Beziehungsstatus: komplex
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Internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung liefert neue Erkenntnisse über Immunantworten von Pflanzen auf Bakterien
Wien (OTS) – Zwei aktuelle, gleichzeitig publizierte Arbeiten eines internationalen Forscherteams liefern neue Erkenntnisse über Immunantworten von Pflanzen auf Bakterien. Die beiden Artikel verändern grundlegend die Art und Weise, wie die Wissenschaft bisher die Beziehung einer bakteriellen Antigenkomponente zu ihrem pflanzlichen Immunrezeptor betrachtet hat. Die in der Zeitschrift Cell Host & Microbe veröffentlichten Arbeiten decken einen koevolutionären Mechanismus zwischen Bakterien und Pflanzen auf und erklären auch komplexe Immunantwortmuster, die in freier Wildbahn beobachtet werden. Beteiligt waren Forscherinnen und Forscher des Wiener [Gregor Mendel Instituts für molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (GMI)] (https://www.oeaw.ac.at/gmi/), der University of North Carolina at Chapel Hill (UNC-Chapel Hill) und des Howard Hughes Medical Institute (HHMI) (beide USA).
Immunevasion und Förderung des Pflanzenwachstums
Auf die Frage nach möglichen Anwendungen dieser gemeinsamen Arbeit erläutert GMI-Gruppenleiter Youssef Belkhadir: „Es ist gut zu wissen, wie man eine Immunantwort einschaltet, aber wir vergessen oft, dass es manchmal auch gut sein kann, sie auszuschalten. So könnte man beispielsweise einer wachstumsfördernden Mikrobe helfen, die Pflanze besser zu besiedeln, indem man ihr eine zusätzliche Möglichkeit bietet, der Immunantwort der Pflanze zu entgehen. Und hier haben wir synthetische antagonistische Peptide entdeckt, die genau das können. “
Immunreaktionen haben sich während der Evolution in nahezu allen Organismen entwickelt, um sie vor fremden Eindringlingen zu schützen. Ein zentraler Aspekt der Immunantwort von Pflanzen und Tieren sind dabei sensorische Systeme, die fremde molekulare Signale erfassen und darauf reagieren. Diese molekularen Signale, oder antigenischen Determinanten, bestimmen im Allgemeinen die Überlebenschancen des Krankheitserregers: Der Wirt erkennt durch diese Signale den Krankheitserreger und eliminiert ihn.
Der evolutionäre Fortbestand des Eindringlings hängt also eng mit der Funktionsfähigkeit dieser antigenischen Determinanten zusammen. Dabei wirken beim Krankheitserreger zwei gegensätzliche evolutionäre Kräfte: Ein negativer Evolutionsdruck, um die Funktion der molekularen Signale aufrechtzuerhalten und ein positiver Evolutionsdruck, um die Immunevasion des Erregers zu fördern, und dadurch die Immunantwort des Wirtes auszugleichen.
In ihren Arbeiten haben die Forscherteams zwei sich ergänzende Forschungsansätze angewendet. Einer der beiden Ansätze war es, diese koevolutionären Kräfte durch synthetische und umgekehrte evolutionäre Methoden zu trennen. Dies haben die Forscherinnen und Forscher des Belkhadir-Labors des GMI und des Dangl-Labors des Teams UNC-Chapel Hill gemeinsam untersucht. In einem orthogonalen Ansatz haben sie die natürliche Vielfalt molekularer Strukturen (Epitope) in Bakteriengemeinschaften erforscht, die Pflanzen besiedeln (Kommensalgemeinschaften). Dabei erfassten die Forscherinnen und Forscher die komplexen Immunantwortmuster, die diese Epitope in den Pflanzen auslösen. Jeffery Dangl, Professor am UNC-Chapel Hill: „Bis heute haben die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf diesem Gebiet nur eine Handvoll Epitope verwendet. Wir haben Tausende von Proben genommen, die aus der synthetischen Biologie und den Kommensalgemeinschaften stammen. Diese Tiefe der Analyse ermöglichte es uns, eine große Vielfalt von Wirtsreaktionen aufzudecken, die durch einen einzelnen Rezeptor vermittelt werden.“
Umgekehrte Evolution und neue Erkenntnisse zur Co-Evolution
Die Forscherinnen und Forscher haben dabei untersucht, wie der Immunsensor FLS2 der Modellpflanze Arabidopsis die Entwicklung des mit ihm interagierenden Epitops auf dem Flagellin der Bakteriengattung Pseudomonas beeinflusst. In weiterer Folge haben sie beobachtet, wie das wiederum die Bewegungsfähigkeit dieser Bakteriengattung beeinflusst. Parys et al. haben den Mechanismus einer koevolutionären Kraft zwischen FLS2 und dem Flagellin-Epitop mit umgekehrten evolutionären Methoden untersucht. Sie zeigen, dass diese koevolutionäre Kraft einer molekularen Form der bisher auf diesem Gebiet wenig erforschten Theorie der antagonistischen Pleiotropie (AP) entspricht. AP ist die Fähigkeit eines Gens, in verschiedenen Kontexten gegensätzliche Wirkungen hervorzurufen, eine vorherrschende Theorie für den evolutionären Ursprung des Alterns beim Menschen.
Die Forscherinnen und Forscher zeigten, dass AP eine stabile Besiedlung von Arabidopsis durch Kommensalgemeinschaften fördert, indem es die bakterielle Bewegungsfähigkeit gegen die Sensordetektion abwägt. Diese Strategie führt zu Flagellin-Epitopen, die den Rezeptor entweder weniger aktivieren oder vollständig blockieren (Zunahme der Virulenz), während die Bewegungsfähigkeit in Gegenzug verloren geht (Verlust der Virulenz). Noch spannender war für die Forscher, dass sich Signaturen dieser synthetischen Experimente in natürlich vorkommenden Kommensalgemeinschaften finden. Das deutet darauf hin, dass natürliche Mikrobiome weniger von der durch Flagellen vermittelten Bewegungsfähigkeit abhängen und bereit sind, diese gegen eine andere Form der Immunevasion auszutauschen, um im Einklang mit der Pflanze zu bleiben.
Freund oder Feind? Fragen Sie Arabidopsis!
Im zweiten Ansatz der natürlichen Probenahme haben Colaianni et al. gezeigt, dass Immunevasionsmechanismen in Pflanzenwurzel-Kommensalgemeinschaften weit verbreitet sind. Sie sind ein bestimmender Faktor der Struktur der Gemeinschaft. Darüber hinaus wird dieser konzeptionelle Durchbruch von den Ergebnissen komplexer Feinabstimmungsmechanismen der Immunantwort der Arabidopsis bestätigt. Die Vielfalt der Ligandenepitope führt zu komplexen Immunantworten der Pflanze, die Schwellenwertschwankungen in ihrem Mikrobiom erkennen kann. Dadurch kann sie zwischen „Freund und Feind“ unterscheiden.
Wissenschaftliche Zusammenarbeit: zurück zu den gemeinsamen
Wurzeln
Die internationale Kooperation hat zu einem regen Erfahrungsaustausch zwischen den Erstautoren der beiden Veröffentlichungen geführt und frischt auch langjährige, herausragende wissenschaftliche Kontakte auf. Nicholas Colaianni, Doktorand im Dangl-Labor am UNC-Chapel Hill, ist ein Computerexperte, während die Hauptkompetenzen von Katarzyna Parys (ehemalige Doktorandin im Belkhadir-Labor) in der Biochemie und der Nasslabor-Genetik liegen. Colaianni war zuvor auch am Belkhadir-Labor am GMI. Als dritter Co-Erstautor beider Veröffentlichungen brachte Ho-Seok Lee, Postdoktorand im Belkhadir-Labor, seine Fähigkeiten in der Mikroskopie-Bildgebung ein.
Nach vielen Jahren getrennter Forschung beschlossen die beiden leitenden Wissenschaftler, Belkhadir und Dangl, ein gemeinsames Comeback. Zum Leitungsteam gehört auch Corbin Jones, Professor am UNC-Chapel Hill und Co-Mentor von Colaianni. Youssef Belkhadir selbst ist ein Absolvent der UNC-Chapel Hill, der als Doktorand mit Jeffery Dangl zusammengearbeitet hat. In Bezug auf das UNC Tar Heels-Basketballteam, das Dangl liebt, sagt Belkhadir: „17 Jahre nachdem ich meine erste Arbeit gemeinsam mit Jeff verfasst hatte, war es ein Riesen-Spaß, wieder miteinander auf den Platz zu kommen und den Ball reinzustopfen.“ Dangl dazu: „Genau wie Basketball ist Wissenschaft eine Teamleistung und die besten Teams spielen flüssig zusammen.“
Ein internationales Konsortium
Das GMI und UNC-Chapel Hill bekennen sich zur internationalen Zusammenarbeit. Die vorliegende Arbeit versammelte ein internationales Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Youssef Belkhadir, darunter die Universität Genf und die Universität Lausanne in der Schweiz, die Max Perutz Labs der Universität Wien in Österreich und die Universität Würzburg in Deutschland. Die Forscher würdigen auch den Beitrag der Mitgliedsinstitute und -einrichtungen des Vienna BioCenter.
Originalveröffentlichungen:
Parys et al., „Signatures of antagonistic pleiotropy in a bacterial flagellin epitope“, Cell Host & Microbe, 2021. DOI:
[https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.02.008]
(https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.02.008)
Colaianni et al., „A complex immune response to flagellin epitope variation in commensal communities“, Cell Host & Microbe, 2021. DOI:
[https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.02.006]
(https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.02.006)
Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 35 Ländern erforschen die neun Forschungsgruppen des GMI Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Zellbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich am Vienna BioCenter, einem der führenden Life-Science-Standorte Europas.
Gregor Mendel Institut für molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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