TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 13. September 2021, von Mario Zenhäusern: „Heilige Kuh Dieselprivileg“
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 13. September 2021, von Mario Zenhäusern: „Heilige Kuh Dieselprivileg“
Innsbruck (OTS) – Wer sich weigert, den Menschen entlang der Inntal-und Brennerautobahn mehr Lebensqualität, weniger Lärm und sauberere Luft zu verschaffen, beweist lediglich, dass der Kampf gegen den Transit nicht oberste Priorität besitzt.
In der Vorwoche durchquerte der „Connecting Europe Express“ (CEE) Österreich. Die europaweite Initiative soll die Bedeutung des Schienenverkehrs für klimafreundliche Mobilität und Transport in der EU in den Vordergrund rücken. Also Werbung für den Umstieg von der Straße auf die Schiene machen – im Personen- wie auch im Güterverkehr.
Was an und für sich wie ein lobenswertes Unterfangen klingt, ist in Wahrheit an Zynismus kaum zu überbieten. Zwar nimmt die EU viel Geld in die Hand für die Realisierung des Brennerbasistunnels (BBT), der in Zukunft einen Teil des Transitverkehrs schlucken und so die Tiroler Probleme lindern soll. Gleichzeitig unterlässt es Brüssel aber, die nötigen Voraussetzungen für die angestrebte Verlagerung des Warentransports auf die Schiene zu schaffen. Vielmehr lassen die EU und insbesondere Verkehrskommissarin Adina Valean nichts unversucht, um das Erreichen dieses Ziels zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Bestes Beispiel dafür ist das Tauziehen rund um die Überarbeitung der Wegekostenrichtlinie – Stichwort „Euro-Vignette“ –, von der Tirol nur eines zu erwarten hätte: mehr Verkehr. Hinzu kommen der stockende, sich um Jahre verzögernde Ausbau der BBT-Zulaufstrecke in Bayern, der anhaltende Widerstand der deutschen und italienischen Wirtschaftskammer beziehungsweise Frächterverbände gegen jedwede Einschränkung sowie ein Angebot auf der Schiene, das vornehm ausgedrückt noch sehr viel Luft nach oben hat.
Nicht einmal in Österreich selbst können die Kämpfer gegen den alpenquerenden Schwerverkehr mit hundertprozentiger Unterstützung rechnen. Die ÖVP zum Beispiel drückt sich seit Jahren beharrlich vor der längst überfälligen Abschaffung der steuerlichen Begünstigung des Dieseltreibstoffs. Diese Vorgangsweise verursacht rund 300.000 zusätzliche Lkw-Fahrten über die Brennerroute pro Jahr. Das ist auch den Politikern bewusst, an ihrer Haltung ändert das aber nichts. Mit ihrer Weigerung, die heilige Kuh namens Dieselprivileg zu schlachten, führt die ÖVP auf Bundes- wie auch auf Landesebene sämtliche Bemühungen zur Reduzierung des Warentransports auf der Straße ad absurdum. Wer nicht jede Möglichkeit nützt, um den Menschen entlang der Inntal- und Brennerautobahn endlich mehr Lebensqualität durch weniger Lärm und sauberere Luft zu verschaffen, beweist lediglich, dass der Kampf gegen den Transitverkehr hierzulande nicht oberste Priorität besitzt. Und wer so agiert, darf nicht darauf hoffen, dass Brüssel den ersten Schritt macht.
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