Verdeckte Werbung für Handelsketten in der „TT“
Verdeckte Werbung für Handelsketten in der „TT“
Wien (OTS) – Der Senat 3 befasste sich mit den Beiträgen „Mit Bettwäsche von Hofer winken Träume“, „Kika und Leiner an diesem Sonntag offen“, und „Die ‚Stickermania‘ von SPAR führt diesmal nach Atlantis“, alle erschienen in der „Tiroler Tageszeitung“ in der Rubrik „Menschen und Märkte“. Nach Meinung des Senats verstoßen die Beiträge gegen die Punkte 3 (Unterscheidbarkeit) und 4 (Einflussnahme) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Im Beitrag „Mit Bettwäsche von Hofer winken Träume“ wird u.a. ausgeführt, dass das Bett mit der bei Hofer angebotenen Bettwäsche „zur Wohlfühloase“ werde und es sich hierbei um das „perfekte(n) Weihnachtsgeschenk“ für die eigenen Kinder handle; zudem werden die Ausstattungsmerkmale der Bettwäsche im Detail beschrieben. Im Beitrag „Die ‚Stickermania‘ von SPAR führt diesmal nach Atlantis“ wird über die 13. Auflage der „Spar-Stickermania“ berichtet; u.a. werden Preise und die anbietenden Supermärkte genannt, weiters kommt ein Vorstandsmitglied der SPAR Holding AG ausführlich zu Wort. Im Beitrag „Kika und Leiner an diesem Sonntag offen“ ist schließlich von „tolle(n) Rabatte(n)“, Möbeln „für jeden Wohnbereich und jedes Budget“ oder „traumhaft inspirierende(n) Wohnwelten“ die Rede.
Ein Leser kritisierte, dass sich die Beiträge wie eine Presseaussendung des jeweiligen Unternehmens lesen würden. Folglich seien die Beiträge als Werbung mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen, so der Leser.
Die Medieninhaberin nahm am Verfahren durch ihren Rechtsanwalt teil. In einer schriftlichen Stellungnahme wurde betont, dass für die Beiträge weder Entgelt noch sonstige vermögenswerte Leistungen erbracht worden seien. Bei der Rubrik „Menschen und Märkte“ handle es sich um eine Rubrik, in der Beiträge mit wirtschaftlichem Konnex veröffentlicht werden. In diesem Kontext würden u.a. Presseaussendungen von Unternehmen redaktionell verwertet, wobei deren Aussendern keine Mitsprachebefugnis zukomme, so der Rechtsanwalt. In der mündlichen Verhandlung konnte vom Rechtsanwalt nicht bestätigt werden, dass bei den oben genannten Beiträgen vom Medium zusätzliche bzw. eigenständige Rechercheschritte unternommen wurden.
Der Senat weist zunächst auf die Bestimmungen des Ehrenkodex hin, wonach es den Leserinnen und Lesern möglich sein muss, zwischen (bezahlter) Werbung und redaktionellen Beiträgen unterscheiden zu können. Nach der bisherigen Entscheidungspraxis ist es für einen Verstoß gegen den Ehrenkodex nicht erforderlich, dass es tatsächlich zu einer Einflussnahme Außenstehender auf redaktionelle Inhalte gekommen ist. Es reicht vielmehr bereits aus, wenn Werbung von unabhängiger redaktioneller Berichterstattung nicht klar abgegrenzt wird. Dabei sind neben der optischen Aufbereitung des Beitrags – gewisse Beiträge sind aufgrund ihrer Gestaltung von vornherein als Werbung erkennbar – v.a. die Formulierungen im Beitrag entscheidend.
Der Senat weist darauf hin, dass die drei zu prüfenden Beiträge in Hinblick auf Layout und Schriftbild so wie redaktionelle Beiträge gestaltet sind. Um zu prüfen, ob in den Beiträgen werbliche Formulierungen überwiegen, unterzog der Senat die oben genannten Beiträge daher einer inhaltlichen Analyse und gelangte zum Ergebnis, dass der werbliche Charakter der drei Beiträge evident ist: Die angebotenen Produkte bzw. die betreffenden Unternehmen werden durchwegs positiv und völlig unkritisch dargestellt, weiters werden die Ausstattungsmerkmale der Produkte angepriesen. Neben der offenkundigen Werbesprache (so u.a. „Wohlfühloase“; „traumhaft inspirierende(n) Wohnwelten“; „perfekte(n) Weihnachtsgeschenk“) ist jedem der Beiträge auch noch ein Foto beigefügt, das vom jeweiligen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurde.
Nach Meinung des Senats könnten die Berichte ebenso aus einer Werbebroschüre stammen; die Leserinnen und Leser sollen augenscheinlich dazu verleitet werden, die Filialen der anbietenden Handelsunternehmen aufzusuchen, um die angepriesenen Produkte zu erwerben. Im Übrigen ergaben Recherchen des Senats, dass alle drei Beiträge auf Presseaussendungen der Unternehmen beruhen und deren Formulierungen nahezu wortident übernommen wurden; darüber hinausgehende Recherchen durch das Medium konnte der Senat nicht feststellen. Dass die Beiträge unter der Rubrik „Menschen und Märkte“ veröffentlicht wurden, bewertet der Senat nicht als ausreichende Kennzeichnung der werblichen Beiträge; es hätte eine klarere Kennzeichnung erfolgen müssen, z.B. durch die Bezeichnung als „Werbung“ oder „Pressemitteilungen von Unternehmen“.
Im Ergebnis wurde die aus medienethischer Sicht erforderliche Unterscheidung zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten im Sinne der Punkte 3 und 4 des Ehrenkodex missachtet. Die Leserinnen und Leser wurden in die Irre geführt. Die Medieninhaberin der „Tiroler Tageszeitung“ wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Tiroler Tageszeitung“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der „Tiroler Tageszeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.
Wolfgang Unterhuber, Sprecher des Senats 3, Tel.: 05 9030-22760
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