Nationalrat beschließt umfangreiche Dienstrechts-Novelle
Nationalrat beschließt umfangreiche Dienstrechts-Novelle
Keine Mehrheit für Neuwahlanträge der SPÖ und der FPÖ
Die Beamt:innen und Vertragsbediensteten des Bundes werden im kommenden Jahr eine Gehaltserhöhung zwischen 7,15 % und 9,41 % erhalten. Im Schnitt wird das Plus 7,32 % betragen. Der Nationalrat hat heute zum Auftakt der Plenarwoche mit breiter Mehrheit grünes Licht für den zwischen Regierung und Beamten-Gewerkschaft vereinbarten Gehaltsabschluss gegeben. Auch zahlreiche weitere Neuerungen für den öffentlichen Dienst sind mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2022 auf Schiene. Das betrifft etwa einen neuen Bestellmodus für die OGH-Spitze und höhere Einstiegsgehälter. Insgesamt ist das von der Regierung vorgelegte und im Ausschuss um den Gehaltsabschluss ergänzte Gesetzespaket mehr als 100 Seiten stark.
Erwartungsgemäß keine Mehrheit erhielten hingegen zwei Neuwahlanträge. Sowohl die SPÖ als auch die FPÖ traten dafür ein, die laufende Gesetzgebungsperiode durch eine Auflösung des Nationalrats vorzeitig zu beenden, konnten für ihre Initiativen über die Opposition hinaus aber keine Unterstützung gewinnen. Angesichts der Klimakrise sei es wichtig, eine Maßnahme nach der anderen abzuarbeiten und sich nicht an Meinungsumfragen zu orientieren, hob Grün-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer hervor. Wolfgang Gerstl (ÖVP) rief die Opposition zur Zusammenarbeit auf.
EINWENDUNGEN GEGEN DIE TAGESORDNUNG
Auch mit Einwendungen gegen die Tagesordnung hatte die FPÖ keinen Erfolg. Sie wollte die für Donnerstagabend geplante Erste Lesung über eine von ihr beantragte Verfassungsnovelle bereits heute abhalten und begründete das mit der „Brisanz“ des Themas. Angesichts des Agierens von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wäre es ihrer Meinung nach dringend geboten, den Abgeordneten zu ermöglichen, die von ihnen gewählten Nationalratspräsident:innen wieder abzuwählen. Kein anderer Nationalratspräsident habe sein Amt so parteiisch angelegt wie Sobotka, machte Abgeordneter Christian Hafenecker unter anderem mit Verweis auf dessen Vorsitzführung im Untersuchungsausschuss geltend. Seine Fraktionskollegin Susanne Fürst warf Sobotka vor, bei der künstlerischen Ausstattung des sanierten Parlamentsgebäudes in absolutistischer Manier nach dem Motto „LEtat, cest moi“ zu agieren und Steuergeld zu „verschwenden“.
Die anderen Fraktionen wollten sich der Forderung nach Ergänzung der Tagesordnung allerdings nicht anschließen. In Anbetracht der „parteiischen“ Amtsausübung wundere es ihn zwar nicht, dass „ein Großteil der Menschen“ Sobotka als nicht geeignet für das Amt des Nationalratspräsidenten halte und über seine Abwahl disktuiert werde, sagte etwa Jörg Leichtfried (SPÖ), man wolle die Debatte über den FPÖ-Antrag aber wie vorgesehen am Donnerstag führen. Nikolaus Scherak (NEOS) wies auf eine entsprechende Vereinbarung in der Präsidiale hin, die von allen Fraktionen außer der FPÖ mitgetragen wurde.
Auch inhaltlich bewertete Scherak den FPÖ-Antrag kritisch. Nationalratspräsident:innen sollten in ihrer Vorsitzführung unabhängig agieren können, bekräftigte er. Auch wenn der aktuelle Präsident kein Paradebeispiel dafür sei, was Unabhängigkeit und die Wahrung von Minderheitenrechten betrifft, werde es in Zukunft wieder andere Nationalratspräsident:innen geben. Wichtiger wäre es nach Meinung von Scherak, sich vor der Wahl zu überlegen, ob man jemanden für das Amt für geeignet halte.
Ausdrücklich hinter den Nationalratspräsidenten stellte sich ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl. Außerdem erinnerte er daran, dass die FPÖ in der Vergangenheit immer gegen Anlassgesetzgebung aufgetreten sei und sich etwa 2012 gegen eine „Lex Graf“ verwahrt habe, als es eine Diskussion um den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf gab. Nun fordere sie selbst eine „Lex Sobotka“, kritisierte er. Das Amt des Nationalratspräsidenten müsse vor „politischer Willkür“ geschützt werden, so Gerstl.
Seitens der Grünen verwies Agnes Sirkka Prammer auf Beispiele in der Geschichte, die gezeigt hätten, dass eine Abwahlmöglichkeit des Nationalratspräsidenten nicht sinnvoll sei. Das könne Folgen zeitigen, „die wir nicht mehr haben wollen“, warnte sie. Im Übrigen könne man es durchaus der Geschichte überlassen, die Amtsführung eines Präsidenten bzw. einer Präsidentin zu beurteilen.
Einstimmig beschlossen die Abgeordneten, die zuletzt im Parlament eingelangten Volksbegehren vor Zuweisung an die zuständigen Ausschüsse einer Ersten Lesung zu unterziehen. Dabei geht es unter anderem um das Recht auf uneingeschränkte Bargeldzahlung, die Abschaffung der GIS-Gebühr, den Ausbau der Kinderrechte, die Verankerung eines Grundrechts auf Wohnen und die Abschaffung aller COVID-19-Maßnahmen.
HÖHERE EINSTIEGSGEHÄLTER IM ÖFFENTLICHEN DIENST
Gemäß der 2. Dienstrechts-Novelle 2022 wird es nicht nur für Vertragsbedienstete des Bundes höhere Einstiegsgehälter geben. Auch Polizeischüler:innen, Justizwache-Aspirant:innen, Militärpersonen auf Zeit, Richteramtsanwärter:innen und Verwaltungspraktikant:innen winkt ein außertourliches Plus. Außerdem werden in Folge eines VfGH-Urteils Teilzeitbeschäftigte bei der Abgeltung von Mehrdienstleistungen mit Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt. Ebenso gehören ein erweiterter Anspruch auf Pflegefreistellung, der Ausbau der Informationspflichten des Dienstgebers, die Anpassung des Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetzes an das für die Privatwirtschaft geltende Landarbeitsgesetz sowie eine Ausweitung sogenannter „Fachkarrieren“ zum umfangreichen Paket. Bei Dienstreisen sind künftig ökologische Aspekte stärker zu berücksichtigen. In Anlehnung an eine EU-Richtlinie wird der Benachteiligungs- und Kündigungsschutz für Bedienstete ausgeweitet. In die Bestellung der OGH-Spitze wird künftig ein mit Richter:innen besetzter Personalsenat eingebunden, um die Transparenz zu erhöhen.
Begründet werden die höheren Einstiegsgehälter von den Regierungsparteien damit, dass diese derzeit im Vergleich zur Privatwirtschaft nur teilweise konkurrenzfähig sind, insbesondere was Quereinsteiger:innen mit Berufserfahrung betrifft. Angesichts der bevorstehenden „Pensionierungswelle“ im öffentlichen Dienst werde es aber viele neue Bedienstete brauchen, gaben etwa Eva Blimlinger (Grüne) und Romana Deckenbacher (ÖVP) zu bedenken.
Auch den Gehaltsabschluss halten ÖVP und Grüne für gerechtfertigt. Gerade in den letzten Jahren habe der öffentliche Dienst bewiesen, dass er verlässlich und kompetent sei und eine ganz wichtige Säule des modernen Staates darstelle, sagte etwa Gertraud Salzmann (ÖVP). Auch Deckenbacher hob die hohe Qualität des öffentlichen Dienstes in Österreich hervor. Für Michael Hammer (ÖVP) ist „der wirklich ordentliche“ Gehaltsabschluss ein wichtiges Signal in Zeiten der Teuerung. Er passe zudem in die allgemeinen Erhöhungen bei Metallern bis Handelsangestellten, hielt Blimlinger fest. Als besonderes Anliegen der Grünen nannte Blimlinger zudem die Einführung eines transparenten Verfahrens für die Besetzung des Präsidenten bzw. der Präsidentin des OGH.
SPÖ UND FPÖ FORDERN NULLLOHNRUNDE FÜR SPITZENPOLITIKER:INNEN
Auch bei SPÖ und FPÖ stieß das Gesetzespaket weitgehend auf Zustimmung. Man habe in den letzten drei, vier Jahren gesehen, wie wichtig es sei, einen funktionierenden Staat zu haben, erklärte Selma Yildirim (SPÖ) und begrüßte in diesem Sinn die vorgesehenen Verbesserungen für öffentlich Bedienstete. Auch den neuen Bestellmodus für die OGH-Spitze wertete sie als wichtigen Schritt in Richtung Objektivierung, dem ihrer Meinung nach ähnliche Schritte in anderen Bereichen – etwa bei der Bestellung von Richter:innen des Bundesverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs oder von Staatsanwält:innen – folgen sollten.
Seitens der FPÖ sprach Christian Lausch von einem „respektablen“ Gehaltsabschluss, auch wenn die durchschnittlich 7,32 % mit der aktuellen Teuerung nicht ganz mithalten könnten. Es gebe aber auch weitere Verbesserungen wie höhere Einstiegsgehälter, lobte er. Nicht ganz zufrieden ist der Abgeordnete hingegen mit der Erhöhung der Funktionszulagen für Bundesheerangehörige, hier hätte es mehr Wertschätzung bedurft.
Um jungen Exekutivbeamt:innen mehr Sicherheit zu geben, forderte Lausch außerdem, dass Beeinträchtigungen infolge eines Dienstunfalls kein Hindernis für eine Definitivstellung darstellen dürften, und zwar unabhängig von der Dauer des provisorischen Dienstverhältnisses. Ein dazu eingebrachter Entschließungsantrag fand bei der Abstimmung aber ebenso wenig eine Mehrheit wie weitere Entschließungsanträge der FPÖ und der SPÖ.
So hatte die SPÖ etwa neben einer attraktiveren Gestaltung des Berufsbilds für die Polizei eine Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker:innen – analog zum Jahr 2021 – gefordert. Damals hatte der Nationalrat beschlossen, die Bezüge des Bundespräsidenten und der Regierungsmitglieder sowie anderer Spitzenrepräsentant:innen – insgesamt 30 Personen – nicht an die Inflation anzupassen. Noch weiter wollte die FPÖ gehen: Auch Nationalratsabgeordnete und Bundesrät:innen sowie Manager:innen in staatsnahen Betrieben und hohe Beamt:innen wie Sektionschefs und Generalsekretär:innen hätten ihrer Initiative zufolge 2023 keine Bezugsanpassung bekommen sollen.
NEOS: BEI GEHALTSABSCHLUSS WURDE ZU WENIG AUF STEUERZAHLER:INNEN GESCHAUT
Lediglich einzelnen Teilen des Gesetzespakets stimmten die NEOS – in Zweiter Lesung – zu. „Wir gönnen den öffentlich Bediensteten die Gehaltserhöhung“, sagte Gerald Loacker, seiner Meinung nach wurde bei den Gehaltsverhandlungen aber zu wenig auf die Steuerzahler:innen geschaut. Man hätte ihm zufolge „mehr herausholen können“. So wäre es seiner Meinung nach etwa angebracht gewesen, die höheren Einstiegsgehälter gegen eine generell niedrigere Bezugserhöhung oder das Streichen der bezahlten Mittagspause abzutauschen.
Vizekanzler Werner Kogler hält das Attraktivierungspaket hingegen insgesamt für wichtig. Der öffentliche Dienst müsse mit der privaten Konkurrenz am Arbeitsmarkt Schritt halten können, mahnte er. Ausdrücklich bedankte sich Kogler auch bei allen öffentlich Bediensteten, die einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des Gemeinwesens leisten würden.
OPPOSITION POCHT AUF NEUWAHLEN
Im Rahmen der Debatte über die beiden Neuwahlanträge der SPÖ bzw. der FPÖ warf SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner der Regierung vor, Österreich in vielen Bereichen in eine Sackgasse geführt zu haben. Die türkis-grüne Koalition reagiere auf die aktuellen Herausforderungen mutlos und erfolglos, meinte sie und verwies etwa auf offene Vorhaben wie ein neues Klimaschutzgesetz, das Erneuerbaren-Wärmegesetz und die Abschaffung der Maklergebühren. Auch bei der Bekämpfung der Inflation sieht sie die Regierung säumig. Ebenso ortet Rendi-Wagner eine unprofessionelle Europa- und Außenpolitik. „Machen Sie diesem Leiden endlich ein Ende“, appelliert sie an die Abgeordneten von ÖVP und Grünen. Österreich habe „wahrlich eine bessere Regierung verdient“, die etwas für das Land „weiterbringt“ und das Vertrauen der Bevölkerung genieße.
Von der „schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten“ sprach Christian Hafenecker (FPÖ). Angefangen habe es damit, dass „gesunde Menschen zu Hause eingesperrt“ und Jobs und Firmen „zerstört wurden“, sagte er in Anspielung auf die gesetzten Schritte zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Folge seien nicht zuletzt massenweise psychische Schäden. Auch am „Monstrum Cofag“, der CO2-Steuer, den Russland-Sanktionen und der Asyl- und Migrationspolitik übte er Kritik. Die Regierung habe Österreich „in einen Wirtschaftskrieg hineingetrieben“, „die Neutralität zu Grabe getragen“ und nicht verhindert, dass das Land „von einer Migrationswelle überrollt“ werde, die ihresgleichen suche. Zudem warf Hafenecker den Grünen vor, mit der ÖVP eine Partei zu unterstützen, „die durch und durch korrupt ist“. „Ihre Zeit ist abgelaufen“, ist er überzeugt.
Es werde immer nur angekündigt, abgearbeitet werde gar nichts, schloss sich Douglas Hoyos-Trauttmansdorff der Kritik an der Regierung an. Genau mit dieser Ankündigungspolitik verspiele man das Vertrauen in die Politik, sagte er. Als Beispiele nannte er etwa die gescheiterte Reform des Arbeitslosengelds und Versäumnisse in der Umweltpolitik. Weder beim Klimaschutzgesetz noch beim Erneuerbaren-Wärmegesetz gehe etwas weiter. Das gleiche gelte für die Korruptionsbekämpfung und für das Informationsfreiheitsgesetz. Einzig „Skandale“ stünden auf der „Haben-Seite“ der Regierung. Zudem würden den nächsten Generationen „ein Haufen Schulden“ hinterlassen. „Um diesem Grauen ein Ende zu bereiten“, wäre es höchste Zeit neu zu wählen, so Hoyos-Trauttmansdorff.
ÖVP RUFT OPPOSITION ZU ZUSAMMENARBEIT AUF
Wolfgang Gerstl warf der Opposition vor, mit falschen Fakten zu argumentieren. So liege die Inflation nicht bei 11 %, wie SPÖ-Chefin Rendi-Wagner gemeint habe, sondern bei 8,6 %. Österreich sei damit auch bei weitem nicht Schlusslicht in Europa. Seiner Meinung nach würde es die aktuelle Krise vielmehr erfordern, dass die Fraktionen „zusammenstehen und zusammenarbeiten“. Mit Hinweis auf die verschiedenen Unterstützungsleistungen versicherte Gerstl zudem, „bei uns bleibt niemand über“. Sein Fraktionskollege Peter Weidinger erinnerte an Herbert Kickls Zeit als Innenminister und meinte die beste Anti-Teuerungsmaßnahme sei „eine Energiewende mit Hausverstand“.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne), wandte sich dagegen, den Nationalrat aufgrund von Meinungsumfragen oder „irgendwelcher Befindlichkeiten“ neu wählen zu lassen. Man müsse vielmehr eine Maßnahme nach der anderen abarbeiten, um gegen die Klimakrise anzukämpfen. „Wir lassen uns den Planeten von Ihnen nicht kaputtmachen“, sagte sie in Richtung FPÖ. Es sei die letzte Chance, um zu handeln. Prammer hob zudem hervor, dass die FPÖ ihren Neuwahlantrag mit keinem Wort begründet habe.
Bei der Abstimmung blieben beide Neuwahlanträge in der Minderheit. Auch ein Entschließungsantrag der SPÖ zur Einführung eines Gaspreisdeckels fand keine Mehrheit. Zur Abfederung der hohen Energiekosten brauche es einen Energieschutzschirm sowohl für die Wirtschaft als auch für die Haushalte, hatte SPÖ-Abgeordneter Andreas Kollross unterstrichen. (Fortsetzung Nationalrat) gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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