Wenn Infektionen eskalieren: Unterschätzter Notfall Sepsis

Wenn Infektionen eskalieren: Unterschätzter Notfall Sepsis

Anästhesie-Gesellschaft zum Welt-Sepsis-Tag am 13. September

Wien (OTS) – „Der aktuellen medizinischen Definition zufolge entsteht eine Sepsis dann, wenn eine überschießende Immunantwort des Körpers auf eine Infektion auch Organe schädigt“, erklärt aus Anlass des Welt-Sepsis-Tages am 13. September Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Eva Schaden, Stellvertreterin für den Bereich Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), MedUni Wien/AKH Wien Universitätsklinikum. Die überschießende Abwehrreaktion kann lebensgefährlich sein, so die Expertin: „Eine Sepsis kann zu Schock und Multiorganversagen führen, insbesondere, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und unmittelbar behandelt wird.“ Etwa ein Viertel der an Sepsis Erkrankten versterben. Entsprechend empfiehlt auch eine neue deutsche Leitlinie, Sepsis und septischen Schock klar als „Notfälle“ zu deklarieren, mit deren Behandlung unverzüglich begonnen werden sollte.

Die Ursachen einer Sepsis sind äußert vielfältig. Sie reichen von – aktuell besonders bedeutsam – viralen Infektionen wie zum Beispiel einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 oder Infektionen aus unklarer Quelle bis hin zu Hirnhaut- und Lungenentzündungen. „Unter bestimmten Umständen kann sich aus jeder banalen Infektion eine Sepsis entwickeln, deswegen ist das Krankheitsrisiko insgesamt so hoch“ so Prof. Schaden. „Auch die schwere Erkrankungsausprägung bei COVID-19 kann nach heutigem Wissensstand als virale Sepsis verstanden werden.“

11 Millionen Todesfälle – Bewusstsein schaffen für eine verbreitete Gesundheitsgefahr

„Der Welt-Sepsis Tag wurde 2012 von der ‚Global Sepsis Alliance‘ ins Leben gerufen, um die Häufigkeit und Gefährlichkeit der Sepsis stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, Prävention und Früherkennung zu fördern und die Bedeutung eines optimalen therapeutischen Managements zur unterstreichen“, sagt ÖGARI-Präsident Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller, MedUni Wien/AKH Wien Universitätsklinikum. „Die Dimension ist vielen nicht bewusst: Laut aktuellen Daten aus dem ‚Global Burden of Disease‘-Projekt der WHO ist Sepsis weltweit für jährlich elf Millionen Todesfälle verantwortlich, das entspricht etwa 20 Prozent aller Verstorbenen. In Europa erkranken pro Jahr etwa eine halbe Million Menschen an Sepsis.“

Für Österreich fehlen valide Daten, auf Basis einer Hochrechnung in Deutschland erhobener Zahlen gehen Expertinnen und Experten hierzulande von etwa 28.000 Sepsis-Erkrankten und von rund 6.700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr aus. „Damit gehört Sepsis zu den häufigsten Todesursachen in Österreich“, so Prof. Markstaller.

Gesundheitspolitische Priorisierung gefordert

Daher habe sich auch die ÖGARI als intensivmedizinische Fachgesellschaft die Bekämpfung der Gesundheitsgefahr Sepsis zum Ziel gesetzt, sagt der ÖGARI-Präsident. Unter anderem fordert die Fachgesellschaft gemeinsam mit anderen Organisationen die Etablierung eines „Nationalen Aktionsplan Sepsis“ als ein bundesweites Gesundheitsziel, der österreichweit zu mehr Bewusstsein für die Erkrankung, zu einer verbesserten Früherkennung auch unter Ersthelferinnen und Ersthelfern sowie allen Behandelnden und zur Etablierung optimaler Rahmenbedingungen für Diagnose und Management der Sepsis beitragen soll. Ein wichtiges Element ist dabei die Erhebung valider Daten über Häufigkeit und Sterblichkeitsrate der Sepsis für Österreich, so ÖGARI-Präsident Prof. Markstaller.

„Aktuelle Studien zeigen mehr und mehr die schwerwiegenden Langzeitfolgen einer COVID-Erkrankung“, sagt Prof. Schaden. „Damit gewinnt auch die Etablierung geeigneter Strukturen für die weiterführende Behandlung und Betreuung nach der Entlassung aus der Intensivstation – Stichwort ‚Post-ICU Care‘ – noch mehr an Bedeutung.“

Früherkennung in der „neuen Normalität“: Schlüssel zum optimierten Sepsis-Management

In Sachen Früherkennung könnten die SARS-CoV-2-Pandemie und die vielfältigen öffentlichen Informationen über mögliche Symptome einer COVID-19-Erkrankung im besten Fall einen völlig unerwarteten „Rückenwind“ für eine Sensibilisierung hinsichtlich der Sepsis-Früherkennung bringen, sagt die Leiterin der ÖGARI-Arbeitsgruppe Intensivmedizin Prof. Schaden. „Nie in der jüngeren Vergangenheit war die Aufmerksamkeit für infektiöse Erkrankungen so hoch wie aktuell. Durch intensive Informationstätigkeit ist es inzwischen allgemein bekannt, dass bei typischen COVID-19-Symptomen wie Fieber, Husten oder Kurzatmigkeit die Hotline 1450 angerufen werden soll. Genauso selbstverständlich sollte es werden, dies auch bei Symptomen einer Sepsis zu tun. Denn die Früherkennung ist der Schlüssel zum optimierten Sepsis-Management.“ Je später die Diagnosestellung erfolgt und eine angemessene Therapie eingeleitet wird, desto schlechter sind Heilungs- und Überlebenschancen.

Auch wenn derzeit davon ausgegangen werden kann, dass für COVID-19 in absehbarer Zeit eine Impfung und unter Umständen auch wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sollten diese jetzt verfügbaren Möglichkeiten der Früherkennung und Symptomabklärung auch in der ‚neuen Normalität‘ beibehalten und weiterentwickelt werden, „denn die Sepsis bleibt eine Herausforderung für die Gesundheitssysteme“, so Prof. Schaden.

Eine Herausforderung der Früherkennung sind die zunächst häufig unspezifischen Krankheitssymptome: Der häufig zitierte „rote Strich am Arm“ ist kein Sepsis-Hinweis. Vielmehr sind es zunächst eher allgemeine Symptome wie Fieber und/oder Schüttelfrost, eine erschwerte, schnelle Atmung oder Verwirrtheit und verwaschene Sprache und ein massives Krankheitsgefühl. „Diese unspezifischen Anfangssymptome zeigen, dass nicht nur die Grippe und der grippale Infekt nicht immer leicht von einer COVID-19-Erkrankung zu unterscheiden sind, sondern eben auch die Sepsis, das sollte in der aktuellen Diskussion stärker berücksichtigt werden“, betont Prof. Schaden. Die Pandemie habe viele Menschen auch bezüglich der richtigen und effektiven Händehygiene sensibilisiert, das müsse unbedingt auch in Hinblick auf die Sepsis-Prophylaxe beibehalten werden.

Weitere Informationen und Grafiken finden sich unter https://bit.ly/3jWk2ZI.

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