aber nicht gelungen, einen raschen Termin für einen Justizausschuss zu vereinbaren, argumentierte Stefan, konnte die anderen Fraktionen aber nicht für sein Anliegen gewinnen.

KREUTNER: 71 % DER FORDERUNGEN DES VOLKSBEGEHRENS NOCH OFFEN

Eingeleitet wurde das von Ausschussvorsitzender Michaela Steinacker geleitete Hearing mit Stellungnahmen der Initiator:innen des Volksbegehrens (1626 d.B.) Martin Kreutner, Heinz Mayer, Heide Schmidt und Peter Michael Ikrath. Angesichts der niedrigen Vertrauenswerte der Bevölkerung in die Politik und staatliche Einrichtungen sei es dringend notwendig, „die Sümpfe und sauren Wiesen trockenzulegen“, griff Kreutner, jahrelang Leiter der österreichischen Anti-Korruptionsbehörde und Geschäftsführer der internationalen Anti-Korruptions-Akademie IACA, ein aus dem Jahr 1980 stammendes Zitat des damaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger auf. Gleichzeitig wies er auf die mahnenden Worte Alexander Van der Bellens hin. Um die Parteien dabei zu unterstützen, den aktuellen „Wasserschaden“ zu beheben, hatte Kreutner eine Rohrzange mitgebracht – angesichts der notwendigen Zweidrittelmehrheit für viele Anliegen sieht er nicht nur die Koalitionsparteien, sondern auch die Opposition gefordert.

Bisher wurden laut einer Auswertung von Kreutner 11 % der Forderungen des Volksbegehrens umgesetzt, weitere 18 % zumindest partiell. Als Beispiele nannte er etwa die Verlängerung der Kronzeugenregelung und „große Fortschritte“ beim Parteiengesetz. Auch liege mittlerweile ein Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vor. 71 % der Anliegen würden aber noch der Umsetzung harren. Als Beispiele nannte er etwa das Informationsfreiheitsgesetz, die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft, die Entpolitisierung des ORF sowie die Modernisierung des Bundesarchivgesetzes. Damit sollen ihm zufolge Diskussionen darüber vermieden werden, was geschreddert werden dürfe und wie man mit Cloud-Daten umgehe. Auch Maßnahmen zur Objektivierung öffentlicher Beschaffungen, eine Stärkung des Parlaments sowie die Unterstützung von KMUs bei der Umsetzung von Compliance-Regeln und der Wahrnehmung von Lieferkettenverantwortung seien noch ausständig.

MAYER: INFORMATIONSFREIHEITSGESETZ IST „MOGELPACKUNG“

Verfassungsexperte Heinz Mayer qualifzierte das vorliegende Informationsfreiheitsgesetz, unabhängig von der noch ausstehenden Umsetzung, überhaupt als Mogelpackung. Nicht nur weil sich an den Geheimhaltungs-Tatbeständen wenig ändere, sondern weil die Behörden weiterhin selbst entscheiden dürften, was als geheim einzustufen ist. Seiner Meinung nach braucht es einen Informationsbeauftragten, etwa in Form eines Gerichts. Auch die Strafbarkeit von Beweismittelunterdrückungen in Untersuchungsausschüssen und eine von der Politik unabhängige Staatsanwaltschaft sind ihm ein Anliegen.

SCHMIDT WARNT VOR „VERSTAATLICHUNG“ DER JOURNALIST:INNENAUSBILDUNG

Dass einer Umfrage zufolge nur noch 34 % der Bürger:innen das Gefühl haben, dass das politische System in Österreich gut funktioniert – im Gegensatz zu 64 % noch vor vier Jahren -, hält die ehemalige Chefin des Liberalen Forums Heide Schmidt für eine alarmierende Entwicklung. Schließlich sei die wichtigste Währung der Demokratie das Vertrauen, meinte sie. In der Medienpolitik werden zwar ihrer Einschätzung nach nun zum Teil richtige Wege eingeschlagen, in den Regierungsvorschlägen sei aber auch etwas „ziemlich Giftiges“ drinnen. Konkret warnte Schmidt vor einer „Verstaatlichung“ der Journalist:innenausbildung und rief die Abgeordneten dazu auf, die dafür vorgesehenen 6 Mio. € lieber für die „Wiener Zeitung“ selbst zu verwenden. Zudem plädierte sie für eine Deckelung der Inserate öffentlicher Stellen.

IKRATH MACHT SICH FÜR STÄRKUNG DES PARLAMENTARISMUS STARK

Für eine Stärkung des Parlamentarismus machte sich Peter Michael Ikrath, ehemaliger Abgeordneter und Justizsprecher der ÖVP, stark. Das Parlament sei das Herzstück der Demokratie, es brauche mehr Ressourcen für Abgeordnete, und zwar sowohl personelle als auch finanzielle, betonte er. An die Mandatar:innen richtete er den Appell, sich ihres freien Mandats bewusst zu sein. Die Bevölkerung habe vielfach den Eindruck, dass sich Abgeordnete mehr als Erfüllungsgehilfen der Regierung oder ihrer Partei verstünden, anstatt ihr Mandat im Interesse der Bürger:innen auszuüben. Für wesentlich erachtet Ikrath außerdem eine Stärkung der Beschuldigtenrechte. Man müsse im Zuge der Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft auch darauf achten, dass es nicht zu überlangen Ermittlungsverfahren komme.

EDTSTADLER: VOLKSBEGEHREN ZEIGT WICHTIGE HANDLUNGSFELDER AUF

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler bedankte sich bei den Initiator:innen des Volksbegehrens für ihre Initiative. Im Volksbegehren würden wichtige Handlungsfelder aufgezeigt, sagte sie, auch wenn der Vertrauensverlust in die Politik nicht nur in Österreich zu beobachten sei. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass Politiker:innen politische Verantwortung übernehmen und Vorbildwirkung zeigen, dazu gehöre es auch, „das Miteinander an die Spitze zu stellen“ und eine Diffamierung des politischen Gegners zu vermeiden.

Als wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von Korruption erachtet Edtstadler das kürzlich von der Regierung „nach nicht einfachen Verhandlungen“ vorgestellte Antikorruptionspaket. Dadurch könnten künftig auch Dinge sanktioniert werden, die bisher nur „sittenwidrig“ gewesen seien, wie Mandatskauf, hob sie hervor. Auch mit der Adaptierung des „Amtsträger“-Begriffs habe man „eine gute Lösung“ gefunden. Edtstadler hofft nun auf eine rege Beteiligung im Begutachtungsverfahren, das noch bis 9. März läuft.

Auch beim Informationsfreiheitsgesetz werde die Regierung „einen Abschluss setzen“, ist Edtstadler überzeugt. Gut Ding brauche eben Weile, meinte sie. Man sei aber noch nie so weit gewesen wie jetzt. Was die Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft betrifft, hält die Ministerin gleichzeitig eine Stärkung von Beschuldigtenrechten für notwendig. Es brauche rasche und faire Verfahren und adäquate Entschädigungen bei Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen. Zudem bedürfe es eines besseren Rechtsschutzes bei der Beschlagnahme von Handys.

FISTER: MAN MUSS AUCH GEGENLÄUFIGE INTERESSEN BERÜCKSICHTIGEN

Mathis Fister, Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht an der Johannes Keppler Universität Linz, erachtet viele Impulse des Volksbegehrens für beachtens- und verfolgenswert, wie er sagte. Manche Forderungen hält er allerdings für sehr weitgehend und überzogen. Man müsse im Sinne eines „ja, aber“ auch gegenläufige Interessen berücksichtigen. „Wer bewacht die Wächter?“ sei etwa eine der zu beantwortenden Fragen. Auch gelte es, den Grundsatz von „checks and balances“ zu wahren.

So braucht es Fister zufolge auf der einen Seite zwar eine effektiv und politisch unbeeinflusst arbeitende Strafverfolgungsbehörde. Diese dürfe aber nicht zu einem verselbständigten Machtapparat mit eigener Polizei als Wachkörper ausgebaut werden, warnte er. Ebenso müsse man darauf achten, dass die verfassungsrechtlich abgesicherte Betätigungsfreiheit der Parteien durch die Kontrolle der Parteienfinanzierung nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werde. Beim Schließen von Lücken im Korruptionsstrafrecht gelte es, die „Lebendigkeit des demokratisch-politischen Prozesses“ zu erhalten. Auch Informationsfreiheit sei nicht absolut, es werde immer gewisse staatliche Geheimnisse geben müssen.

JABLONER: BUNDESSTAATSANWALTSCHAFT NUR ALS KOLLEGIALORGAN VORSTELLBAR

Er sei kein Proponent des Volksbegehrens, unterstütze aber viele Forderungen, leitete der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner, seine Stellungnahme ein. Allerdings hält auch er einige Vorschläge für überschießend. So sollte man sich ihm zufolge etwa überlegen, ob man den Verfassungsgerichtshof tatsächlich noch stärker in die Tagespolitik hineinziehen solle. Auch zur Einführung einer förmlichen „Justizpolizei“ sowie zur geforderten Verschärfung des politischen Äquidistanz-Gebots in der öffentlichen Verwaltung äußerte er sich skeptisch. Dieses Gebot sei dienstrechtlich ohnehin bereits verankert, machte er geltend.

„Nachdrücklich“ unterstützt wurde von Jabloner die Forderung, die politischen Kabinette personell und finanziell zu beschränken. Die Aufblähung der Ministerkabinette und die zunehmende Heranziehung externer Expertise seien ein Grund für den „Verfall“ der Ministerialverwaltung, glaubt er. Eine Bundesstaatsanwaltschaft kann er sich nur als Kollegialbehörde vorstellen, eine monokratische Spitze wäre seiner Ansicht nach problematischer als die jetzige Regelung. Das Thema Informationsfreiheit sieht er von beiden Seiten überschätzt: Grundsätzlich würde es schon jetzt weitreichende Auskunftspflichten geben. Allerdings sei es ein Manko, dass die Auskunftsberechtigten nur schwer zur geforderten Information kommen.

VÖLK: MEDIENFÖRDERUNG NICHT AN QUALITÄTSKRITERIEN KNÜPFEN

Insbesonders zum Thema Medienförderung und Inseratenvergabe nahm Rechtsanwalt Christoph Völk, Experte für Medienrecht, Wirtschaftsrecht, Wettbewerbsrecht und Strafrecht, Stellung. Er hob hervor, dass Medien staatliche Förderungen bräuchten, um arbeiten zu können. Allerdings hält er wenig davon, die Fördervergabe an bestimmte Qualitätskriterien zu knüpfen. Hier stelle sich die Frage, wer diese Kriterien festlege. Vielmehr sei es vorrangig, mit den Förderungen Pluralität sicherzustellen.

Bei der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen braucht es nach Ansicht von Völk hingegen genauere Vorgaben, was die Berücksichtigung der Reichweite betrifft. Man müsse auf verkaufte und nicht auf verschenkte Exemplare abstellen, forderte er. Kritisch beurteilt er die Forderung nach einer Offenlegung etwaiger Nahebeziehungen von Journalist:innen zu Personen, über die berichtet wird, es gebe in den Redaktionen ohnehin schon jetzt Compliance-Regeln.

LACHMAYER: ES BRAUCHT BEI VIELEN PUNKTEN EINE DETAILLIERTE VERFASSUNGSRECHTLICHE ANALYSE

Das Volksbegehren spreche wichtige Themen an, Korruption bedrohe Rechtsstaat und Demokratie gleichermaßen. Bei vielen Forderungen brauche es aber eine detaillierte verfassungsrechtliche Analyse, bevor man eine Systementscheidung treffe, sagte der Rechtswissenschaftler Konrad Lachmayer, Universitätsprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. Verfassungsänderungen sollten nicht von einem Tag auf den anderen vorgenommen werden.

So gab Lachmayer etwa zu bedenken, dass die Forderung nach einer Angleichung der Ernennungsverfahren für Richter:innen der Verwaltungsgerichte an jene der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit einer Vielzahl von organisationsrechtlichen Fragen verbunden wäre, die einer Lösung bedürfen. Auch das Informationsfreiheitsgesetz und die – seiner Meinung nach gebotene –  Entkoppelung der Staatsanwaltschaft von der Verwaltung würden in die Verfassung hineinreichen.

KNÖTZL: MEHR TRANSPARENZ WÜRDE KORRUPTION ZURÜCKDRÄNGEN

Die Rechtsanwältin Bettina Knötzl, Präsidentin des Beirats von Transperancy International, betonte, dass Transparenz ein wichtiges Instrument sei, um Korruption zurückzudrängen. Es sei empirisch erwiesen, dass es in Ländern, wo Transparenz wirklich gelebt werde, weniger Korruption gebe, hob sie hervor. Wer transparent agiere, schaffe außerdem Vertrauen, dass nicht „gemauschelt“ werde.

Österreich gehöre mit seinem „strafbewehrten“ Amtsgeheimnis allerdings zu den Schlusslichtern in Sachen Informationsfreiheit, kritisierte Knötzl. Auch mit dem vorliegenden Informationsfreiheitsgesetz ist sie nicht ganz zufrieden. Man müsse den Entwurf adaptieren, damit es keine „Mogelpackung“ werde, sagte sie: „Wir wollen nicht den gläsernen Bürger, sondern den gläsernen Staat.“ Transparenz verursache Aufwand, räumte die Rechtsanwältin ein, dieser lohne sich aber. Zudem würde man sich durch Transparenz vorab viele Einzelanfragen und auch langwierige Korruptionsverfahren ersparen. Als weitere zentrale Forderungen von Transperancy International nannte sie einen besseren Schutz von Hinweisgeber:innen, eine unbefristete Verlängerung der Kronzeugenregelung und mehr Transparenz in Sachen Lobbying.

GERSTL: NUR WENIGE VERURTEILUNGEN FÜR AMTSDELIKTE

ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl machte die mediale Berichterstattung und kritische Wortmeldungen zum Thema Korruption für das sinkende Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und die Demokratie verantwortlich. Die Fakten würden aber eine andere Sprache sprechen, meinte er. So gehe aus dem gestern im Innenausschuss diskutierten Sicherheitsbericht hervor, dass ein überwiegender Teil der Verfahren wegen mutmaßlicher Amtsdelikte eingestellt werde. Nur bei 7,9 % komme es zu Verurteilungen und damit bei deutlich weniger als bei anderen Strafverfahren. Noch drastischer stelle sich die Situation bei Whistleblower-Hinweisen dar. Bei 12.303 Fällen von Whistleblowing sei es lediglich zu 54 Schuldsprüchen gekommen, was einer Quote von 0,44 % entspreche. Offenbar sei Österreich ein Land, wo gerne angezeigt und „vernadert“ werde, folgert er. Vor diesem Hintergrund appellierte Gerstl an alle, gemeinsam daran mitzuwirken, das Vertrauen in die Politik und die Demokratie wieder zu stärken.

LEICHTFRIED: SPÖ UNTERSTÜTZT FORDERUNGEN DES VOLKSBEGEHRENS GRÖSSTENTEILS

Ganz anders schätzt SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried die Lage ein. Das Volksbegehren habe ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es in Österreich ein hohes Maß an Korruption gebe, hielt er fest. Das sei höchst notwendig gewesen. Er selbst habe schon vor fünf Jahren die Vermutung geäußert, dass man in Österreich mit Geld mehr politisch erreichen könne als mit der Abgabe seiner Wählerstimme.

Leichtfried zufolge unterstützt die SPÖ die Forderungen des Volksbegehrens größtenteils. Besonders wichtig erscheine ihm, die Inseratenvergabe der Bundesregierung zu beschränken, sagte er. Hier komme es zu Verzerrungen und Beeinflussungen. Zudem würden politische Postenbesetzungen, bei denen Knowhow und Expertise keine Rolle spielten, die Qualität der Verwaltung untergraben. Negativbeispiel ist für ihn dabei das Innenministerium. Gegenüber Ministerin Edtstadler hielt Leichtfried fest, beim Informationsfreiheitsgesetz habe es bereits 2017 ein fertiges Paket gegeben, das dann an „türkisen Umtrieben“ eines ÖVP-Obmanns gescheitert sei.

STEFAN: ÖSTERREICH IST KEIN BESONDERS KORRUPTES LAND

FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan ortet einen Grundkonsens zwischen den Parteien, dass Korruption ein gefährliches gesellschaftliches Problem sei. Allerdings glaubt er nicht, dass Österreich international gesehen ein besonders korruptes Land ist. So gebe es eine hohe Steuerehrlichkeit. Zudem sei Österreich, was Postenbesetzungen betreffe, „viel korrupter gewesen“, als er noch jung gewesen sei.

Für wesentlich hält es Stefan, dass „jeder vor seiner eigenen Tür kehrt“. Zudem sei es wichtig, Änderungen durch Wahlen herbeizuführen, damit Amtsträger:innen nicht 20 Jahre oder länger an der Macht blieben. Mit Moral zu argumentieren, hält Stefan dagegen für nicht zielführend, jeder nehme für sich in Anspruch, moralisch zu agieren. Entpolitisierung werde zudem meist von jenen gefordert, die bereits „drinnen sind“ und verhindern wollten, dass andere „hineinkommen“. Die FPÖ werde jedenfalls bei „sinnvollen“ Vorschlägen dabei sein, sagte Stefan, nicht aber dort, wo man sich vom Rechtsstaat entferne.

PRAMMER: TRANSPARENZ SCHAFFT VERTRAUEN

Die Bedeutung von Transparenz hob Agnes Sirkka Prammer (Grüne) hervor. Wenn Vorgänge nicht transparent seien und man keine Informationen habe, greife man auf Vermutungen zurück und versuche, durch gerichtliche Aufklärung Transparenz zu schaffen, sagte sie. Das sei aber nicht das richtige Mittel. Besser wäre es, wenn jeder die Informationen bekäme, die sein Leben betreffen, ohne es gesondert begründen zu müssen. „Deshalb arbeiten wir an der Informationsfreiheit“, betonte sie. Das Informationsfreiheitsgesetz werde kommen und es werde bald kommen, auch wenn noch etliche Gesprächsrunden notwendig seien. Erste Schritte zu mehr Transparenz habe man bereits gesetzt, machte Prammer geltend, etwa was die Veröffentlichung von COFAG-Hilfen betrifft.

SCHERAK: URSACHE DES „WASSERSCHADENS“ MUSS BEHOBEN WERDEN

Das von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gezeichnete Bild eines „Wasserschadens“ nahm NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak auf. Jeder, der schon einmal einen Wasserschaden gehabt habe, wisse, dass der Fleck immer wieder durchkomme, wenn man ihn nur weiß überpinsle, ohne die Ursache zu beheben, sagte er. In einzelnen Bereichen hätten die Regierungsparteien etwas gemacht, das müsse man neidlos anerkennen, räumte Scherak ein, man müsse die Probleme aber ganzheitlich lösen.

Beim Informationsfreiheitsgesetz geht es nach Meinung von Scherak um einen Paradigmenwechsel. Den Sorgen von Ländern und Gemeinden könnte man ihm zufolge durch die Einrichtung eines Informationsfreiheitsbeauftragten entgegentreten. Nachbesserungsbedarf ortet er auch beim Antikorruptionsgesetz: Den Wahl-Stichtag dafür heranzuziehen, ob jemand unter den Amtsträger-Begriff fällt, erachtet er als fern der politischen Realität. (Fortsetzung Justizausschuss) gs

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