Verfassungsausschuss: Versuchte Transparenzoffensive und Einsatz für direkte Demokratie auf Gemeindeebene
Verfassungsausschuss: Versuchte Transparenzoffensive und Einsatz für direkte Demokratie auf Gemeindeebene
Oppositionsanträge zum Bundesarchivgesetz, Bürgerbeteiligung auf Gemeindeebene und Medienpolitik
Wien (PK) – Mit zwei Anträgen wollten die SozialdemokratInnen dem Strukturwandel der Kommunikation von AmtsträgerInnen der Republik, speziell der obersten Organe, Rechnung tragen. Einerseits beabsichtigten sie eine Novelle zum Bundesarchivgesetz, die es ermöglichen soll, künftig auch deren digitales Schrift- und Kommunikationsgut im Staatsarchiv zu archivieren. Andererseits verfolgten sie ein Verbot der Datenlöschung auf Diensthandys.
Die Stärkung der direkten Demokratie versprachen sich FPÖ, NEOS und SPÖ von einer gemeinsamen Initiative, nach der GemeindebürgerInnen mehr Mitspracherecht auf Gemeindeebene eingeräumt werden soll. Sie forderten, dass Ergebnisse von Volksabstimmungen hier auch ohne Einbindung des Gemeinderats verbindliche Wirkung entfalten können sollen. In diesem Zusammenhang brachten die Koalitionsparteien einen Entschließungsantrag ein. So soll die Feststellung etwaiger regionaler Bedürfnisse nach Änderungen der verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen anregt werden. Der Antrag wurde angenommen.
Der Transparenz im Bereich der Medien widmeten sich die NEOS und setzten sich für eine Reform der Medienförderung ein. Diese solle nicht mehr anhand von Druckauflagen bzw. Quoten, sondern auf Basis klarer Qualitätskriterien verteilt werden. Außerdem fordern sie eine Erhöhung des Gesamtvolumens auf das zehnfache der derzeitigen Presseförderung, bei einer gleichzeitigen drastischen Reduktion der Inserate der öffentlichen Hand. Für Letzteres setzte sich auch die FPÖ ein, um politische Einflussnahme auf die Berichterstattung zu erschweren. Die Freiheitlichen machten sich auch für eine Abschaffung der ORF-Gebühren sowie gegen die „Genderideologie“ im ORF stark.
In einem weiteren Antrag setzten sich die NEOS für die rechtliche Möglichkeit ein, von der Republik vergebene Ehrenzeichen wieder abzuerkennen. Sämtliche Oppositionsanträge wurden vertagt.
SPÖ für Novelle zum Bundesarchivgesetz und Verbot von Datenlöschung auf Diensthandys
In einem wiederaufgenommenen Antrag hat die SPÖ hat eine Novelle zum Bundesarchivgesetz vorgelegt (743/A). Abgeordnetem Christian Drobits und seinen FraktionskollegInnen geht es darum, künftig auch digitales Schrift- und Kommunikationsgut von Regierungsmitgliedern und anderer Oberster Organe im Staatsarchiv zu archivieren. Zudem sollen WissenschaftlerInnen und ForscherInnen bereits nach zehn Jahren – und nicht erst nach zwanzig Jahren – Zugang zu den archivierten Beständen erhalten.
In der Begründung des Antrags verweist Drobits unter anderem auf eine einstimmige Entschließung des Nationalrats vom Frühjahr 2019. Weiters regten die SozialdemokratInnen ein neues Dokumentationsgesetz an, um AmtsträgerInnen der Republik dazu zu verpflichten, für ihre dienstliche Kommunikation einzig dafür vorgesehene Mobiltelefone bzw. Kommunikationsgeräte zu benutzen (1947/A(E)) Das Löschen von Daten darauf solle strafrechtlich verfolgt werden, empfiehlt Antragsteller Christian Drobits (SPÖ).
Der NEOS-Mandatar Johannes Margreiter sah die Wirkung des Antrages als überschießend und betonte die praktischen Probleme, die sich ergeben würden, wenn das angedachte Dokumentationsgesetz in Kraft trete. Eva Blimlinger (Grüne) und Friedrich Ofenauer (ÖVP) von den Regierungsfraktionen pflichteten ihm bei und verwiesen auf die Komplexität der Thematik, der im Antrag nicht Rechnung getragen werde. Auch würde es einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bedeuten, wenn den Betroffenen das Recht auf Löschung entzogen werde.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler betonte, dass sie grundsätzlich das Verlangen nach Transparenz verstehe, da es sich um ein „Zeichen unserer Zeit“ handle. Auch sie sehe Handlungsbedarf was das Archivgesetz betreffe, es fehlten zur Umsetzung jedoch weitere Spezifizierungen und Abgrenzungen, welche Daten als relevant zu gelten haben. Man dürfe auch bei Datenschutz- und Persönlichkeitsrechten nicht mit zweierlei Maß messen und AmtsträgerInnen benachteiligen. Beide Anträge wurden mehrheitlich vertagt.
Anträge von Opposition und Regierung zur direkten Demokratie auf Gemeindeebene
Eine ebenfalls wiederaufgenommene Initiative von FPÖ, NEOS und SPÖ zielt darauf ab, GemeindebürgerInnen mehr Mitspracherechte in Gemeindeangelegenheiten einzuräumen und dadurch die direkte Demokratie zu stärken. Die Bundesregierung solle die notwendigen Rechtsgrundlagen dafür schaffen, damit Ergebnisse von Volksabstimmungen auf Gemeindeebene auch ohne Einbindung des Gemeinderats verbindliche Wirkung entfalten können, fordern die drei Oppositionsparteien in einem Entschließungsantrag (1080/A(E)). Anlass für die Initiative war die Aufhebung einzelner Bestimmungen im Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz und im Vorarlberger Gemeindegesetz durch den Verfassungsgerichtshof. Dieser hatte nach einer Volksabstimmung in der Vorarlberger Gemeinde Ludesch geurteilt, dass es dem repräsentativ-demokratischen System widerspreche, wenn BürgerInnen über die Köpfe des Gemeinderats hinweg Gemeindeorgane zu gewissen Handlungen bzw. Unterlassungen verpflichten könnten.
In diesem Zusammenhang brachte die Regierung jedoch einen Entschließungsantrag ein, in dem die Verfassungsministerin ersucht wird, gemeinsam mit des LandesverfassungsgesetzgeberInnen zu ergründen, inwieweit Änderungen der bundesverfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen auf Grund regionaler Bedürfnisse angezeigt sind.
Johannes Margreiter von den NEOS sprach hier von einem „hochinteressanten verfassungsrechtlichen und damit demokratiepolitischen Problem“, welches hinter dem Fall in Vorarlberg stehe. Laut ihm, sollte es im Sinne der Bürgernähe kein großer Diskussionspunkt sein, dass hier an verfassungsgesetzlichen Schrauben gedreht werden solle.
Selma Yildirim (SPÖ) leitete damit ein, dass sie sich als Sozialdemokratin grundsätzlich zum Prinzip der repräsentativen Demokratie bekenne, dem vorliegenden Oppositionsantrag jedoch zustimmen werde. Denn gerade in Zeiten, in denen die Politik immer abstrakter werde und die BürgerInnen sich in ihr nicht mehr wiederfänden, wachse das Bedürfnis nach „mehr Nähe zu den Entscheidungen“. Deshalb könnten zumindest auf kommunaler Ebene gewisse direkt-demokratische Elemente zur Anwendung gebracht werden.
Die Grünen-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer warf ein, dass es nicht nur um Vorarlberg gehe, sondern um eine Verfassungsänderung die alle Länder betreffe. Es handle sich um ein Thema, dass nicht auf die „leichte Schulter“ genommen werden dürfe, wie ihr die Verfassungsministerin zustimmte und es seien weitere Spezifikationen notwendig. Deshalb wurde auch der Antrag der Koalitionsfraktionen eingebracht, welcher schließlich mehrheitlich beschlossen wurde, während der Oppositionsantrag in der Minderheit blieb.
Medienpolitische Initiativen von FPÖ und NEOS
Die NEOS sprachen sich dafür aus, professionellen und kritischen Journalismus stärker zu fördern und sie fordern in diesem Zusammenhang eine umfassende Reform der Medienförderung (985/A(E)). So sollen etwa Kriterien wie ein Redaktionsstatut, die Anerkennung der Entscheidungen des Presserats, die Trennung von Nachricht und Kommentar sowie eine klare Trennung von Anzeigen und redaktionellem Inhalt Fördervoraussetzung sein. Außerdem wollen sie, dassfür die Medienförderung das zehnfache des derzeitigen Volumens der Presseförderung bereitgestellt werden soll und im Gegenzug die Inserate der öffentlichen Hand drastisch reduziert werden.
Ebenfalls gegen die „Inseratenflut“ gerichtet ist ein Antrag der Freiheitlichen, in dem eine Deckelung der Regierungsausgaben gefordert wird, um politische Einflussnahme auf Medien zu erschweren (2002/A(E)). Zudem fordern die Freiheitlichen mehr Transparenz bei der Informationspolitik von Regierungsseite, die sich grundsätzlich nicht auf einzelne Medien beschränken dürfe und einen größtmöglichen Teil der Bevölkerung erreichen müsse. Zur Kontrolle der Reichweite sei dem Parlament jährlich ein Evaluierungsbericht zuzuleiten.
Die Freiheitlichen machten auch gegen die „Genderideologie“ im ORF mobil (1910/A(E)). In ihrem Antrag fordern sie die Regierung auf, die aktuelle Ausarbeitung von ORF-Richtlinien zur Gendersprache zu nutzen, um den Gebrauch des ihnen zufolge grammatikalisch falschen und ideologisch motivierten Binnen-I hintanzuhalten. Auch die ORF-Gebühren sollten, wenn es nach der FPÖ ginge, abgeschafft werden (2003/A(E)).
Henrike Brandstötter von den NEOS sprach im Ausschuss von einer Schieflage, die aufgrund einer sehr hohen Parteienförderung im Vergleich zu einer niedrigen Presseförderung entstehe. Die Medien würden dadurch von Inseraten der öffentlichen Hand abhängig gemacht, was durch eine Erhöhung der Medienförderung bei gleichzeitiger Deckelung des Inseratenvolumens aufgelöst werden könne.
Auch Rudolf Silvan (SPÖ) konstatierte, dass die Medienförderung dem 21. Jahrhundert angepasst werden müsse, um Medienvielfalt und Pressefreiheit zu fördern. Es müssten jedoch auch andere Förderkriterien, wie die Einhaltung von Kollektivverträgen oder die Mitgliedschaft im Presserat herangezogen werden. Die von der FPÖ geforderte Abschaffung der ORF-Gebühren stehe dem Gedanken der Medienvielfalt entgegen und würde zu einem stärkeren Einfluss deutscher Medienkonzerne führe, zeigte sich Silvan überzeugt. Außerdem sei der ORF der größte Auftraggeber der heimischen Kreativwirtschaft.
Christian Hafenecker (FPÖ) entgegnete, dass die Abschaffung der Gebühren und das damit verbundene Heraustreten des ORF aus seiner „geschützten Werkstätte“ der Medienvielfalt nur zuträglich sein könne und den Markt beleben würde. Er sehe nicht ein, dass die BürgerInnen belastet werden, damit im ORF amerikanische Serien ausgestrahlt würden. Zum Gendern im ORF merkte er noch an, dass dieses bei einem Großteil der Bevölkerung nicht ankomme und man den ORF aus dieser ideologischen „Geiselhaft“ entlassen müsse.
ÖVP-Mandatar Alexander Melchior führte an, dass die Regierung bereits an einem Medienpaket arbeite, und man diese Thematik nicht „in Einzelteilen“ behandeln dürfe. Er stellte für alle Initiativen Vertagungsanträge, die mehrheitlich angenommen wurden.
NEOS: Ehrenzeichen sollen wieder aberkannt werden können
Die NEOS brachten einen Entwurf für ein „Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz“ ein (76/A). Damit wollen sie sicherstellen, dass von der Republik Österreich vergebene Ehrenzeichen wieder aberkannt werden können. Das sollte sowohl für die diversen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich als auch für sonstige besondere Auszeichnungen wie das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst gelten. Die Aberkennung sollte nicht nur zu Lebzeiten des Geehrten möglich sein, sondern auch posthum.
Ein Gemeinwesen lebe nicht nur von „harten Fakten und Budgets“, leitete Johannes Margreiter (NEOS) ein, sondern auch von Wertschätzung und Anerkennung. Es ergebe sich hierbei jedoch immer wieder das Problem, dass Ehrenzeichen an Menschen vergeben wurden, von denen man sich aus heutiger Sicht distanzieren wolle. Es sei ein „äußerst schlechtes Symbol“, wenn solche Ehrungen aufrecht blieben, unterstrich Margreiter und verwies auf Personen, die sich an Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus beteiligten.
Eva Blimlinger (Grüne) wies darauf hin, dass es bald Gespräche mit der Präsidentschaftskanzlei sowie mit dem Bundeskanzleramt geben werde, wo eine gute Lösung für diese Frage gefunden werde. Dem schloss sich Johann Singer (ÖVP) an und warf ein, dass die Aberkennungsgründe genau definiert werden müssten, damit kein „Sammelsurium“ entstehe. Er stellte deshalb einen Vertagungsantrag.
Auch die Freiheitlichen würden sich dem Anliegen grundsätzlich nicht verschließen, teilte Susanne Fürst (FPÖ) mit, es müsste jedoch eindeutiger formuliert werden. Man dürfe in dieser Frage auch nicht „ideologisch moralisierend“ vorgehen, sondern brauche feste, objektive Kriterien, so Fürst. Der Vertagungsantrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen. (Schluss Verfassungsausschuss) wit
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