Auswirkungen der Corona-Pandemie bestätigen: Klinikreform in NRW dringend erforderlich
Auswirkungen der Corona-Pandemie bestätigen: Klinikreform in NRW dringend erforderlich
Dortmund/Lünen (ots) – Die Corona-Pandemie hat es deutlich bestätigt: Auch wenn eine Überlastung der Kliniken bislang verhindert werden konnte, die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen muss dringend reformiert werden. „Die aktuellen Erfahrungen haben gezeigt, dass es auf klare Zuständigkeiten und regional gut aufeinander abgestimmte Versorgungsaufträge ankommt. Der am Anfang der Pandemie oft zu hörende Rückschluss, dass eine hohe Krankenhaus- und Bettendichte ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Kampf gegen das Corona-Virus sei, hat sich nicht bewahrheitet. Der größte Teil der COVID-19-Patienten konnte ambulant versorgt werden. Schwere Verläufe wurden vorwiegend in spezialisierten Häusern mit Beatmungskompetenz behandelt“, sagte Johannes Heß, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Arbeitgebervertreter. Zusammen mit weiteren namhaften Experten aus dem Gesundheitswesen diskutierte Heß auf dem ersten virtuellen AOK-DigiTalk der AOK-Selbstverwaltung über Lösungen für eine zukunftsfähige und leistungsstarke Krankenhauslandschaft in NRW.
Bereits lange vor der Corona-Krise stand fest: Die Krankenhauslandschaft in Deutschland und NRW muss dringend reformiert werden. „Die Krankenhausstrukturen sind überholt. Die Spezialisierung der Medizin und neue Methoden erfordern eine personelle und technische Ausstattung, die kleine, nicht spezialisierte Grundversorger immer weniger vorhalten können. Im Interesse der Erhaltung der Qualität der Versorgung brauchen wir erhebliche Strukturanpassungen im Krankenhausbereich. Vor allem in den Ballungsgebieten ist daher eine Zentralisierung zur Schaffung adäquater Betriebsgrößen im Interesse der Patienten überfällig“, sagte Prof. Dr. Thomas Mansky, ehemaliger Leiter des Fachgebiets „Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen“ an der TU Berlin.
Nordrhein-Westfalen hat das erkannt und will das ändern. „Das im letzten Jahr veröffentlichte Gutachten zur Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass die jetzige Form der Krankenhausplanung zu allgemein und zu wenig gesteuert ist. Außerdem hat sie die Versorgungsqualität nicht erhöht. Deshalb wird derzeit durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen ein neuer Krankenhausplan erarbeitet. Demnach soll die Planung künftig nach medizinischen Leistungsbereichen und Leistungsgruppen erfolgen. Das Ziel ist, eine patienten- und bedarfsgerechte, gestufte, wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung durch Krankenhäuser sicherzustellen“, erklärte Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW.
Zustimmung dafür kam vom AOK-Vorstandsvorsitzenden Tom Ackermann: „Wir unterstützen die Initiative des Landes, jetzt die Weichen für mehr Qualität in der Krankenhausversorgung zu stellen. Die neue Krankenhausplanung bietet die entscheidende Grundlage, die dringend erforderliche Strukturreform anzugehen und sich künftig stärker am Versorgungsbedarf und an der Behandlungsqualität zu orientieren. Für planbare und komplizierte Eingriffe sollte eine Konzentration und Spezialisierung erfolgen, um einen zielgerichteten ärztlichen und pflegerischen Personaleinsatz zu gewährleisten, höhere Investitionsmittel je Krankenhausstandort bereitzustellen und höhere Qualitätsstandards zu sichern.Dabei ist wichtig, dass bei der Bündelung der Leistungen eine flächendeckende Versorgung auch in ländlichen Regionen weiterhin sicherzustellen ist.“
Für Georg Keppeler, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter war wichtig, dass bei der Bündelung der Leistungen eine flächendeckende Versorgung auch in ländlichen Regionen weiterhin vorgehalten wird. „Für eine flächendeckende Basis- und Notfallversorgung spielt die Erreichbarkeit eine wichtige Rolle. Aber nicht jedes Krankenhaus vor Ort muss und kann alles abdecken. Komplizierte Eingriffe gehören in die Hände von Spezialisten. Dafür braucht es ein gestuftes und gut aufeinander abgestimmtes Leistungsangebot. In solchen Fällen müssen die Patienten auch mal etwas längere Fahrzeiten in Kauf nehmen, erhalten dann aber eine deutlich bessere Behandlung.“
Und Johannes Heß hob hervor: „Die Konzentration von Krankenhausstandorten ermöglicht einen zielgerichteten ärztlichen und pflegerischen Personaleinsatz, höhere Investitionsmittel pro Krankenhausstandort und höhere Qualitätsstandards. Die über die Grundversorgung hinausgehenden Leistungen sollten gebündelt und an größeren Standorten oder auf bestimmte Leistungen spezialisierten Kliniken erbracht werden. Durch die Konzentration werden sich Mehrfachvorhaltungen, Überkapazitäten und nicht ausreichend ausgestattete Standorte auflösen.“ Außerdem wies Heß auf den bestehenden Ärzte- und Fachkräftemangel auch im Klinikbereich hin. „Durch die geplante Krankenhausreform und den gezielten Personaleinsatz könnte sich die Situation etwas entspannen“, so Heß. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich durch die erforderliche Personalaufstockung in den Gesundheitsämtern der Fachkräftemangel jedoch erneut verschärfen werde.
Seine Unterstützung im anstehenden Reformprozess hat auch Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, zugesagt: „Wir haben uns von Beginn an aktiv in den Krankenhausplanungsprozess in NRW eingebracht und werden diesen Prozess weiter aktiv mitgestalten und uns weiter konstruktiv beteiligen. Es gilt für uns kontinuierlich zu entscheiden, welchen Weg und welche strukturellen Änderungen der Krankenhausversorgung wir mittragen können. Eine nachhaltige Krankenhausplanung, wie wir sie fordern, muss sich am objektiven Versorgungsbedarf und den Bedürfnissen der Menschen in den Regionen orientieren.“
Für eine regionale Vernetzung der Akteure warb Dr. med. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe: „Nicht nur die Pandemie führt es uns vor Augen: Wir brauchen eine dauerhafte Neuausrichtung unserer Krankenhäuser. Kernaufgabe muss sein, wieder ein gemeinsames, regionales Versorgungsbewusstsein zu schaffen und abgestimmte, trägerübergreifende Kooperationsstrukturen auf den Weg zu bringen. Wir dürfen unsere Krankenhäuser nicht weiter im Fahrwasser eines Vergütungssystems treiben lassen, das wirtschaftliche Fehlanreize setzt und zu strukturellen Verwerfungen führt, sondern müssen ihre Rolle als Teil der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge stärken. Für eine patientengerechte, qualitativ hochwertige Versorgung brauchen wir regionale Vernetzung – nicht nur digital, sondern zu allererst im Denken und im Handeln aller Beteiligten vor Ort. Dafür muss ein zukunftsfähiges Vergütungssystem intelligente Anreize setzen.“
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen der Reform war nach Auffassung von Johannes Heß eine ausreichende Ausstattung der Krankenhäuser mit Investitionsmitteln. Die angedachte Reform biete hierfür die richtigen Ansatzpunkte, damit das Geld künftig an der richtigen Stelle ankomme. „Insgesamt reichen die bisherigen Investitionsmittel aber nicht aus. Hier muss das Land kräftig nachlegen. Quersubventionierung aus Beitragsgeldern von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Rentnern dürfen sich nicht verstetigen. Die zusätzlichen Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds und dem Zukunftsprogramm Krankenhäuser müssen jetzt gezielt in den Strukturumbau investiert werden“, so Heß. Zum Thema Qualität bringt es Heß auf den Punkt: „Mangelnde Qualität im Gesundheitswesen führt oft zu Schmerzen, Tod und Leid in der Familie. Dies gilt es unbedingt, auch durch die Schaffung geeigneter Krankenhausstrukturen, zu vermeiden.“
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