Umstrittene Pläne: Mit Datenbanken gegen wechselfreudige Strom- und Gaskunden?

Umstrittene Pläne: Mit Datenbanken gegen wechselfreudige Strom- und Gaskunden?

Hamburg (ots) – Strom- und Gaskunden, die ihren Anbieter häufig wechseln, könnten schon bald systematisch davon abgehalten werden. Nach Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung (SZ) haben die Schufa und die Münchner Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel Datenbanken entwickelt, in denen offenbar branchenweit Vertragsdaten von Kunden gespeichert werden sollen. Verbraucher- und Datenschützer fürchten, dass Energieversorger mit ihrer Hilfe wechselfreudige Verbraucher identifizieren und ablehnen könnten. Anfang November wollen sich die Datenschutzbehörden bundesweit zu diesem Thema abstimmen.

Schon jetzt haben es Wechselkunden nicht leicht. Das Hamburger Portal „Wechselpilot“ hat festgestellt, dass bei manchen Energieversorgern jeder fünfte Neukunde abgelehnt wird. Häufig würden für die Ablehnungen keine Gründe genannt, so Jan Rabe, Geschäftsführer von „Wechselpilot“. Abgelehnte Kunden müssten dann zu einem anderen Versorger, im ungünstigsten Fall in einen teuren Grundversorgungstarif.

Bisher dürfen nur Daten von Kunden, die ihre Rechnungen nicht zahlen oder die betrügen, branchenweit ausgetauscht werden. Die neuen Datenbanken sollen dagegen auch Daten vertragstreuer Kunden enthalten. Der Datenschutzexperte und frühere Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein Thilo Weichert sieht das sehr kritisch. Solche Pools führten dazu, dass Verbraucher unter den Anbietern nicht mehr frei wählen könnten. Die Kunden würden auf diese Weise „zum Freiwild der gesamten Branche“.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht die Entwicklung mit Sorge. Wenn Strom- und Gasunternehmen durch Datenbanken künftig sehen könnten, dass Kunden schon häufiger gewechselt haben, könnten sie diese dann entweder systematisch ablehnen oder ihnen attraktive Konditionen vorenthalten, befürchtet Verbraucherschützerin Barbara Saerbeck.

Die größte deutsche Wirtschaftsauskunftei, die Schufa, hat den Recherchen zufolge eine Datenbank namens „Schufa-E-Pool“ konzipiert, die laut einer Werbebroschüre unter anderem „wertvolle Hinweise“ zur Laufzeit des bestehenden Energievertrags enthalten solle. Schufa-Sprecher Ingo A. Koch betonte jedoch, der „Schufa-E-Pool“ sei bislang nicht „marktfähig“. Ohnehin sei „die Idee hinter dem E-Pool nicht das Verhindern eines Wechsels“, so Koch. Es werde in der Datenbank „nach gegenwärtigem Entwicklungsstand lediglich die faktische und zeitliche Existenz des aktuellen Energiekontos gespeichert“. Wie lange ein Verbraucher bei seinem letzten Versorger gewesen sei, sage nichts darüber aus, wie lange er bei seinem neuen Versorger bleibe oder ob er gar ein „Vielwechsler“ sei, so Koch. Mit solchen Informationen seien Energieversorger in der Lage, Kunden genauer zu bewerten und auch solche als Vertragspartner anzunehmen, die sie sonst vielleicht nicht annehmen würden. Das sieht Verbraucherschützerin Barbara Saerbeck anders. Selbst, wenn nur wenige Angaben zu Energiekonten gespeichert würden, bestehe die Gefahr, dass Verbraucher künftig diskriminiert würden.

Auch die Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel hat nach Informationen von NDR und SZ einen Pool für Energieversorger entwickelt, dessen Konzept derzeit von der zuständigen bayerischen Datenschutzbehörde geprüft wird. Das Unternehmen wollte sich auf Nachfrage nicht zu Details äußern. Ein Sprecher erklärte lediglich, dass man „generell keine Auskunft über mögliche zukünftige Projekte“ gebe. CRIF Bürgel – wie auch die Schufa – betonte, dass man sich stets an geltendes Recht halte.

Eine Umfrage unter 75 Energieversorgern von NDR und SZ zeigt das Interesse der Branche, in der sich nur einige grundsätzlich ablehnend zeigten. Von den drei größten deutschen Energieversorgern mit Privatkundengeschäft äußerte sich nur EnBW klar ablehnend zu solchen Datenbanken. E.ON dagegen räumte ein, „mit der Schufa und CRIF Bürgel im Rahmen von Projekten zusammengearbeitet und Datenpools geprüft“ zu haben. Über die Projektphase sei man aber nicht hinausgekommen. Vattenfall erklärte, man sei mit beiden Auskunfteien „zu deren Produktportfolio im Austausch“. An einem Pool nehme man aktuell nicht teil. 25 Unternehmen beantworteten die Medienanfragen nicht.

Im November wollen die zuständigen Behörden beraten, wie es mit diesen Datenbanken weitergehen soll. Unterstützung könnte von der für die Schufa zuständigen hessischen Datenschutzbehörde kommen, die es für rechtmäßig hält, dass solche Vertragsdaten in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert werden. „Wenn ich sehe, dass im Markt der Energieversorger schon die ein oder andere Insolvenz passiert ist – hauptsächlich aufgrund nutzloser Akquisitionskosten – dann muss ich dieses legitime Interesse einfach anerkennen“, so Behördenvertreter Michael Kaiser. Vertreter anderer Datenschutzbehörden sagten NDR und SZ dagegen, sie sähen eine solche Speicherung eher kritisch.

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