Bundesrat gibt grünes Licht für Gesetzespaket gegen Hass im Netz
Bundesrat gibt grünes Licht für Gesetzespaket gegen Hass im Netz
Opposition bleibt bei Kritik gegen neue Auflagen für Kommunikationsplattformen
Wien (PK) – Das Gesetzespaket gegen Hass im Netz ist endgültig auf Schiene. Der Bundesrat stimmte heute mit knapper Mehrheit dafür, auch gegen das neue Kommunikationsplattformen-Gesetz keinen Einspruch zu erheben. Damit kann es wie geplant am 1. Jänner 2021 in Kraft treten. SPÖ, FPÖ und NEOS sehen ihre Bedenken zwar nicht ausgeräumt, sie hatten aufgrund des Fehlens zweier FPÖ-BundesrätInnen aber zu wenig Stimmen, um eine Verzögerung des Vorhabens zu bewirken. Breite Zustimmung erhielt, wie im Nationalrat, der justizielle Teil des Pakets, lediglich die FPÖ sieht auch diese Bestimmungen kritisch.
Ebenfalls den Bundesrat passiert haben eine Novelle zum „Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz“ und begleitende Gesetzesänderungen, die unter anderem strengere Auflagen für Video-Sharing-Plattformen wie YouTube und adaptierte Werberegeln für klassische TV-Sender und Streaming-Anbieter bringen. Zudem werden coronabedingte Sonderregelungen im Bereich der Justiz, der Verwaltung und im Vergaberecht verlängert. Dabei geht es etwa um den Einsatz von Videotechnologie im Zuge von Gerichts- und Verwaltungsverfahren, Auflagen für Lokalaugenscheine, die Verlängerung von Mietstundungen, die Möglichkeit zur Verschiebung von Vereinsversammlungen, einen erleichterten Zugang zu Unterhaltsvorschüssen und insolvenzrechtliche Bestimmungen. Weiters ist vorgesehen, die bislang befristete Möglichkeit einer elektronischen GmbH-Gründung ins Dauerrecht zu übernehmen.
Neben dem Ministerrat und Gemeinderäten wird es vorübergehend auch verschiedenen Gremien im Medienbereich wie dem ORF-Stiftungsrat sowie dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat möglich sein, Beschlüsse im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz zu fassen. Eine Novelle zum Verbraucherkreditgesetz und weiteren Gesetzen hat Verbesserungen für KonsumentInnen bei vorzeitigen Kreditrückzahlungen zum Inhalt. Die Entscheidungen im Bundesrat fielen teils einstimmig, teils mehrheitlich, wobei für die Änderungen im Vergaberecht eine Zweidrittelmehrheit nötig war.
Hass im Netz: Gesetzespaket soll Rechte von Opfern stärken
Ziel des Gesetzespakets gegen Hass im Netz ist es, wüste Beschimpfungen, Verleumdungen, Hetze gegen Minderheiten und andere rechtswidrige Inhalte auf Kommunikationsplattformen zurückzudrängen und Opfern von Hass im Netz zu erleichtern, sich zur Wehr zu setzen und zu ihrem Recht zu kommen. Dazu sollen unter anderem ein wirksames Beschwerdeverfahren für NutzerInnen größerer Plattformen, die Pflicht zur umgehenden Löschung rechtswidriger Inhalte, beschleunigte Unterlassungsklagen und Maßnahmen zur Erleichterung der Ausforschung von HassposterInnen beitragen. Außerdem ist im Sinne des Opferschutzes vorgesehen, die Prozessbegleitung auszuweiten. Begleitend dazu wird der Straftatbestand der Verhetzung verschärft und ein neuer Straftatbestand gegen „Upskirting“, also ein Verbot des unbefugten Fotografierens oder Filmens des Intimbereichs, eingeführt. Auch im Bereich der klassischen Medien kommt es zu einer Stärkung des Persönlichkeitsschutzes.
Nach Inkrafttreten des Kommunikationsplattformen-Gesetzes mit Anfang 2021 haben die betroffenen Dienste-Anbieter bis Ende März – also drei Monate – Zeit, die neuen Verpflichtungen umzusetzen, wobei nur größere Plattformen mit mindestens 100.000 UserInnen oder mehr als 500.000 € Jahresumsatz betroffen sind. Auch sind etliche Ausnahmen, etwa für Online-Enzyklopädien wie Wikipedia vorgesehen.
In der Debatte wies Daniela Gruber-Pruner (S PÖ /W) auf die Notwendigkeit hin, Hass im Netz mit aller Konsequenz entgegenzutreten. Cyber-Mobbing habe Menschen schon in den Selbstmord getrieben, das sei kein Kavaliersdelikt, bekräftigte sie. Vor allem auch Frauen seien immer wieder betroffen. Sie begrüßte in diesem Sinn, dass Hassposter künftig leichter zur Rechenschaft gezogen werden können und der Opferschutz ausgeweitet wird. Bedauert wird von Gruber-Pruner hingegen unter anderem, dass der Strafrahmen für „Upskirting“ im Zuge der Begutachtung heruntergesetzt wurde.
Was das Kommunikationsplattformen-Gesetz betrifft, sprach der Wiener SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach von einem schwierigen Akt der Balance. Er hält diesen Teil des Pakets aber „für nicht gut gelungen“, zumal die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit von Inhalten an private Unternehmen ausgelagert werde. Laien ohne Qualifikationserfordernisse dürften Löschungen vornehmen. Schennach wertete den „Alleingang“ Österreichs überdies für problematisch und pochte auf einheitliche europäische Regelungen.
FPÖ sieht Meinungsfreiheit in Gefahr
Der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat Arthur Spanring betonte, es sei wichtig, Kindern und Jugendlichen, die im Internet zu Opfern geworden sind, rasch zu helfen. Auch der neue Strafbestand Upskirting wird von ihm positiv bewertet.
Insgesamt ließ die FPÖ aber kein gutes Haar am Gesetzespaket. Sowohl Spanring als auch sein oberösterreichischer Fraktionskollege Michael Schilchegger sehen durch die neuen Bestimmungen die Meinungsfreiheit in Gefahr, wobei Spanring sogar indirekte Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus zog. Ein Gesetzespaket rund um rechtlich unbestimmte Begriffe wie „Hass“ und „Fake News“ aufzubauen, sei problematisch, erklärte er. Wer bestimme, wann die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten werde. Man müsse Meinungen aushalten, die falsch erscheinen oder vielleicht auch tatsächlich falsch sind, selbst wenn diese verstörend oder verletzend seien. Mit dem „Auslagern von Zensur“ an private Unternehmen würde überdies „die Büchse der Pandora geöffnet“, so Spanring.
Ähnlich argumentierte FPÖ-Bundesrat Schilchegger. Für Laien sei es oft sehr schwierig zu unterschieden, ob eine Äußerung noch zulässig sei oder schon strafrechtlich relevant, hob er hervor. Noch dazu wo der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Einzelfällen immer wieder anders als österreichische Gerichte urteile.
Seitens der NEOS merkte der Wiener Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky an, dass seine Partei den justiziellen Teil des Gesetzespakets „dem Grunde nach“ begrüße, auch wenn Hass im Netz mit dem Ausfüllen von Formularen wohl nicht verschwinden werde. Der Gesetzestitel verheiße mehr als der Inhalt hergebe, meinte er. Ablehnen werde er das Kommunikationsplattformen-Gesetz, kündigte Arlamovsky an. Es sei zwar gut gemeint, aber „nicht so gut gelungen“, dass eine Zustimmung gerechtfertigt wäre. Konkret hinterfragte er etwa, warum Leserforen von Medien und nichtkomerzielle Plattformen ausgespart seien.
Kein Recht auf Verhetzung und persönliche Diskreditierung
Marlene Zeidler-Beck(ÖVP/N) warf der FPÖ vor, jene an den Pranger stellen zu wollen, die gegen Hass im Netz auftreten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei ein hohes Gut, räumte sie ein, niemand habe aber ein Recht auf Verhetzung, auf die Verbreitung gezielter Falschnachrichten oder auf Ausgrenzung und persönliche Diskreditierung. Es gebe nichts Gutes an Hass im Netz und nichts daran zu beschönigen und zu verharmlosen. Anhand konkreter Beispiele veranschaulichte Zeidler-Beck, wie sich Opfer künftig leichter zur Wehr setzen können. Derzeit werde man im Kreis geschickt, wenn man bei Online-Giganten das Löschen eines Posts erwirken wolle, ergänzte der Tiroler ÖVP-Bundesrat Sebastian Kolland. Das müsse sich ändern.
Das Zustandekommen des Gesetzes sei nicht einfach gewesen, sagte Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O). Vor allem für Frauen ist das nun vorliegende Paket ihrer Meinung nach ein „Meilenstein“. Schließlich seien Mädchen dreimal so häufig von Hass im Netz betroffen wie Burschen.
Zurückgewiesen wurde die Kritik der Opposition auch von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler. Sie stehe zu jedem einzelnen Punkt des Gesetzespakets, bekräftigte sie. Auch die neuen Auflagen für gewinnorientierte Kommunikationsplattformen seien wichtig, da sie Opfern von Hass im Netz noch vor einem Gang zum Gericht ermöglichten, strafrechtswidrige Inhalte löschen zu lassen. Derzeit sei das extrem schwierig, künftig müssten betroffene Kommunikationsplattformen einen Verantwortlichen und einen Zustellbevollmächtigten benennen und regelmäßig über ihren Umgang mit Beschwerden berichten. Gleichzeitig gebe es durch das vorgesehene Überprüfungsverfahren einen Schutz vor „Overblocking“, betonte die Ministerin.
In Richtung FPÖ hielt Edtstadler fest, Meinungsfreiheit bedeutet nicht das Recht, jemanden zu beschimpfen oder jemandem zu drohen. Dass die Regierungsparteien nicht auf eine einheitliche europäische Regelung warten wollen, begründete sie damit, dass Österreich Tempomacher sein möchte.
SPÖ fordert TV-Werbeverbot für Alkohol
Was das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz betrifft, kritisierte Eva Prischl (SPÖ/N), dass der Spielraum der einschlägigen EU-Richtlinie zu wenig genutzt werde. Sie vermisst etwa ein Werbeverbot für alkoholische Getränke. Auch für ungesunde Lebensmittel sollen ihrer Meinung nach strikte Werbebeschränkungen gelten. Bedauert wurde von Prischl außerdem, dass die vorliegende Sammelnovelle nicht dazu genutzt wurde, um bessere Rahmenbedingungen für den ORF zu schaffen.
Von einem guten Tag für Menschen mit Behinderungen sprach demgegenüber Marco Schreuder (G/W). Nicht nur klassische TV-Sender, sondern auch Streaming-Dienste würden dazu angehalten, mehr Sendungen zu untertiteln bzw. in anderer Form barrierefrei auszustrahlen, hob er hervor. Positiv bewertete Schreuder zudem, dass nun auch Streaming-Dienste einen bestimmten Anteil an europäischen Werken anbieten müssten.
Österreich sei einer der ersten EU-Staaten, die die EU-Vorgaben umsetzen, hob Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler hervor. Damit soll ihr zufolge nicht zuletzt ein pluralistischer Medienstandort gewährleistet werden.
Opposition kritisiert Ausgaben für Regierungsinserate
Geschlossene Kritik von Seiten der Oppositionsparteien gab es an den hohen Ausgaben der Regierung für Inserate. So sprach etwa NEOS-Abgeordneter Karl-Arthur Arlamovsky von Steuergeldverschwendung und drängte auf mehr Transparenz bei Auftragsvergaben sowie auf nachvollziehbare Richtlinien für die Schaltung von Inseraten. Ein von ihm gemeinsam mit SPÖ und FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Er hatte unter anderem zum Ziel, das Auftragsvolumen der laufenden Ausschreibungen für Mediaagenturleistungen und Kreativagenturleistungen in der Höhe von 210 Mio. € drastisch zu reduzieren.
Seitens der ÖVP begrüßten die beiden BundesrätInnen Andrea Holzner und Martin Preineder vor allem auch die bis Ende 2021 verlängerte Möglichkeit für Gemeinderäte, Beschlüsse per Videokonferenz bzw. im Umlaufweg zu fassen. (Fortsetzung Bundesrat) gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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