Mehr Aufklärung und Debatte über sexuelle Gesundheit gefordert

Mehr Aufklärung und Debatte über sexuelle Gesundheit gefordert

Veranstaltung am Welt-Aids-Tag im Parlament

Anlässlich des Welt-Aids-Tages fand im Parlament die Veranstaltung „Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit“ statt, zu der Bundesratspräsidentin Korinna Schumann, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und die Aids-Hilfe Wien gemeinsam eingeladen hatten. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Maßnahmen es braucht, um sexuelle Gesundheit auf verschiedenen Ebenen anzusprechen. Denn HIV und sexuelle Gesundheit dürfen keine Tabuthemen sein, war man sich einig. Als Zeichen der Solidarität mit HIV-Infizierten und an Aids Erkrankten wurde über dem Haupteingang des Ausweichquartiers des Parlaments in der Hofburg auch heuer wieder das Red Ribbon angebracht.

Schweigen könne krank machen, betonte Bundesratspräsidentin Korinna Schumann in ihren Eröffnungsworten. Deshalb sei der Titel und das Anliegen der Veranstaltung so wichtig. Es gelte, dem Thema sexuelle Gesundheit mehr Aufmerksamkeit zu widmen und ein Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen. Denn im 21. Jahrhundert sollte es eigentlich keine sexuell übertragbaren Krankheiten mehr geben, so Schumann. Die Gesellschaft hätte die wissenschaftlichen, medizinischen und finanziellen Möglichkeiten dafür. Die Tabuisierung des Themas verhindere aber wichtigen Fortschritt, sagte die Bundesratspräsidentin, die sich für eine bessere Verfügbarkeit von Präventions- und Behandlungsangeboten, mehr Investitionen und ein gestärktes Bewusstsein aussprach.

Für Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures ist die Frage der Lebensqualität von HIV-positiven Menschen eng mit der liberalen Demokratie verbunden. Denn während in den 1980er-Jahren eine HIV-Diagnose noch ein plötzliches Todesurteil bedeutete, müsse jetzt eine früh erkannte und behandelte Infektion die Lebenserwartung nicht mehr beeinflussen. Das sei den Fortschritten der Wissenschaft zu verdanken, für die es wiederum ein Umfeld der Wissenschaftsfreiheit und der Anerkennung von Forschung sowie ein solidarisches Gesundheitssystem brauche. Bures kritisierte Angriffe auf die liberale Demokratie, etwa durch Wissenschaftsskepsis oder das Infragestellen von Menschenrechten. Für die Zweite Nationalratspräsidentin steht das Symbol des Red Ribbon auch für das Versprechen, dass für den demokratischen Weg und die bisherigen Fortschritte gekämpft werde.

Vorsitzender der Aids-Hilfe Wien Stefan Dobias betonte, dass es trotz aller Fortschritte noch viel zu tun gebe. Es brauche einen selbstverständlicheren Umgang mit sexueller Gesundheit, eine bessere Verfügbarkeit von HIV-Behandlung sowie einen niederschwelligeren Zugang zu Tests und Präventionsangeboten. Auch im medizinischen Bereich fehle es an Schulungen, angemessener Vergütung und Zeit für Beratung und Behandlungen zu sexueller Gesundheit. Für Betroffene führe die Diskriminierung im Alltag oft jedoch zu mehr Einschränkungen als die HIV-Infektion selbst. Deshalb werde die Aids-Hilfe Wien weiterhin für die sexuelle Gesundheit aller Menschen eintreten, betonte Dobias.

HIV BEI FRAUEN UND NOTWENDIGE SCHRITTE

Bei ihrer Keynote widmete sich Anette Haberl, Leiterin des Bereichs HIV und Frauen am HIV-Center des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, dem Thema HIV bei Frauen. Denn Frauen seien eine zu wenig beachtete Gruppe, wenn es um Prävention und Behandlung von HIV gehe. Weltweit seien 51 % der Menschen, die mit HIV leben, weiblich. In Österreich und Deutschland seien nur rund 20 % Frauen. Das berge die Gefahr, übersehen zu werden. Haberl zeigte insbesondere auf, dass es bei Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten oder Behandlungsstrategien eine bedeutende Datenlücke gebe. Oft seien aufgrund der geringen Anzahl von weiblichen Studienteilnehmer:innen keine Aussagen zu Verträglichkeit oder Wirksamkeit bei Frauen möglich. Auch besondere Zeiten wie die Schwangerschaft oder die Menopause würden in Erhebungen zu wenig berücksichtigt. Von dem vorbeugenden Medikament, der sogenannten Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP), das in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werde, wüssten Frauen oft nichts. Haberl nahm hier Gynäkolog:innen und  Hausärzt:innen in die Pflicht und forderte mehr Aufklärung. Insgesamt sah sie strukturelle Ursachen für Versorgungslücken von Frauen mit HIV. Es werde Medizin von Männern für Männer gemacht, sagte sie. Haberl forderte mehr Lobbyarbeit von und für Frauen und entsprechende Schwerpunktsetzungen durch die Politik.

Bei der abschließenden Paneldiskussion sprachen der Präsident der Österreichischen Aids-Gesellschaft, Alexander Zoufaly, die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky und die Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, Ann-Sophie Otte, über notwendige Schritte für mehr sexuelle Gesundheit.

Als Vertreter der Ärzt:innenschaft bezeichnete es Alexander Zoufaly als besonders wichtig, dass Mediziner:innen stets am neuesten Stand der Wissenschaft zu Therapie und Prävention von HIV seien und dieses Wissen in der Behandlung ihrer Patient:innen einsetzen. Um die Aids-Pandemie bis 2030 zu beenden, wie es die UNO als Ziel vorgegeben habe, brauche es neben niederschwelligen Tests zur Identifikation von Infizierten und einer adäquaten Behandlung dieser auch einen Zugang zu PrEP, um sich bei Risikokontakten vor einer Ansteckung zu schützen. Zoufaly forderte deshalb eine Übernahme dieses Medikaments durch die Krankenkassen.

Sandra Konstatzky sprach sich mit Blick auf Diskriminierungsfälle, die der Gleichbehandlungsanwaltschaft berichtet werden, ebenfalls für einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen aus. In der Praxis gebe es oft mehrere Gründe für Diskriminierungserfahrungen. Gerade bei HIV spiele etwa neben dem Gesundheitsstatus einer Person auch die Stigmatisierung von LGBTIQ-Personen eine große Rolle. Für ein Ende der Aids-Pandemie hält Konstatzky daher eine starke liberale Demokratie und engagierte Institutionen für unabdingbar.

Ann-Sophie Otte unterstrich, wie wichtig es sei, eine laute Stimme für sexuelle Gesundheit zu erheben. Denn wenn ihre Community nicht laut schreie, bekomme sie nichts. Informationen und Forderungen nach außen zu tragen, sah sie deshalb als ihre Kernaufgabe. Otte machte sich für einen besseren Aufklärungsunterricht an Schulen stark und forderte einen kostenlosen und unbürokratischen Zugang zu HIV-Tests und PrEP.

Moderiert wurde die Veranstaltung von der Geschäftsführerin der Aids-Hilfe Wien Andrea Brunner. Die Liedermacherin Sigrid Horn sorgte für die musikalische Umrahmung. (Schluss) kar

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Rückschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie auf der Website des Parlaments.

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