Nationalrat: Sonderbetreuungszeit wird bis Ende Februar 2021 verlängert

Nationalrat: Sonderbetreuungszeit wird bis Ende Februar 2021 verlängert

Sozialbericht 2019 einstimmig zur Kenntnis genommen

Wien (PK) – Das Instrument der Sonderbetreuungszeit wird bis Ende Februar 2021 verlängert. Es ermöglicht ArbeitnehmerInnen, im Bedarfsfall bis zu drei Wochen von der Arbeit fernzubleiben, um minderjährige Kinder, Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftige Personen selbst zu betreuen, wenn die üblichen Betreuungsstrukturen kurzfristig ausfallen, also etwa Schulen und Kindergärten geschlossen werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, der künftig die Hälfte – und nicht nur wie bisher ein Drittel – der Lohnkosten vom Staat ersetzt bekommt.

Der Gesetzentwurf der Regierung wurde heute im Nationalrat einstimmig verabschiedet. Anders als noch im Ausschuss stimmte auch die SPÖ der Novelle zu. Es sei grundsätzlich positiv, dass die Sonderbetreuungszeit ausgedehnt wird und dass auch Ferien und schulfreie Tage erfasst seien, hielt SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum fest.

Nach wie vor kritisch sieht die SPÖ allerdings, dass es keinen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit bei gleichzeitigem vollen Lohnkostenersatz für die Arbeitgeber gibt. Das schaffe Rechtsunsicherheit, machte neben Nussbaum auch ihr Fraktionskollege Christian Drobits geltend. Ein von der SPÖ dazu eingebrachter Abänderungsantrag blieb bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit. Auch ein eigenständiger Gesetzesantrag der SPÖ und ein Entschließungsantrag der FPÖ zu dieser Frage fanden keine Mehrheit. Damit sollte auch eine Ausweitung des Instruments auf ArbeitnehmerInnen, die mit einem schwer erkrankten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, erreicht werden.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger (ÖVP) hob im Zuge der Debatte hervor, dass Eltern während des Lockdowns vor besonderen Herausforderungen standen und dies auch weiterhin tun. Das System der Sonderbetreuungszeit habe funktioniert und werde weiter funktionieren, zeigte er sich überzeugt. In der ersten Geltungsphase haben ihm zufolge 25.000 ArbeitnehmerInnen Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen, wobei zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer waren. Am häufigsten wurde das Instrument demnach in Wien genutzt.

Es seien vor allem Frauen, die „zum Handkuss kommen“, wenn Schulen oder Kindergärten geschlossen sind, hielt Barbara Neßler (Grüne) fest. Ein Recht auf Sonderbetreuungszeit wäre ihr zufolge auch den Grünen lieber gewesen, nichtsdestotrotz sieht sie dieses Instrument als wichtige Unterstützung für Betroffene. Keine Notwendigkeit eines Rechtsanspruchs erkennt hingegen Rebecca Kirchbaumer (ÖVP).

Vorrangig müsse es darum gehen, Schulen und Kindergärten offenzuhalten, betonte NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. Es brauche Klarheit für Eltern und kluge Maßnahmen. Ihrer Meinung hat es die Regierung aber verabsäumt, über den Sommer kreative Ideen zu entwickeln, was Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher jedoch zurückwies. Man sei gut vorbereitet, versicherte sie.

Seitens der FPÖ wies Peter Wurm generell auf die schwierige Lage in Österreich hin. Er fürchtet, dass die Wirtschaft weiter nicht in die Gänge kommen wird, wenn Mut und Zuversicht fehlten. Das werde sich auch auf die Arbeitslosigkeit niederschlagen. Man müsse endlich in den Normalzustand übergehen, forderte er. Die vorgesehenen Hilfsmaßnahmen würden zwar ein bisschen helfen, seien letztendlich aber Stückwerk, so Wurm.

Nationalrat debattierte Sozialbericht 2019

Zuvor hat der Nationalrat über den schon im Dezember vergangenen Jahres vorgelegten Sozialbericht 2019 debattiert und diesen einstimmig zur Kenntnis genommen. Der Bericht informiert über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt, im Arbeitsrecht, in der Sozialversicherung, im Bereich Behinderung und Pflege, in der allgemeinen Sozialpolitik, in der Gesundheitsversorgung und im Konsumentenschutz. So geht aus dem Bericht etwa hervor, dass die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Jahr 2018 mit 3,661.127 ein Rekordniveau erreichte und die Arbeitslosenrate bei 7,7% lag (-0,8% gegenüber 2017). Ebenso wird auf die im internationalen Vergleich hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen und die enormen Unterschiede bei der Pensionshöhe zwischen Männern und Frauen aufmerksam gemacht. An gesetzlichen Änderungen stechen unter anderem die Ausdehnung der zulässigen Höchstarbeitszeit – Stichwort 12-Stunden-Tag -, die Neugestaltung der Mindestsicherung, Verbesserungen bei der Notstandshilfe und die umfassende Sozialversicherungsreform hervor.

Die Gesamtausgaben für Pensionen im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung lagen 2018 bei 37,73 Mrd. €. Das durchschnittliche Pensionsalter stieg um knapp vier Monate auf 60,4 Jahre. Für die Mindestsicherung wurden im selben Jahr Geldleistungen in der Höhe von 889 Mio. € aufgewendet. Naturgemäß nicht berücksichtigt sind im Bericht die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt und die soziale Lage.

SPÖ und NEOS brachten zwei Entschließungsanträge betreffend der Aufnahme von Flüchtlingskindern von Lagern auf griechischen Inseln ein. Diese fanden allerdings keine Mehrheit.

Grüne Forderung nach Lohntransparenz und flächendeckender Kinderbetreuung

Die Grünen wiesen in der Debatte auf eine Ungleichverteilung von Löhnen und Pensionen zwischen Männern und Frauen hin. Armut in Österreich sei weiblich, so die Mandatarin der Grünen Meri Disoski. Mangelende Lohntransparenz führe zu einem Gender-Pay-Gap, dieser zu einem Gender-Pension-Gap und dazu käme ein Mangel an Kinderbetreuung und folglich Teilzeitarbeit bei Frauen, erklärte sie weiter. Disoski wies auf Gespräche mit dem Koalitionspartner hin, die Lohntransparenz, Eltern- und Partnerteilzeit, Pensionssplitting und den flächendeckender Ausbau von Kinderbetreuung zum Thema hätten. Sie freue sich außerdem, dass die Sozialpartner nun eine langjährige Forderung der Grünen zum Ausbau der Kinderbetreuung forcieren würden, so Disoski.

NEOS: Abschlagsfreie Frühpension ist „Männerfrühpension“

Das Thema Pensionen griffen auch die NEOS in der Debatte auf. Fiona Fiedler (NEOS) übte Kritik an der abschlagsfreien Frühpension, die sie als „Männerfrühpension“ und als das teuerste Pensionsgeschenk vor den Wahlen bezeichnete. Sie vergrößere nicht nur das Pensionsloch um weitere drei Mrd. €, sondern auch den Gender-Pension-Gap, erklärte Fiedler. Laut einer Anfragebeantwortung profitieren bis dato hauptsächlich Männer mit ohnehin hohen Pensionen, erklärte die NEOS-Mandatarin.

Sozialhilfegesetz neu und 12-Stunden-Tag unter Beschuss der SPÖ

Kritik an sozialpolitischen Beschlüssen vergangener Jahre kam von SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Er erinnerte an den unter Schwarz-Blau beschlossenen 12-Stunden-Tag, der weder etwas mit Gesundheit noch mit Sozialem zu tun habe, so Muchitsch. Außerdem kritisierte er das Sozialhilfegesetz Neu. Der Verfassungsgerichtshof habe wesentliche Teile aufgehoben und diese seien bis heute nicht verbessert worden, betonte der SPÖ-Sozialsprecher.

Abseits des Sozialberichts kamen in der Debatte auch aktuelle Maßnahmen im Zuge von COVID-19 zur Sprache. Muchitsch äußerte Unverständnis dafür, dass der Bildungsbonus erst für jene gelten solle, die mit Schulungen im Oktober starten und nicht für jene, die sich bereits in solchen befänden. Außerdem forderte er, dass die Regelung zu Leistungen für NotstandsbezieherInnen in der Höhe des Arbeitslosengeldes in einer geplanten Verordnung nicht nur bis Jahresende, sondern auch darüber hinaus gelten solle.

Freiheitliche für Erhalt des Bargelds

Die Freiheitlichen würdigten aus dem Bereich Konsumentenschutz die Schlichtungsstellen sowie den Internet-Ombudsmann als gut funktionierend. FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm kritisierte allerdings, dass im Bereich der Smart-Meter-Stromzähler die KonsumentInnen auf der Strecke blieben, da es keine wirkliche Opt-Out-Lösung gebe. Hinsichtlich des im Zuge der Corona-Krise seltener angenommenen Bargeldes sehe er Alarmzeichen aus Brüssel. Es gebe Anzeichen für ein Euro-Digitalgeld, so Wurm. Die Freiheitlichen würden für den Erhalt des Bargeldes weiterkämpfen.

ÖVP sieht berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung gestärkt

Die ÖVP sieht im Bereich „Menschen mit Behinderung“ Fortschritte. So verwies Kira Grünberg (ÖVP) auf den Nationalen Aktionsplan, der nun um ein Jahr verlängert würde und auf breiter Basis ein neuer Plan erarbeitet werde. Außerdem betonte sie, dass die berufliche Teilhabe durch eine Erhöhung des Budgets gestärkt würde. Dazu beitragen würden auch die weiterentwickelten Angebote für Menschen mit Behinderungen und ein ausgeweiteter Rechtsschutz, was durch ein Inklusionspaket 2017 möglich geworden sei, so Grünberg. (Fortsetzung Nationalrat) gs/gun

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