TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom 1. März 2022, von Peter Nindler: „Sieger sehen anders aus“

TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom 1. März 2022, von Peter Nindler: „Sieger sehen anders aus“

Innsbruck (OTS) – Weder politisches Erdbeben noch Vulkanausbruch:
Nach der Gemeinderatswahl ist für die Landtagswahl alles offen, weil die etablierten Parteien allesamt in der Defensive sind. Und wie es mit der MFG weitergeht, lässt sich noch nicht abschätzen.

Im längst schwelenden Landtagswahlkampf befindet sich die politische Stimmungslage in Tirol derzeit im Niemandsland. Zwar konnte die impfkritische MFG bei den Gemeinderatswahlen den Protest sammeln, ansonsten gab es allerdings weder einen klaren Trend weg von der ÖVP noch einen hin zu SPÖ, FPÖ, Grünen oder NEOS.
In der Tiroler Volkspartei konzentriert sich deshalb wieder einmal alles auf Landeshauptmann Günther Platter. Als Zugpferd hat er zuletzt (Strahl-)Kraft eingebüßt, vielmehr macht dem ÖVP-Chef ein Querlauf auf dem Politparkett zu schaffen. Der Verlust des Bürgermeis­tersessels in seiner Heimatgemeinde Zams ist für die ÖVP in seiner Auswirkung zwar vorrangig symbolisch, er passt jedoch in Platters politisches Wellental. Folglich benötigt der Landeshauptmann bei den Bürgermeister-Stichwahlen am 13. März durchschlagende Erfolge – einen Motivationsschub, der ihn aus dem „Weder Fisch noch Fleisch“-Korsett befreit.
Wörgl schaut gut aus, wäre aber allein zu wenig, weil das dürftige Abschneiden in Hall, Schwaz oder Wattens schwer auf der ÖVP lastet. Freilich sind den anderen Parteien ebenfalls politische Grenzen gesetzt. Dass sich die Sozialdemokraten leichttun werden, die angepeilten 20 Prozent bei der Landtagswahl zu erreichen bzw. sogar zu übertreffen, lässt sich trotz beachtlicher Ergebnisse nicht aus der Gemeinderatswahl ableiten. Genauso müssen sich die Grünen als Regierungspartei auf Bundes- wie Landesebene in Tirol bereits für mehr als zwölf Prozent enorm strecken. Für die NEOS gilt das Gleiche schon für ein Stimmenpotenzial von zehn Prozent, nicht einmal im urbanen Bereich haben die Pinken am Sonntag maßgeblich Fuß gefasst. Und die FPÖ?
Die Blauen treten auf der Stelle, die MFG macht ihnen das Leben schwer. Sofern es der Impfgegner-Partei noch dazu gelingt, ihr Themenspektrum über den Corona-Protest hinaus zu erweitern, dürfte sie jedenfalls bei den Landtagswahlen weiter umrühren. Mit drei Protestparteien – die Liste Fritz nicht zu vergessen – würde dieses Wählersegment wohl intensiv beackert und gesplittet werden.
So könnte die Volkspartei bei den Landtagswahlen verlieren, aber keiner würde richtig gewinnen, weshalb die ÖVP schlussendlich wieder in die komfortable Position käme, sich ihren Koalitionspartner aussuchen zu können. Nur: Zu Jahresbeginn waren die Umfragen für die Tiroler Schwarzen und Günther Platter alles andere als gut, doch der Landeshauptmann hat schon öfters seine politischen Mitbewerber überrascht. Dafür muss er jedoch rasch den Turbo zünden, ansonsten wird es in der Partei sichtbar unruhig werden.

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