Tiroler Tageszeitung, „Fleckerlteppich als Schwachstelle“, von Matthias Reichle

Tiroler Tageszeitung, „Fleckerlteppich als Schwachstelle“, von Matthias Reichle

Ausgabe vom Samstag, 27. Juni 2020

Innsbruck (OTS) – Die Reisesaison beginnt und damit steigt auch das Risiko, dass Corona in den Urlaubsgebieten aufflammt. Die Corona-Warn-Apps der verschiedenen europäischen Nationen sind derzeit allerdings noch nicht kompatibel.

In Italien heißt sie „Immuni“, in Frank­reich lädt man sie sich als „StopCovid“ aufs Smartphone, in Norwegen trägt sie den Namen „Smittestopp“, in Island ist sie unter „Rakning C-19“ bekannt, in Deutschland als „Corona-Warn-App“ und in Österreich als „Stopp-Corona-App“. Verschiedene Namen, verschiedene Programme – alle mit einem Ziel: ihre Nutzer rechtzeitig vor einer möglichen Infektion zu warnen und damit eine Ausbreitung der Krankheit, die Europa seit Monaten in Atem hält, zu unterbinden. Spätestens seit Urlauber, viele aus Ischg­l, das Virus über den ganzen Kontinent verteilt haben, wissen wir, dass das Virus kein nationales, sondern ein globales Problem ist – eines, das eben keine Grenzen kennt. Reagiert hat man allerdings mit einem Fleckerlteppich aus Software, die derzeit noch nicht kompatibel ist. Man spricht vom geeinten Europa, eine geeinte Lösung auf den Weg zu bringen, ist hier nicht gelungen. Stattdessen kocht jeder sein eigenes Süppchen (mit unterschiedlichem Erfolg) – und investiert dafür zum Teil sehr viel Geld. Das Resultat sind Apps, die sich technisch sehr stark unterscheiden. Ein gegenseitiger Datenaustausch ist ein Ziel, das man inzwischen ins Auge gefasst hat. Aktuell funktionieren die Programme aber noch nicht untereinander – selbst sehr ähnliche wie das deutsche und das österreichische. Sie haben zudem eine unterschiedliche Funktionsweise. So kann die heimische App bereits vor einem Verdachtsfall warnen, während es beim nördlichen Nachbarn das Attest vom Arzt braucht, um die Alarmsirene bei den Kontaktpersonen heulen zu lassen.
Inzwischen werden beide in internationalen Plattformen zum Download angeboten und funktionieren auch nebeneinander. Das ist eine Zwischenlösung. Wer zum Beispiel als Urlauber nach Österreich kommt, kann sich die österreichische App bereits vorab aufs Handy laden – und kann, wenn er wieder daheim ist, eine Warnung abgeben, sollte er erkranken. Ob das aber auch funktioniert, muss sich erst zeigen. Es ist jedenfalls eine mögliche Schwachstelle. Immerhin beginnt nun die Reisesaison. Der Kater vom letzten Skiurlaub ist kaum ausgestanden, schon ist das Fernweh wieder da und das Ansteckungsrisiko steigt. Die österreichische Corona-App hat derzeit noch ein ganz anderes Problem: eine relativ überschaubare Nutzergruppe. Das mag auch an den technischen Einschränkungen der letzten Zeit liegen. Nun gilt es dringend aufzuholen, wenn die Warnkette effektiv funktionieren soll.

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