Rotes Kreuz fordert soziale Verantwortung bei Energieanbietern ein

Rotes Kreuz fordert soziale Verantwortung bei Energieanbietern ein

Anlässlich der aufgelaufenen Energiekostenrückstände vieler armutsgefährdeter Menschen fordert das Rote Kreuz bei den Energieversorgern Anlaufstellen für soziale Härtefälle.

Wien (OTS) – „Jeder Landesversorger, jedes landesweit tätige Energieunternehmen und jeder regionale Netzbetreiber muss seine soziale Verantwortung stärker als bisher wahrnehmen und mithelfen, langfristige und umsetzbare Lösungen für seine Kund:innen zu finden -auch für die, die es derzeit besonders schwer haben“, sagt Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes. Eine Abschaltung oder Kündigung aufgrund eines nicht bewältigbaren Rückstands sei keine Lösung und verursache für alle nur Folgekosten, wenn betroffene Personen beispielsweise die Wohnung oder den Job verlieren. Denn auf Strom, Gas oder Fernwärme könne man nicht wie auf manche anderen Dienstleistungen verzichten, nur weil die Preise gestiegen seien. Hinzu komme, dass durch die derzeit hohe Inflation das Einkommen real weniger wert sei. „Deswegen müssen wir gemeinsam mit den Energieunternehmen ein Netz spannen, um soziale Härtefälle aufzufangen und die Solidargesellschaft zu stärken.“

Anlaufstelle für soziale Härtefälle
Opriesnig fordert daher die Energieanbieter auf, neben dem normalen Kundendienst eigene funktionierende Anlauf- und Beratungsstellen für soziale Härtefälle einzurichten, die gut erreichbar und auf der Website rasch auffindbar sind. Der Erstkontakt könne direkt durch die Kund:innen erfolgen oder über eine betreuende soziale Einrichtung, die die Notlage der Kund:innen im Vorfeld prüft und bestätigt. „Wir verstehen völlig, dass die Mitarbeiter:innen des normalen Kundendienstes keine Sozialarbeiter:innen sind und nur über limitierte Zeit pro Anruf verfügen. Um sie zu entlasten und gleichzeitig den Menschen in schwierigen Lebenssituationen nachhaltige Lösungen anzubieten, braucht es diese neuen Anlaufstellen mit speziell geschulten Mitarbeiter:innen. Hier kann man sich mehr Zeit nehmen, zuhören, für den Kunden gangbare langfristige Lösungen finden und damit Abschaltungen und Kündigungen verhindern. Das spart auch dem Energieanbieter enorme Folgekosten.“ Wichtig sei es, sich dabei mit sozialen Einrichtungen in der jeweiligen Region zu vernetzen und regelmäßig gemeinsame Sprechtage abzuhalten. Verankert werden müsse all das im neuen Energieeffizienzgesetz, „auf das wir seit Ende 2020 warten!“, so Opriesnig.

Good practice: Kooperation mit Wien Energie
Der Rotkreuz-Generalsekretär nennt als gelungenes Beispiel die Kooperation der Individuellen Spontanhilfe (ISH) des Österreichischen Roten Kreuzes in der Paulanergasse 9G im 4. Wiener Gemeindebezirk mit der Ombudsstelle von Wien Energie. An den zweiwöchentlich stattfindenden Energiesprechtagen werden die Fälle von Energiearmut im persönlichen Gespräch zwischen den Sozialarbeiter:innen der ISH, den betroffenen Klient:innen und den speziell geschulten Kolleg:innen von Wien Energie geprüft. Unter Berücksichtigung des individuellen Energieverbrauchs und des verfügbaren Einkommens suchen alle Beteiligten nach den Ursachen des Zahlungsproblems, und gemeinsam werden nachhaltige Lösungen erarbeitet, um die Energieversorgung zu sichern. Im Bedarfsfall begleitet die ISH die Klient:innen weiter, bis sich deren Lebenssituation stabilisiert hat.

Als Beispiel nennt Imre Siska, Leiter der Individuellen Spontanhilfe, den Fall einer schwangeren Alleinerzieherin mit Kind, deren Mann nach langjähriger Beziehung unerwartet ausgezogen ist. Corona und Kurzarbeit hatten zu Rückständen bei Miete und Fernwärme geführt, mit denen die junge Mutter plötzlich allein konfrontiert war. Die Abschaltung der Fernwärme drohte. „Beim Energiesprechtag haben wir mit Wien Energie eine Mahnsperre vereinbart, damit die Mutter sich erstrangig um ihren Mietrückstand kümmern kann und die Fernwärme währenddessen nicht abgedreht wird. Den Mietrückstand konnte sie mit Hilfe von Freunden aufbringen. Bezüglich des Fernwärmerückstandes wurde dann eine für sie leistbare Ratenvereinbarung vereinbart.“

Unterstützung in sozialen Notlagen
Die sozialen Dienstleistungen des Österreichischen Roten Kreuzes (Individuelle Spontanhilfe ISH, Sozialbegleitung und Team Österreich Tafel) haben zum Ziel, Menschen in Not in Österreich stabile Lebensgrundlagen wie eine beheizbare Wohnung, Energiedienstleistungen und Nahrungsmittel und damit langfristig ein menschenwürdiges Leben und gesellschaftliche und politische Teilhabe zu ermöglichen. Im Jahr 2021 fanden in der ISH in ganz Österreich 4477 Beratungen und Betreuungen durch 227 hauptberufliche und freiwillige Mitarbeiter:innen statt.

85 % der Klient:innen sind alleinstehend oder alleinerziehend, 80 % im erwerbsfähigen Alter. Zwei Drittel der Antragsteller:innen besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft und haben Anspruch auf Sozialleistungen in Österreich, die jedoch die Lebenserhaltungskosten nicht abdecken. Daher werden 58 % des Jahresbudgets der ISH für Mietnachzahlungen verwendet, 27 % (Tendenz steigend) für Energienachzahlungen.

Beim Lebensmittelbedarf der Klient:innen helfen Gutscheine oder die Team Österreich Tafeln: Fast 18.000 Haushalte mit mehr als 45.000 Benefizient:innen sind mittlerweile bei den 119 Ausgabestellen in ganz Österreich registriert, an denen von den über 5.500 freiwilligen Mitarbeiter:innen im Jahr 2021 mehr als 5.100 Tonnen Lebensmittel ausgegeben wurden.

Opriesnig: „Ich appelliere in dieser schwierigen Zeit an die soziale Verantwortung der Energieunternehmen – das Thema Energie wird immer prekärer. Es ist möglich! Man kann Lösungen finden, die den Energieversorgern Einkünfte bringen und den Klient:innen helfen, trotz schwerer Lebenssituation ihre Würde zu bewahren. Und das muss ein wichtiges Ziel unser Solidargesellschaft bleiben.“

Bildmaterial: [Link]
(https://medien.roteskreuz.at/?c=10861&k=4809a87d82)

Österreichisches Rotes Kreuz
Mag. Antonia Filka
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