Büronutzer schalten in den Krisenmodus – Büroflächenumsatz in den Big 7 sinkt zum Halbjahr um 36 Prozent

Büronutzer schalten in den Krisenmodus – Büroflächenumsatz in den Big 7 sinkt zum Halbjahr um 36 Prozent

Frankfurt (ots) – Nach dem Schock das große Durchatmen? So lässt sich der jüngste ifo-Geschäftsklimaindikator durchaus interpretieren. Die Unternehmen in Deutschland sehen wieder Licht am Ende des Tunnels – als diffusen Schimmer zumindest. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind noch immer allgegenwärtig. Der konjunkturelle Einbruch ist unvermeidlich und die jüngst vorgelegten Zahlen zum Arbeitsmarkt mit über 630.000 Arbeitslosen mehr als im letzten Jahr sowie zur Kurzarbeit sind Spiegelbild dieser negativen Entwicklung. Konkret erwarten die Ökonomen für das zweite Quartal 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 2,2 Prozent und für das Gesamtjahr von 6,5 Prozent.

Und was ist mit dem Wiederaufschwung? Über dessen Start streiten die Experten. Laut Consensus Economics wird das Wachstum 2021 mit 5,2 Prozent deutlich schwächer ausfallen als der Abschwung dieses Jahr. Einig sind sich die Wirtschaftsinstitute darin, dass erst 2022 das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht werden wird. Tiefe Einschnitte also und nach wie vor viele Fragezeichen und Unsicherheiten. Hätte die Bundesregierung mit ihrem Konjunkturpaket nicht gegengesteuert, die Verwerfungen wären noch gravierender. Nach Berechnungen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wäre das BIP 2020 und 2021 ohne das Paket jeweils um einen Prozentpunkt niedriger ausgefallen.

„All das kann nicht spurlos an den deutschen Vermietungsmärkten vorbeigehen, zumal es neben der Industrie in dieser Krise eben auch die Dienstleistungsunternehmen gleichermaßen trifft. Im Moment ist nicht die Zeit, um Umzüge zu realisieren oder Expansionen voranzutreiben. In vielen Unternehmen regiert der Rotstift, es gilt, Arbeitsplätze zu erhalten und die vorhandenen Büroflächen an die neuen Gegebenheiten in punkto Abstands- und Hygieneregeln anzupassen“, bewertet Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, die Lage.

Nachfrage nach Büroflächen sinkt auch im zweiten Quartal deutlich

In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden rund 1,28 Mio. m² Bürofläche in den Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) vermietet oder an Eigennutzer verkauft. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahresvolumen um fast 36 Prozent. „Nachdem sich die Auswirkungen der Pandemie in den Statistiken des ersten Quartals noch nicht vollständig niedergeschlagen hatten, standen die Monate April bis Juni voll unter Corona-Einfluss. In Anbetracht der stärksten Rezession in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg fiel der Umsatzrückgang noch relativ moderat aus. Man könnte sogar positiv argumentieren, dass die Nachfrage im zweiten Quartal immerhin rund 45 Prozent zum Halbjahresergebnis beigetragen hat.

Andererseits bleibt das zweite Quartal 2020 das umsatzschwächste zweite Quartal seit Mitte 2009. Es liegt insofern im jeweiligen Auge des Betrachters, wie diese Zahlen zu interpretieren sind“, gibt Helge Scheunemann zu bedenken.

Der Blick auf die einzelnen Städte zeigt, dass keine der Hochburgen sich dem Rückgang entziehen konnte. München und Berlin liegen mit 332.000 m² bzw. 329.000 m² fast gleichauf: die Einbußen liegen in beiden Metropolen mit 19 und 22 Prozent auch deutlich unter dem Gesamtschnitt. Über die Hälfte des kumulierten Halbjahresumsatzes aller Big 7 machen diese beiden Städte aus. Zu deren Ergebnis beigetragen haben zwei herausragende Vermietungen mit zusammen über 110.000 m² – auch solche Abschlüsse können also nach wie vor getätigt werden. Umso kräftiger sanken die Umsätze in den anderen Hochburgen, am deutlichsten in Frankfurt um 60 Prozent auf nur noch knapp 112.000 m² und damit auf den niedrigsten Halbjahreswert seit 1993. Hier fehlen schlichtweg die traditionellen Großanmietungen der Banken- und Finanzbranche.

Wie könnte es weitergehen?

Damit einher geht die Frage, wie die zweite Jahreshälfte aussehen wird? „Derzeit gehen wir von einer moderaten Belebung in den nächsten Monaten aus und erwarten für das Gesamtjahr einen Büroflächenumsatz von rund 2,8 Mio. m². Das entspräche dann einem Minus im Vergleich zu 2019 von 29 Prozent. Aber natürlich stehen auch diese Prognosen unter der Voraussetzung, dass wir keinen weiteren Lockdown erleben werden und dass die konjunkturellen Unterstützungsmaßnahmen der Politik weiter greifen. Solange kein Impfstoff verfügbar ist, werden wir uns an ein fragiles und volatiles Marktumfeld gewöhnen müssen – auch bei den Vermietungsmärkten“, prognostiziert der JLL-Chefresearcher. Und Scheunemann weiter: „Die Volatilität schlägt sich aktuell auch in den Büro-Belegungsquoten nieder. Immer noch pendeln zahlreiche Beschäftigte zwischen Home-Office und Büroarbeitsplatz, ein normaler Betrieb im Büro ist immer noch nicht möglich. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis der Beschäftigten nach persönlicher Kommunikation mit den Kollegen und der Rückkehr ins Büro als Ort der Begegnung und des Austauschs. Dieses Thema wird uns noch lange belgleiten und ist insofern auch ein marktbeeinflussender Parameter, da sich viele Unternehmen erst einmal selber neu aufstellen und organisieren müssen – in ihren aktuell vorhandenen Flächen. Ein Umzug steht dabei oftmals nicht ganz oben auf der Tagesordnung, zumal sich bei vielen Unternehmen etwaige Flächenknappheiten durch die Verlagerung der Tätigkeiten ins Home-Office erübrigt haben dürften.“

Leerstände steigen nur leicht an – Konjunkturpaket unterstützt

Damit es an den Vermietungsmärkten nicht zu einer signifikanten Verwerfung kommt, sollte zumindest die Angebotsseite positive Signale aussenden und zur Stabilisierung des Gesamtmarktes beitragen. Und ja, in punkto des kurzfristig verfügbaren Angebotes lässt sich augenblicklich noch kein besorgniserregender Anstieg ausmachen. Insgesamt stehen in den sieben Hochburgen Ende Juni knapp 3 Mio. m² Bürofläche leer. Das liegt immer noch leicht unter dem Vorjahresergebnis. Allerdings bestätigt sich damit der seit Ende 2019 anhaltende Trend, dass der Tiefpunkt beim Leerstand erreicht ist und wieder von langsam ansteigenden Volumina auszugehen ist. Derzeit steht die aggregierte Leerstandsquote bei nach wie vor sehr niedrigen 3,2 Prozent. „Angesichts dieser Statistiken kann man immer noch nicht von einer Entspannung an der Angebotsfront sprechen. Wenn Unternehmen neue Flächen suchen, bleibt die Auswahl an modernen und flexiblen Neubauflächen der besten Qualität auch jetzt noch eingeschränkt. Und das ist – man muss es immer wieder betonen – ein massiver Unterschied zu der Krise von vor 10 Jahren. Damals liefen die Märkte mit einer mittleren Leerstandsquote von über 8 Prozent in die globale Finanzkrise hinein. Und: Bei aller nachfragbedingter Schwäche, die derzeitige Situation auf der Angebotsseite stützt gegenwärtig die Mietpreise bzw. hält diese auf dem Vor-Corona-Niveau“, erklärt Helge Scheunemann.

Ein weiteres „Hilfsmittel“ kommt von der Politik. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden durch das aktuelle Rettungspaket der Bundesregierung in diesem und im nächsten Jahr in den 20 am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Branchen rund 370.000 Arbeitsplätze gerettet. „Wenn wir diesen Effekt auf die Bürobeschäftigten und auf die sieben Hochburgen herunterrechnen, lässt sich konstatieren, dassdas Konjunkturpaket einen Anstieg der Leerstandsquote im laufenden Jahr um 0,4 Prozentpunkte, 2021 um weitere 0,5 Prozentpunkte verhindert. Eine durchaus relevante Größenordnung mit deutlich über 2 Mio. m²“, konstatiert Scheunemann.

Bis zum Jahresende werden die Leerstände moderat ansteigen mit einer Leerstandsquote, die sich über alle Hochburgen hinweg bei 3,6 Prozent einpendeln könnte. Dabei dürfte das Thema Untervermietung an Relevanz zunehmen, dies aber sicherlich nur schrittweise und erst dann, wenn die neuen ‚Nach-Corona-Bürokonzepte‘ inklusive des Umgangs mit der Home-Office-Thematik abschließend und ausreichend geklärt sind.

Volumen der Fertigstellungen noch auf Vorjahresniveau – Vorvermietungen sinken

Im ersten Halbjahr 2020 wurden Büroflächen mit einem Volumen von insgesamt rund 438.000 m² fertiggestellt und damit nahezu genau so viele wie im ersten Halbjahr 2019.

Besonders interessant und für die Einschätzung der Vermietungsmärkte insgesamt relevant ist der Blick auf die Vorvermietungen. Von den in den ersten sechs Monaten fertiggestellten Büroflächen sind aktuell nur noch 59.000 m² frei verfügbar, oder anders formuliert, 87 Prozent aller Neubauflächen sind bereits vermietet oder an Eigennutzer vergeben. Diese Quote ist im Vergleich zum ersten Quartal zwar gesunken, ist aber nach wie vor sehr hoch und trägt – noch – dazu bei, dass die Leerstände nicht stärker ansteigen. „Die Betonung muss hier auf dem Wort noch liegen. Angesichts der unsicheren Geschäftsaussichten der Unternehmen wäre es alles andere als verwunderlich, wenn die Vorvermietungsquote im weiteren Jahresverlauf nicht weiter abnehmen würde“, relativiert Helge Scheunemann die Aussichten.

Im zweiten Halbjahr befinden sich noch insgesamt knapp 615.000 m² in der Pipeline, die sich alle bereits im Bau befinden. Aktuell stehen 292.000 m² Bürofläche und damit immerhin noch rund 48 Prozent suchenden Mietern zur Verfügung. Gegenüber dem ersten Quartal wird eine deutliche Verschiebung der Vorvermietungsquote sichtbar, die die aktuell verhaltene und abwartende Haltung von Nutzern dokumentiert.

Verhaltener agieren aber auch die Projektentwickler. Zum einen, weil sie durch immer noch gestörte Lieferketten und unterbrochene Bauprozesse nicht mit Volldampf ihre Projekte abschließen können. Darüber hinaus dürften einige Pipeline-Projekte gar nicht erst an den Start gehen, weil die Finanzierung schwierig ist bzw. mit mehr gefordertem Eigenkapital unrentabler wird. „Bereits jetzt machen sich diese Effekte in Form von zeitlichen Verschiebungen bemerkbar – für 2021 gehen wir aktuell von einem Neubauvolumen von 1,9 Mio. m² aus, noch vor drei Monaten waren es über 2,1 Mio. m²“, stellt Scheunemann fest.

Spitzenmieten unverändert – in zwei Märkten sogar gestiegen

Wie wirkt sich die Gemengelage aus Angebots- und Nachfrageentwicklungen auf die Mieten aus? Kurz gesagt: noch gar nicht. Natürlich werden viele Mieter preissensibler, aber es gibt weiterhin Mieter, die für Top-Flächen in Top-Lagen Spitzenmieten zu zahlen bereit sind, so dass es sogar in Corona-Zeiten dazu kommt, dass in zwei der Hochburgen die Spitzenmiete sogar gestiegen ist. In Stuttgart und in Hamburg wurde ein Plus von jeweils einem Euro pro Monat und Quadratmeter auf 24,50 Euro bzw. auf nun 30,00 Euro registriert. In den anderen Hochburgen blieben die Spitzenmieten unverändert. Damit legte der JLL-Spitzenmietpreisindex wieder leicht zu auf aktuell 220,5 Punkte. Im Jahresvergleich schlägt ein Plus von 3,5 Prozent zu Buche. „Solange die Leerstände in den Hochburgen nicht deutlich über 5 Prozent ansteigen, wird es gerade in den guten und gefragten Lagen eine Flächenknappheit geben. In Kombination mit einer zurückgehenden Pipeline wirken sich diese Effekte stabilisierend auf die Nominalmieten aus. Effektiv, also unter Berücksichtigung von Incentives, bemerken wir allerdings schon einen gewissen Druck auf die Mieten. Der könnte sich im weiteren Jahresverlauf verstärken, wenn immer mehr Nutzer mietfreie Zeiten oder Ausbaukostenzuschüsse durchzusetzen versuchen“, vermutet Helge Scheunemann.

Die Büroflächennutzer werden auch nach der Akut-Phase von Corona weiterhin kostensensibel bleiben und u.a. Einsparungen im Immobilienbereich prüfen. Gleichwohl könnten einige Firmen die Arbeitsplatzdichte mittel- bis langfristig moderat verringern, und zwar nicht nur mittels temporärem Remote Working, sondern dauerhaft, d.h. entweder bei gleicher Mitarbeiterzahl mehr Quadratmeter nutzen oder bei leicht reduzierter Mitarbeiterzahl die Gesamtbürofläche unverändert

belassen. Wie sich die benötigte Bürofläche „unter dem Strich“ ändert, hängt u.a. also einerseits davon ab, wie sich die Mitarbeiterzahl im Büro ändert, und andererseits, welche qualitativen und quantitativen Anpassungen im Büro vorgenommen werden. Falls Unternehmen befürchten, dass bei Home-Office der „drive / spirit“ der Mitarbeiter sowie der Informationsfluss leiden könnten, werden sie versuchen, ihre Mitarbeiter nach der Phase der Abstands-Vorgaben wieder verstärkt im Büro arbeiten zu lassen und weniger Fokus auf Home-Office legen; in diesen Fällen wird es auch weniger quantitative Änderungen ihrer Flächennutzung geben.

„Im Laufe der nächsten Monate wird man die Entwicklungen präzisieren können. Dann werden sich für Unternehmen, die öffentliche Hand sowie Selbständige als Büroflächennutzer individuelle Auswirkungen konkretisieren lassen. Ganz grundsätzlich ist natürlich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ein wesentlicher Treiber des Büroflächenbedarfs“, kommentiert Helge Scheunemann abschließend. Und ergänzt: „Aber vielleicht nicht mehr der bedeutendste. Das würde für den Fall gelten, dass Remote Working-Anpassungen in summa zu deutlicheren Flächenreduzierungen führen sollten.“

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Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com


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