TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 3. August 2021, von Max Strozzi: „Tirol muss Vorarlberger Weg einschlagen“
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 3. August 2021, von Max Strozzi: „Tirol muss Vorarlberger Weg einschlagen“
Innsbruck (OTS) – Vorarlberg sagt Investorenmodellen den Kampf an, in Salzburg und der Steiermark protestieren Bürger und ein Wifo-Experte warnt vor Anleger-Hotels für internationale Immobilien-Investoren. Auch Tirol müsste jetzt aufwachen.
In einigen Bundesländern wächst der Widerstand gegen so genannte Investorenmodelle. Dabei kaufen finanzstarke Anleger Wohnungen oder Chalets in einem bestehenden oder auf grüner Wiese neu gebauten (Hotel-)Komplex, die ein Hotelbetreiber dann an Urlauber vermietet. Lech hat unter dem neuen Bürgermeister unlängst aus der Praxis die Lehren gezogen und einstimmig einen zweijährigen Baustopp für Investorenmodelle beschlossen. Die Urlaubervermietung hielt sich demnach in Grenzen – „dunkle“ Häuser und leblose Chalets prägten zunehmend das Bild des Nobelskiorts, der Bürgermeister sprach vom Ausverkauf der Heimat. Lech hat inzwischen Verstärkung bekommen:
Mehrere Gemeinden wollen eine „gemeinsame Front gegen den Ausverkauf der Heimat“ (O-Ton) durch Investorenmodelle aufbauen. Auch in Salzburg und der Steiermark wurde die Problematik erkannt. Dort sind es eher die Bürger, die protestieren. Nun warnt auch ein Tourismus-Ökonom des Wifo vor den Auswirkungen solcher Anleger-Konzepte für internationale Investoren.
In Tirol hielt sich der Aufschrei bisher in Grenzen. Vereinzelt melden sich Touristiker zu Wort, eine breite Front wie in Vorarlberg ist aber noch nicht zu erkennen. Dabei widersprechen solche Investorenmodelle nicht nur dem Tiroler Selbstbild des kleinstrukturierten, familienbetriebenen Tourismus-Idylls – die vielen Millionen der internationalen Apartment-Käufer setzen die traditionellen Generationenbetriebe massiv unter Druck. Und viele Anleger investieren auch nicht unbedingt in den Tourismusbetrieb, sondern in Wohnungen und Chalets, mit denen sie im Grundbuch stehen. Läge ihnen primär das Tourismus-Geschäft am Herzen, könnten sie sich ja gerne an der Hotel-Betreibergesellschaft beteiligen – mit allen Risiken, die auch ein „herkömmlicher“ Hotelier zu tragen hat. Es gibt inzwischen Investorenhotel-Ketten, die sich in Tirol bereits mit Dutzenden solcher Modelle ausgebreitet haben. Entlarvend ist dabei, dass potenzielle Anleger nicht selten in erster Linie mit der Preissteigerung ihrer Wohnungen gelockt werden – ein Immobilienberater wird einem dabei gleich mit ans Herz gelegt. Doch auch die vielen kleineren Einzelprojekte, die unter dem Radar der Öffentlichkeit entstanden und entstehen, sind es, die den Ausverkauf von (touristischem) Grund und Boden zum lukrativen Geschäft für internationale Immobilien-Investoren vorantreiben. Oft mit freundlicher Unterstützung der Gemeinden, die mit Widmungen aushelfen. Vorarlberger Gemeinden ziehen nun einen Schlussstrich. Tirol sollte sich deshalb ernsthaft und rasch überlegen, ob dies nicht auch bei uns der richtige Weg sein könnte.
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