Bahnbrechende Gentherapien gegen Erbkrankheiten: Mailänder Arzt und Forscher Alessandro Aiuti erhält den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2020
Bahnbrechende Gentherapien gegen Erbkrankheiten: Mailänder Arzt und Forscher Alessandro Aiuti erhält den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2020
Bad Homburg v.d. H./Mailand (ots) – Die aktuelle Coronavirus-Pandemie verdeutlicht, wie gefährlich uns Virusinfektionen werden können. Unabhängig von der derzeitigen Situation gibt es Personen, deren Körper wehrlos ist gegen Infektionen, weil ihr Immunsystem diese nicht bekämpfen kann – sie leiden an Immunschwächekrankheiten wie ADA-SCID (Adenosine-Deaminase-Severe Combined ImmunoDeficiency) oder dem Wiskott-Aldrich-Syndrom. Der Mailänder Arzt und Forscher Prof. Dr. Alessandro Aiuti, der am San Raffaele-Telethon Institut für Gentherapie (SR-Tiget) und an der Vita Salute San Raffaele Universität arbeitet, wird nun für seine bahnbrechenden Erfolge bei der Entwicklung von Gentherapien mit dem Else Kröner-Fresenius-Preis für Medizinische Forschung 2020 ausgezeichnet, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro.
Bei der seltenen Immunkrankheit ADA-SCID, die ausschließlich junge Kinder betrifft und in Europa jährlich etwa 15-mal auftritt, sorgt ein Defekt des ADA-Gens im Erbgut für eine Störung der Lymphozyten-Entwicklung. Der Körper der jungen Patienten ist dadurch wehrlos gegen Infektionen. „Ohne wirksame Therapie überleben die Kinder selten länger als zwei Jahre, da für sie jede Infektion gefährlich werden kann“, erläutert Aiuti. Der Standard für die Therapie ist eine Knochenmarktransplantation von einem Spender, dessen Knochenmarkzellen mit denen des Patienten genau übereinstimmen. Nur für eine Minderheit von Patienten steht jedoch ein passender Spender zur Verfügung. „Solche Kinder profitieren inzwischen von unseren Fortschritten im Bereich der Gentherapie. Bisher haben wir mit der von uns entwickelten Therapie 36 Kinder aus 19 Ländern behandelt. Bei mehr als 80 Prozent hat die Behandlung so angeschlagen, dass keine Enzym-Ersatztherapie oder Transplantation benötigt wird. Diese Errungenschaft wurde durch den außerordentlichen Einsatz und das außergewöhnliche Engagement der SR-Tiget-Forscher und des klinischen Teams im Verlauf von 25 Jahren ermöglicht“, erläutert Aiuti. Alle Patienten sind immer noch am Leben.
Für diese Erfolge und seine anderen Arbeiten auf dem Gebiet der Gentherapie wurde Alessandro Aiuti nun mit dem Else Kröner-Fresenius-Preis für Medizinische Forschung 2020 der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) ausgezeichnet. Der internationale Forschungspreis ist mit 2,5 Millionen Euro einer der höchst dotierten medizinischen Wissenschaftspreise weltweit. „Der noch junge Preis wird in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Er ehrt Forscherinnen und Forscher für bahnbrechende Beiträge in den biomedizinischen Wissenschaften. Ein großer Teil des Preisgeldes fließt in die Forschung des Preisträgers und soll dazu beitragen, auch in Zukunft weitere wegweisende Ergebnisse und medizinische Durchbrüche zu erzielen“, betont Prof. Dr. Michael Madeja, wissenschaftlicher Vorstand der EKFS.
Über die Preisvergabe entschied eine zehnköpfige internationale Jury, die sich aus renommierten Forschern auf den Gebieten der Genomeditierung und Gentherapie sowie aus Vertretern der Wissenschaftskommission der EKFS zusammensetzt. Die Juryvorsitzende Prof. Dr. Hildegard Büning, Präsidentin der European Society for Gene and Cell Therapy (ESGCT), begründet die Jury-Entscheidung: „Alessandro Aiuti ist ein wirklich herausragender Arzt und Wissenschaftler. Seine Arbeit hat maßgeblich zur Entwicklung und der erfolgreichen Behandlung von seltenen, genetisch bedingten Erkrankungen wie SCID beigetragen. Auch Patienten mit anderen vererbbaren Krankheiten können nicht zuletzt dank seiner Beiträge vermutlich in Zukunft erfolgreich behandelt werden.“
Nach erfolgreichen klinischen Studien wurde die für ADA-SCID-Patienten entwickelte Gentherapie in Europa als Arzneimittel zugelassen. Sie gilt als eine der wichtigsten Ergebnisse der Entwicklung von Gentherapien weltweit. Bei der Behandlung werden dem Patienten bestimmte Blutstammzellen (CD34+) entnommen und ihre DNA modifiziert. Dafür werden die Zellen außerhalb des Körpers mithilfe eines viralen Vektors behandelt. Dieser bringt die korrekte Version des Gens für das ADA-Enzym in das Erbgut der entnommenen Zellen ein. Die genetisch veränderten Zellen werden per Infusion zurück in den Blutkreislauf des Patienten gebracht. Ein Teil der modifizierten Zellen siedelt sich dann wieder im Knochenmark an. Der Patient verfügt nun über korrekt funktionierende Blutstammzellen, die Lymphozyten zur Abwehr von Infektionen produzieren – und das vermutlich ein Leben lang.
Alessandro Aiuti will mit dem Preisgeld der EKFS die Erfolgsgeschichte fortschreiben, die Therapien weiter optimieren und Mechanismen der Heilung besser beschreiben. Eine weitere große Herausforderung sieht der Wissenschaftler darin, das erworbene Wissen über die erfolgreichen Gentherapien aus Mailand auf möglichst viele andere genetische Erkrankungen zu übertragen. Neben der Therapie für ADA-SCID hat das San Raffaele Telethon Institut für Gentherapie auch Gentherapien für vier weitere Erbkrankheiten entwickelt, darunter das Wiskott-Aldrich-Syndrom und die metachromatische Leukodystrophie. Insgesamt wurden bis heute mehr als 100 Patienten aus 35 verschiedenen Ländern behandelt.
Zusatzinformationen:
– Preisträgerfilm auf YouTube: https://youtu.be/SPo_ExrcAFw
– San Raffaele Telethon Institut für Gentherapie: https://www.youtube.com/watch?v=yNn-5ZhCPj8
– Gentherapie von ADA-SCID: https://www.youtube.com/watch?v=u-8wvA_fQbk
– Behandlung von Patienten:
– https://www.youtube.com/watch?v=f1va4b4WOGE
– https://www.youtube.com/watch?v=RxR7CRGnHgw
– https://www.youtube.com/watch?v=NmbfOVjnbCU
– Informationen zu ADA-SCID: Orpha.net (http://www.orpha.net) Biographie Alessandro Aiuti
Alessandro Aiuti wurde 1966 in Rom geboren, wo er an der dortigen La Sapienza Universität Medizin studierte. Nach einem Aufenthalt an der Harvard Medical School in Boston, promovierte er 1996 an der La Sapienza Universität in Human Biology. Seit 1997 ist er am San Raffaele Scientific Institute in Mailand tätig, wo er inzwischen auch an der Vita Salute San Raffaele Universität als Professor lehrt. Zudem ist er stellvertretender Direktor am San Raffaele Telethon Institute for Gene Therapy und Direktor der Pädiatrischen Immunhämatologie am San Raffaele Krankenhaus.
Aiuti ist Autor zahlreicher und vielbeachteter Publikationen. Im Laufe seiner Karriere erhielt er zahlreiche Preise von nationalen und internationalen Einrichtungen. Aiuti ist Mitglied im Vorstand der European Society of Gene and Cell Therapy und seit 2019 Mitglied des EMA Committee for Advanced Therapies.
Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung
Der anlässlich des 25. Todestages von Else Kröner im Jahr 2013 ins Leben gerufene internationale Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung wird in wechselnden Bereichen der biomedizinischen Wissenschaften vergeben und ist mit 2,5 Mio. Euro einer der höchst dotierten weltweit. Mit ihm werden Forscher ausgezeichnet und gefördert, die auf ihrem Gebiet bedeutende wissenschaftliche Beiträge geleistet haben und deren Arbeit auch in Zukunft wegweisende Ergebnisse und medizinische Durchbrüche erwarten lässt.
Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) – Forschung fördern. Menschen helfen.
Die gemeinnützige Else Kröner-Fresenius-Stiftung widmet sich der Förderung medizinischer Forschung und unterstützt medizinisch-humanitäre Projekte. Die Stiftung wurde im Jahr 1983 von der Unternehmerin Else Kröner gegründet und zu ihrer Alleinerbin eingesetzt. Die EKFS bezieht nahezu alle ihre Einkünfte aus Dividenden des Gesundheitskonzerns Fresenius, dessen größte Aktionärin sie ist. Bis heute hat sie rund 2.000 Projekte gefördert. Mit einem jährlichen Fördervolumen von aktuell rund 60 Millionen Euro ist sie die größte Medizin fördernde Stiftung Deutschlands. Weitere Informationen finden Sie unter: www.ekfs.de (https://www.ekfs.de)
San Raffaele-Telethon-Institut für Gentherapie (SR-Tiget)
Das San Raffaele-Telethon-Institut für Gentherapie (SR-Tiget) mit Sitz in Mailand, Italien, ist ein Joint Venture zwischen dem Ospedale San Raffaele und der Fondazione Telethon. SR-Tiget wurde 1995 gegründet, um Forschung zu Gentransfer und Zelltransplantation zu betreiben und die Ergebnisse in klinische Anwendungen von Gen- und Zelltherapien für verschiedene genetische Krankheiten umzusetzen. Im Laufe der Jahre hat das Institut wegweisende Beiträge auf diesem Gebiet geleistet und relevante Entdeckungen in den Bereichen Vektordesign, Gentransferstrategien, Stammzellbiologie sowie Identität und Wirkmechanismus angeborener Immunzellen gemacht. SR-Tiget hat darüber hinaus die Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieser Fortschritte in neuartige experimentelle Therapien geschaffen. Es wurden mehrere erfolgreiche klinische Studien zu Gentherapien für erbliche Immundefekte, Blut- und Speichererkrankungen durchgeführt, mit denen bereits mehr als 115 Patienten behandelt wurden. Durch die Zusammenarbeit mit Industriepartnern haben diese Studien zur Anmeldung und Zulassung neuartiger fortschrittlicher Gentherapeutika geführt.
Fondazione Telethon
Fondazione Telethon ist eine gemeinnützige Organisation, deren Gründung 1990 auf das Engagement von Patientenvereinigungen zurückgeht, die Forschung als die einzige wirkliche Möglichkeit sah, genetische Krankheiten wirksam zu bekämpfen. Dank der Gelder, die durch den Fernsehmarathon („Telethon“) sowie durch andere Initiativen und ein Netzwerk von Partnern und Freiwilligen gesammelt wurden, finanziert Telethon exzellente wissenschaftliche Erforschung seltener genetischer Erkrankungen. Die geförderten Projekte werden von unabhängigen, international anerkannten Experten bewertet und ausgewählt, mit dem Ziel, die entwickelten Therapien all denen zugänglich zu machen, die sie benötigen. Im Verlauf der ganzen 30 Jahren ihrer Tätigkeit hat die Fondazione Telethon mehr als 528 Millionen Euro in die Finanzierung von über 2.630 Projekten investiert. Über 1.600 Wissenschaftler sind und waren an der Erforschung von mehr als 570 Krankheiten beteiligt. Die Fondazione Telethon hat damit einen bedeutenden Beitrag zur weltweiten Förderung des Wissens über seltene genetische Erkrankungen sowie zur wissenschaftlichen Forschung und Arzneimittelentwicklung im Hinblick auf die Entwicklung von Behandlungen geleistet. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte http://www.telethon.it (http://www.telethon.it/)
Pressekontakt:
Else Kröner-Fresenius-Stiftung
Bianka Jerke
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: + 49 6172 8975-24
E-Mail: b.jerke@ekfs.de
Fondazione Telethon
Thomas Balanzoni (HAVAS PR Milan)
Tel.: 02 85457047
Mobil: (+39) 3463204520
E-Mail: thomas.balanzoni@havaspr.com
Ospedale San Raffaele
Gea Gardini – Marta Ammoni
Tel.: 02 2643 6255/4466
Mobil: (+39) 334 6090384
E-Mail: ufficio.stampa@hsr.it
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