TIROLER TAGESZEITUNG AM FEIERTAG „Leitartikel“ Ausgabe vom 26. Mai 2022, von Floo Weißmann: „Amerikas Kultur der Gewalt“
TIROLER TAGESZEITUNG AM FEIERTAG „Leitartikel“ Ausgabe vom 26. Mai 2022, von Floo Weißmann: „Amerikas Kultur der Gewalt“
Waffenlobbyisten und ihre politischen Marionetten verhindern bisher, dass es zu nachhaltigen Reformen kommt.
Innsbruck (OTS) – Nach dem Schulmassaker in Texas beginnt in den USA nun wieder ein allzu bekannter Zyklus. Fassungslosigkeit, Trauer und Wut erfassen die Öffentlichkeit. Politiker der Demokraten, Angehörige der Opfer und Aktivisten fordern strengere Waffengesetze und gesellschaftliche Reformen, die die Gewalt eindämmen sollen. Sie wissen eine Mehrheit der Amerikaner hinter sich. Waffenlobbyisten und Republikaner streuen Sand in die Debatte, unterstützt von konservativen Richtern und einer radikalen Minderheit. Die neuen Initiativen versickern bis zum nächsten Massaker.
Die USA haben ein tief sitzendes Problem mit der Verfügbarkeit und Verbreitung von Schusswaffen, kombiniert mit einer Kultur der Gewalt. Spektakuläre Bluttaten bilden nur die öffentlichkeitswirksame Spitze des Eisbergs. Wachsende soziale Ungleichheit und politische Polarisierung sowie die Verwerfungen durch die Pandemie haben die Gewaltbereitschaft zuletzt noch erhöht. Schon Grundschulkinder müssen regelmäßig „Active Shooter“-Übungen absolvieren – ein bizarres Alleinstellungsmerkmal unter Industrieländern.
Waffenlobbyisten und ihre politischen Marionetten arbeiten unbeirrt daran, die Waffe als Fetisch zu etablieren: für Männlichkeit und Selbstbestimmung; für Sicherheit, obwohl die Zahlen das Gegenteil belegen; und in rechten Kreisen auch für Widerstand gegen eine liberale Regierung, die angeblich die wahren Patrioten unterjochen will.
Richtig ist, dass strengere Waffengesetze alleine das Problem nicht lösen – sofern sie nicht ohnehin am konservativen Supreme Court scheitern. Mehr Sicherheit und Geborgenheit in Amerika ist ein Projekt für Generationen. Es wäre wichtig, endlich damit anzufangen. Doch die politische Konjunktur spricht nicht dafür, dass der Zyklus aus Fassungslosigkeit und Resignation diesmal anders verläuft.
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